Berliner Debatte Initial 21 (2010), 2

Titel der Ausgabe 
Berliner Debatte Initial 21 (2010), 2
Weiterer Titel 
Europäische Integration und EU-Kritik

Erschienen
Berlin 2010: Selbstverlag
Erscheint 
4 Ausgaben jährlich
ISBN
9783936382686
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
15 €

 

Kontakt

Institution
Berliner Debatte Initial. Sozial- und geisteswissenschaftliches Journal
Land
Deutschland
c/o
Berliner Debatte Initial, PF 580254, 10412 Berlin, Tel.: (+49-331) 977 4540, Fax: (+49-331) 977 4696, E-Mail: redaktion@berlinerdebatte.de; Redaktion: Ulrich Busch, Erhard Crome, Wolf-Dietrich Junghanns, Raj Kollmorgen, Thomas Möbius, Thomas Müller (verantwortlicher Redakteur), Gregor Ritschel, Robert Stock, Matthias Weinhold, Johanna Wischner. Redaktionelle Mitarbeit: Adrian Klein, Benjamin Sonntag.
Von
Müller, Thomas

Noch vor wenigen Jahren galt grundsätzliche Kritik an der Europäischen Union in den Öffentlichkeiten ihrer Mitgliedsländer weitgehend als tabu. Unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges, zwischen 1989 und 1994, fand EU-Mitgliedschaft die ausdrückliche Zustimmung von über 60, zeitweise 70 Prozent der Unionsbürger/innen. Der Bevölkerungsanteil der Gegner schien mit unter 10 Prozent vernachlässigbar, und Politiker beschränkten EU-kritische Äußerungen auf Detailaspekte der Unionspolitik, wollten sie nicht der Verletzung des politischen Anstands beschuldigt werden. Diese Konstellation des „permissiven Konsensus“ ist inzwischen Geschichte. Nicht nur in der breiteren Bevölkerung ist der Anteil der EU-Skeptiker in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Auch von politischen Eliten der Mitgliedsstaaten und selbst von Intellektuellen, die einst zu den Protagonisten des europäischen Einigungsprojekts zählten, ist inzwischen zunehmend vehemente Grundsatzkritik am Modus der europäischen Integration zu vernehmen. So ist EU-Skepsis in den letzten eineinhalb Jahrzehnten zum Gegenstand intensiver Forschung geworden.

Timm Beichelt, der im Wintersemester 2009/10 an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) die Ringvorlesung veranstaltet hat, auf welche die Beiträge zum thematischen Schwerpunkt dieser Ausgabe zurückgehen, systematisiert einleitend die diversen Phänomene der neueren EU-Skepsis und EU-Kritik nach Trägergruppen und Themen und unterbreitet verschiedene Erklärungsangebote. Insbesondere problematisiert er die in der politischen Öffentlichkeit wie in der Forschung noch immer verbreitete Gewohnheit, substanzielle Kritik an der europäischen Integration als für die weitere Entwicklung der EU destruktiv zu deuten, und plädiert dafür, die Zunahme von EU-Kritik als einen Prozess der Aneignung europäischer Politik durch die kritischen Akteure zu interpretieren.

Die weiteren Schwerpunktbeiträge befassen sich mit ausgewählten Problembereichen, die Beichelt als spezifische Anlässe neuerer EU-Kritik identifiziert. Jürgen Neyer und Gert-Rüdiger Wegmarshaus setzen sich mit dem in der Literatur häufig thematisierten „Demokratiedefizit“ der EU auseinander. Während Neyer den deklarierten Anspruch der EU, demokratischen Prinzipien zu genügen, für grundsätzlich verfehlt hält und die Legitimationschancen supranationalen Regierens in der EU eher in einem Geltungsgewinn argumentationsbasierter und gerechtigkeitsorientierter Politik sieht, prüft Wegmarshaus diverse Ansätze direkter und partizipativer Demokratie auf ihre Eignung, die Legitimationsprobleme der EU zu beheben.

Die wachsende Diskrepanz zwischen der Forcierung der Integration des europäischen Binnenmarktes (negative Integration) und dem gleichzeitigen Geltungsverlust von Projekten positiver, auf Marktregulierung basierender Integrationspolitik gilt als eine weitere zentrale Ursache für zunehmende Unzufriedenheit mit und Kritik an der EU, deren Wahrnehmung schon Jacques Delors dazu motiviert hat, für eine Stärkung der „sozialen Dimension“ der EU zu werben. Arnaud Lechevalier und Jan Wielgohs liefern einen Überblick über die Entwicklungsphasen der Sozialpolitik der EU und thematisieren eine Reihe von Faktoren, die der Verwirklichung der Kernideen des „Europäischen Sozialmodells“ auf absehbare Zeit im Wege stehen werden.

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Editorial (S. 2)

SCHWERPUNKT: Europäische Integration und EU-Kritik

Timm Beichelt: EU-Skepsis als Aneignung europäischer Politik (S. 3-16)

Jürgen Neyer: Das Recht auf Rechtfertigung und die Legitimität von Supranationalität (S. 17-28)

Arnaud Lechevalier, Jan Wielgohs: EU-Sozialpolitik und die Debatte um das Europäische Sozialmodell (S. 29-44)

Gert-Rüdiger Wegmarshaus: EU-Integration: Demokratische Legitimation durch Deliberation und Partizipation? (S. 45-59)

AKTUELL: Ungarn nach den Wahlen

Mihai Varga, Annette Freyberg-Inan: Ungarn 2010 (S. 60-66)

Máté Szabó: Ungarn hat gewählt – aber wie? (S. 67-72)

NEBENSCHWERPUNKT: Integration von Minderheiten

Scott Stock Gissendanner: Integration 2.0 (S. 73-81)

Mathias Lindenau: Öffnet die Schweizerische Volkspartei die Büchse der Pandora? (S. 82-89)

Michael Bloch: Das Schweizer Minarett-Verbot (S. 90-93)

Michael Dellwing: Frenemies und das „wahre Selbst“. Eine Soziologie echter Identitäten und feindlicher Freunde (S. 94-104)

Markus Linden: Kein Ende der Demokratie. Eine Einordnung und Kritik der Erosionsthese Michael Th. Grevens (S. 105-115)

Johannes Peisker: Zwischen den Fronten humanitärer Interventionen (S. 116-122)

Stephan Beetz: Ist das Land anders? Neue räumliche Ordnungen und ihre gesellschaftlichen Diskurse (S. 123-135)

Matthias Finster, Uwe Krähnke: Wie elitär war das Ministerium für Staatssicherheit? (S. 136-146)

BESPRECHUNGEN UND REZENSIONEN

Raj Kollmorgen: Transformation für alle(s)? Zu Rolf Reißigs Entwurf eines neuen sozialen Wandlungskonzepts für das 21. Jahrhundert (S. 147-155)

Harald Simons: Transfers und Wirtschaftswachstum. Rezensiert von Ulrich Busch (S. 156-157)

Edelbert Richter: Die Linke im Epochenumbruch. Besprochen von Rolf Reißig (S. 158-159)

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