Deutschland Archiv 44 (2011), 3

Titel der Ausgabe 
Deutschland Archiv 44 (2011), 3
Weiterer Titel 

Erschienen
Bielefeld 2011: W. Bertelsmann Verlag
Erscheint 
4x im Jahr
ISBN
0012-1428
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
14,90

 

Kontakt

Institution
Deutschland Archiv: Zeitschrift für das vereinigte Deutschland
Land
Deutschland
c/o
]init[ Redaktion Köpenicker Straße 9 10997 Berlin
Von
Ohse, Dr. Marc-Dietrich

EDITORIAL

»Nichts war uns zu groß, als dass wir es nicht angepackt, nichts war uns zu klein, als dass wir uns nicht darum bemüht hätten.« – So zitierte vor einem Jahr Bundespräsident Christian Wulff in seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley. In der Tat ist es erstaunlich, was in den letzten 21/22 Jahren an Veränderungen in Deutschland stattgefunden hat, wie viele Menschen bereit waren und sind anzupacken. Eine unglaubliche Bereitschaft zur Veränderung hat der Bundespräsident vor allem den Ostdeutschen attestiert, doch sei das »bis heute nicht ausreichend gewürdigt worden«.

So richtig dies ist, so sehr stimmt aber auch, dass diese Bereitschaft auf äußerst großen Hoffnungen und Erwartungen basierte. Hoffnungen und Erwartungen, die in vielen Teilen erfüllt wurden, in vielen Fällen aber auch enttäuscht wurden. Die Zumutungen, als die viele Menschen – nicht nur in Ostdeutschland – den Wandel im Zuge des deutschen Einigungsprozesses erfahren haben, nähren die Unzufriedenheit mit dem demokratischen System unseres Landes. Die drückt sich aus in einer niedrigen Wahlbeteiligung, wie sie bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen war. Der Wert des demokratisch-parlamentarischen Systems scheint offensichtlich vielen nicht groß genug zu sein, als dass es sich lohnen würde, dabei mit anzupacken. Das hat in Mecklenburg-Vorpommern der NPD den erneuten Einzug in den Landtag ermöglicht. Ist dies schon bedauerlich, so ist es noch erschreckender, dass die Jungwähler in Mecklenburg-Vorpommern nur der SPD häufiger ihre Stimme gegeben haben als der NPD. Demokratie wird von vielen Jugendlichen also offenbar nicht mehr als lebenswert erfahren.

Das ist eine bestürzende Bestandsaufnahme 21 Jahre nach der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands und 22 Jahre, nachdem die Ostdeutschen das SED-Regime stürzten. Freiheit ist eine ambivalente Sache – und dies dürfte zu den Gründen gehören, warum die Erinnerung an die Diktatur so stark verblasst zu sein scheint. Daran hat auch der 50. Jahrestag des Mauerbaus nichts ändern können, auch wenn in seinem Umfeld die Grenzen des Lebens in und mit einer Diktatur überaus deutlich nachgezeichnet worden sind. Auf diesen Jahrestag nehmen auch noch einmal verschiedene Beiträge in der vorliegenden Ausgabe des Deutschland Archivs Bezug, während die meisten Aufsätze sich dem diktatorischen Alltag in der DDR und der Aufarbeitung widmen.

Einen Schwerpunkt bildet dabei der Wissenschaftsbetrieb, der in unterschiedlichen Facetten beleuchtet wird. Zudem wird am Beispiel der Max-Planck-Gesellschaft, die in diesem Jahr auf 65 Jahre ihres Bestehens blicken kann, deutlich, wie unterschiedlich sich die Wissenschaftskulturen im Osten und im Westen Deutschlands entwickeln konnten. Dass der Umgang mit diesen Entwicklungen bis heute nicht leicht fällt, verdeutlicht die Darstellung dessen, wie ostdeutsche Hochschulen mit ihrer Zeitgeschichte umgehen.

Ein wichtiges Instrument der Zeitgeschichtsforschung ist der Diktaturenvergleich. In diesem Heft wird nach seiner Bedeutung für die politische Kultur der »Berliner Republik« gefragt. In demselben Kontext wird auch das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal verortet. An den Diskussionen um seine Errichtung und um seine Gestaltung lässt sich der Wandel der politischen Kultur in Deutschland während der letzten beiden Jahrzehnte gut ablesen. Der Beschluss, das Denkmal für Freiheit und Einheit in Berlin zu bauen, markiert jedoch sicherlich nicht das Ende dieses Wandlungsprozesses. Fraglich bleibt allerdings nicht nur, ob ein Denkmal tatsächlich der politischen Kultur unserer Zeit entspricht, sondern vor allem, ob ein Denkmal die Veränderungen, die Deutschland seit 1989/90 erfahren hat, überhaupt adäquat darzustellen bzw. zu reflektieren vermag.

Inhaltsverzeichnis

ZEITGESCHICHTE/ZEITGESCHEHEN

Udo Ludwig: 21 und ein bisschen realistischer? S. 325–330

Armin Pfahl-Traughber: Antisemitismus und Israelfeindlichkeit in der Partei »Die Linke«. Eine kritische Prüfung einschlägiger Vorwürfe S. 331–337

Daniel Hechler/Peer Pasternack: Zwischen Selbsterforschung und Imagepflege. Die ostdeutschen Hochschulen und die Aufarbeitung ihrer Zeitgeschichte S. 338–346

Christoph Lorke: »Bindekräfte« des Systems? Zum Verhalten von DDR-Hochschullehrern in den 1960er-Jahren. Das Beispiel der Medizinischen Akademie Magdeburg S. 347–354

