Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 62 (2011), 11-12

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Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 62 (2011), 11-12
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Internetressourcen zur Geschichte

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Institution
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Michael Sauer Universität Göttingen Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte Didaktik der Geschichte Waldweg 26 37073 Göttingen Tel. 0551/39-13388 Fax 0551/39-13385
Von
Sauer, Michael

Editorial von Winfried Schulze

Als Mitte der 80er Jahre die ersten Personal Computer im Alltag der Universitäten auftauchten, wurden diese Maschinen eher belächelt und bestenfalls als Hilfsmittel für bestimmte quantitative Forschungsvorhaben akzeptiert. Nur wenige haben damals den kommenden Siegeszug der digitalen Technologien in ihrer ganzen Tragweite erkannt und das voraussehen können, was heute zum weltweit akzeptierten Begriff der „digital humanities“ oder der „e-humanities“ geführt hat. Schon 2004 erschien mit dem „Companion to Digital Humanities“ ein erstes Handbuch dieser neuen Forschungsrichtung, die heute aus dem modernen Wissenschaftsbetrieb nicht mehr wegzudenken ist: Von der Quellensuche und der Literaturrecherche bis zur Niederschrift von wissenschaftlichen Texten, von der Personenrecherche bis zur digitalen Textanalyse – kein Bereich der historischen Forschung kann auf die Vorteile verzichten, die die Digitalisierung bietet. „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht“ hat die Veränderung der Forschungsmethoden in unserem Fach immer wieder mit kritisch-informierenden Beiträgen begleitet und hält mit diesem Themenheft an dieser Politik fest, sie wird in naher Zukunft durch kritische Beiträge zu Wikipedia noch vertieft werden.

Schon früh haben Historiker in München und Berlin erkannt, dass spezifische Fachportale am besten geeignet waren, die besonderen Interessen von Studierenden und Wissenschaftlern eines bestimmten Fachgebiets zu bedienen. Sie konzentrierten sich auf das Angebot spezifischer historischer und vor allem fachlich geprüfter Informationen und entwickelten vor allem neue online-Rezensionsdienste und Informationsangebote, die sehr schnell an Zuspruch gewannen, weil sie den Prozess der Wissenschaftskommunikation beschleunigten und vereinfachten. Historicum.net und H-Soz-u-Kult haben hier Pionierarbeit geleistet, zu Recht eröffnen Beiträge über beide Portale und die hohen Erwartungen der Studierenden und anderer Nutzer an diese und vergleichbare Portale dieses Heft. Das neue Portal recensio.net ist ein bemerkenswerter Versuch, auch die Rezensionsaktivitäten wissenschaftlicher Zeitschriften gebündelt online bereit zu stellen und sie zugleich mit den Titelaufnahmen einer großen Bibliothek zu verknüpfen. Unverzichtbar ist in diesem Kontext der Hinweis auf die Unterstützung, die beide Portale durch die großen Staatsbibliotheken in München und Berlin erfahren haben, die beide damit ihr Dienstleistungsangebot klug erweiterten.

Dass für Historiker Bibliografien unverzichtbar sind, ist jedem Studierenden seit dem ersten Proseminarkontakt mit dem Dahlmann-Waitz geradezu selbstverständlich. Gerade hier zeigt sich deutlich, wie die digitalen Bibliografien in relativ kurzer Zeit den klassischen gedruckten Bibliografien den Rang abgelaufen haben und man sich ernsthaft fragen muss, ob fortlaufende gedruckte Bibliografien noch Sinn machen. Ein ähnlicher Wandel vollzieht sich unter dem Druck von Wikipedia im Bereich der biographischen Informationen, wo jetzt durch den Einsatz von Personennormdateien (PND) enorm hilfreiche Verknüpfungsleistungen erbracht werden, die den Umgang mit großen Mengen von historischen Personen erleichtern.

Insgesamt – so lässt sich feststellen – haben sich im Bereich der Datenbereitstellung und -verfügbarkeit erhebliche Veränderungen durchgesetzt, die den Forschungsprozess ohne Zweifel erheblich erleichtern, gerade wenn man an die online-Verfügbarkeit moderner Forschungsliteratur in Buch- und Zeitschriftformaten denkt. Noch weniger diskutiert – und auch dieses Heft lässt hier noch eine Lücke – ist die Frage, wie sich die Allverfügbarkeit großer Datenmengen und die Globalisierung des Forschungsprozesses diesen selbst beeinflusst.

Dass die Digitalisierung der Verwaltung auf allen Ebenen neue Überlieferungsprobleme bereitet, macht der Beitrag von Rainer Hering schon hinreichend deutlich. Die notwendige Diskussion über eine neue „e-history“ anzustoßen ist auch ein Nebenzweck dieses Heftes, die dann zu gegebener Zeit in dieser Zeitschrift geführt werden sollte.

Inhaltsverzeichnis

INHALT DER GWU 11-12/2011

ABSTRACTS (S. 642)

EDITORIAL (S. 644)

BEITRÄGE

Klaus Gantert
H-Soz-u-Kult – Informationsdienst für die Geschichtswissenschaften (S. 645)

Peter Helmberger
historicum.net (S. 651)

Christine Schmitt/Nicola Kowski
Zwischen Handbuch und „Facebook“ – was erwarten Studierende von einem geschichtlichen Fachportal? Online-Umfrage zu historicum.net – Geschichtswissenschaften im Internet (S. 655)

Lilian Landes
Die Schriften der Anderen – Rezensionskultur im Umbruch. recensio.net: Rezensionsplattform für die europäische Geschichtswissenschaft (S. 669)

Stefan Wiederkehr
Bibliografie für die Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter (S. 672)