Richard E. Schneider: Ein (Wieder-)Aufbau unter ungewissen Vorzeichen. Die Gründungsgeschichte der Max-Planck-Gesellschaft S. 355–361

Juliane Schütterle: Gesundheit im Dienste der Produktion? Das betriebliche Gesundheitswesen und der Arbeitsschutz im Uranbergbau der DDR S. 362–368

Karin Thomas: Aufstand der Bilder S. 369–379

DOKUMENTATION

Detlef Kühn: Häftlingsfreikauf S. 381-382

Operative Information der Hauptabteilung V/5 S. 383

FORUM

»Die Geschichte der DDR ist gesamtdeutsch geworden.«. Ein Interview mit György Dalos über die Umwälzungen in Ostmitteleuropa, über Michail Gorbatschow und über den Umgang mit der Vergangenheit (Martin Jehle) S. 385–390

Robert Meyer/Lutz Haarmann: Das Freiheits- und Einheitsdenkmal – die geschichtspolitische Verortung in der Ideengeschichte der Bundesrepublik S. 391–402

Manuel Becker: Die Bedeutung des deutschen Diktaturenvergleichs für die politische Kultur der »Berliner Republik« S. 403–410

Vera Kreuter: Lebenswelten 2025 S. 411–418

Thomas Sirges: Mauerbau und Mauerfall in deutschen Geschichtsbüchern S. 419–431

REZENSIONEN

Manuela Glaab, Werner Weidenfeld, Michael Weigl (Hg.): Deutsche Kontraste 1990 – 2010; Peter Krause, Ilona Ostner (Hg.): Leben in Ost- und Westdeutschland; Robert Grünbaum: Deutsche Einheit; Andreas H. Apelt, Robert Grünbaum, Martin Gutzeit (Hg.): Der Weg zur Deutschen Einheit; Tilman Mayer (Hg.): 20 Jahre Deutsche Einheit; Claus Christian Malzahn: Deutschland 2.0 (Andreas Fraude) S. 433–437

Heike Tuchscheerer: 20 Jahre vereinigtes Deutschland; Kurt Bohr, Arno Krause (Hg.): 20 Jahre Deutsche Einheit; Andreas Kost, Werner Rellecke, Reinhold Weber (Hg.): Parteien in den deutschen Ländern; Steffen Kachel: Ein rot-roter Sonderweg? (Gero Neugebauer) S. 438–445

Hansdieter Krüger: Die Heilstätte; Hans Christange, Klaus Stenzel: Ost-West-Denkstrukturen; Fritz Liedemit, Hans Wachholz, Bärbel Liedemit, Helga Wachholz: Einmal ist genug; Heinz-Peter Preusser, Helmut Schmitz, Dominik Orth (Hg.): Autobiografie und historische Krisenerfahrung; Elmar Brähler, Irina Mohr (Hg.): 20 Jahre deutsche Einheit; Agnès Arp, Annette Leo (Hg.): Mein Land verschwand so schnell; Sebastian Pflugbeil (Hg.): Aufrecht im Gegenwind; Hannes Hofmann: Diestel (Frank Hoffmann) S. 446–452

Rudi Beckert: Glücklicher Sklave; Peter Schnetz: Der Prozess um des Urteils Schatten; Lena Gürtler: Vergangenheit im Spiegel der Justiz; Sybille Plogstedt: Knastmauke; Kornelia Beer, Gregor Weißflog: Weiterleben nach politischer Haft in der DDR; André Gursky: Rechtspositivismus und konspirative Justiz als politische Strafjustiz in der DDR (Thomas Widera) S. 453–458

Daniela Münkel (Hg.): Die DDR im Blick der Stasi 1961; Daniela Münkel, Jens Gieseke (Hg.): Die DDR im Blick der Stasi 1988; Roger Engelmann, Bernd Florath, Helge Heidemeyer, Daniela Münkel, Arno Polzin, Walter Süß (Hg.): Das MfS-Lexikon; Wilhelm Mensing: SED-Hilfe für Westgenossen; Michael Ludwig Müller: Die DDR war immer dabei (Peter Jochen Winters) S. 459–464

Stefan Karner, Barbara Stelzl-Marx, Natalja Tomilina, Alexander Tschubarjan, Günter Bischof, Viktor Iscenko, Michail Prozumenscikov, Peter Ruggenthaler, Gerhard Wettig, Manfred Wilke (Hg.): Der Wiener Gipfel 1961; Manfred Wilke: Der Weg zur Mauer; Gerhard Wettig: Sowjetische Deutschland-Politik 1953 bis 1958; Gerhard Wettig (Hg.): Chruschtschows Westpolitik 1955 bis 1964 (Rolf Steininger) S. 465–468

Maria Nooke, Lydia Dollmann (Hg.): Fluchtziel Freiheit; Gerhard Sälter, Tina Schaller, Anna Kaminsky (Hg.): Weltende; Clemens Niedenthal: Nahaufnahme; Jochen Maurer: Dienst an der Mauer; Jens Schöne: Ende einer Utopie; Klaus-Dietmar Henke (Hg.): Die Mauer (Peter Joachim Lapp) S. 469–473

Karen Meyer-Rebentisch: Grenzerfahrungen; Hendrik Thoß (Hg.): Europas Eiserner Vorhang; Guntram König (Hg.), Bernd Biedermann: Frontstadt Berlin; Frank Roggenbuch: Das Berliner Grenzgängerproblem; Klaus Otto Nass: Die Vermessung des Eisernen Vorhangs; Patrick Major: Behind the Berlin Wall (Sarah Bornhorst/Gerhard Sälter) S. 474–475

DIE AUTORINNEN UND AUTOREN DIESES HEFTES S. 479

IMPRESSUM S. 480

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