Thomas Busch/Stefan Jordan
Der Einsatz von Normdatenbanken zur Verlinkung biographischer und bibliographischer Angebote im Internet (S. 684)

Christoph Hamann
Bilddatenbanken. Das Foto als historische Quelle in Online-Bildarchiven (S. 692)

Carsten Mish
Historiker(in) trifft Internet. Ein Erfahrungsbericht aus der universitären Lehrpraxis (S. 699)

Rainer Hering
Digitale Quellen und historische Forschung (S. 705)

Uta Hartwig
Internetangebote für Geschichtslehrkräfte (S. 713)

DISKUSSION

Neil Gregor
„Das Amt“ und die Leitnarrative moderner deutscher Geschichte. Überlegungen zu einem Buch und dessen Rezeption (S. 719)

INFORMATIONEN NEUE MEDIEN

Gregor Horstkemper/Alessandra Sorbello Staub
Medien im Internet (S. 732)

LITERATURBERICHT

Axel Schildt
Deutschland seit 1945, Teil II (S. 735)

NACHRICHTEN (S. 760)

AUTORINNEN UND AUTOREN (S. 764)

REGISTER DES JAHRGANGS 2011 (S. 765)

ABSTRACTS DER GWU 11-12/2011

Klaus Gantert
H-Soz-u-Kult – Informationsdienst für die Geschichtswissenschaften
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 645–650

Der Beitrag gibt einen Überblick über den geschichtswissenschaftlichen Informationsdienst H-Soz-u-Kult. Vorgestellt werden nicht nur die Inhalte, sondern auch die wichtigsten Zugangswege zum Informationsangebot (neben den Angeboten auf der Website auch die moderierte Mailingliste). Der Informationsdienst wird darüber hinaus auch in seinem organisatorischen Umfeld präsentiert – der internationalen H-Net-Gruppe und dem deutschen Fachportal Clio-Online –, in deren technische Struktur und inhaltliche Angebote ebenfalls eingeführt wird.

Peter Helmberger
historicum.net
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 651–654

Die Internetplattform historicum.net ist vor 10 Jahren aus dem Server Frühe Neuzeit (einem Kooperationsprojekt des Historischen Seminars der LMU München und der Bayerischen Staatsbibliothek) entstanden. Im Gegensatz zu ihrem Vorläufer hat sie eine umfassende, epochenübergreifende Ausrichtung. Besaß das Portal in den Anfangsjahren einen starken Mischcharakter aus Virtueller Fachbibliothek und eigenen inhaltlichen Angeboten, gilt seit der Übernahme der technischen und inhaltlichen Betreuung durch die BSB 2007 das Augenmerk verstärkt den bibliothekarischen Aktivitäten. In diesem Bereich ist den letzten Jahren ein überaus nützliches Rechercheinstrumentarium aufgebaut worden. Durch die inhaltliche Neu-Ausrichtung, die Entwicklung einer zeitgemäßen technischen Basis und die enge institutionelle Zusammenarbeit mit einer etablierten Forschungseinrichtung ist es historicum.net gelungen, den eigenen Fortbestand zu sichern. Das Angebot zählt – mit bemerkenswert hohen Zugriffszahlen – zum Kreis der etablierten deutschsprachigen Online-Plattformen zur Geschichtswissenschaft.

Christine Schmitt/Nicola Kowski
Zwischen Handbuch und „Facebook“ – was erwarten Studierende von einem geschichtlichen Fachportal?
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 655–668

Der Beitrag stellt die Ergebnisse einer Online-Erstumfrage zu historicum.net vor, die im Wintersemester 2010/11 am Historischen Institut der Universität zu Köln durchgeführt wurde. Anhand der Umfrageergebnisse werden Bedarf und Erwartungen der Studierenden an Angebot und Funktion eines Internetportals der Geschichtswissenschaften erörtert. Auf Grundlage der erhobenen Befunde werden Potenziale und Perspektiven für eine nutzerorientierte Weiterentwicklung des Fachportals für Studierende und Lehrende aufgezeigt.

Lilian Landes
Die Schriften der Anderen – Rezensionskultur im Umbruch
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 669–671

„Lebendige“ Bewertungsverfahren, wie sie sich im kommerziellen Buchhandel bereits etabliert haben, kommen im wissenschaftlichen Bereich bislang nicht zur Anwendung. Mit recensio.net – Rezensionsplattform für die europäische Geschichtswissenschaft wird ein Pilotprojekt vorgestellt, das Historikern hierfür seit Januar 2011 ein Instrumentarium an die Hand gibt und zugleich die Zusammenführung klassischer Rezensionen zahlreicher etablierter Fachzeitschriften leistet.

Stefan Wiederkehr
Bibliografien für die Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 672–683

Fachbibliografien bilden auch im digitalen Zeitalter den zentralen Einstiegspunkt in die systematische, auf Vollständigkeit angelegte Recherche zu einem Thema. Denn sie verzeichnen die selbstständige und unselbstständige Literatur zu einem bestimmten Thema ohne Rücksicht auf die lokale Verfügbarkeit vollständig und erschließen sie mit einer für den Berichtsgegenstand spezifischen Fachsystematik sachlich. Der Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten digital vorliegenden Fachbibliografien mit einem Schwerpunkt auf Deutschland und auf Open-Access-Angeboten.

Thomas Busch/Stefan Jordan
Vernetzte Lebensläufe. Der Einsatz von Normdatenbanken zur Verlinkung biographischer und bibliographischer Angebote im Internet
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 684–691

Seit 1995 wurden in die Normdatenbank PND insgesamt rund 3,6 Millionen Datensätze eingebracht, von denen sich etwa die Hälfte auf eindeutig zu bestimmende Personen bezieht. Zunächst als bibliothekarisches Projekt zu Katalogisierungszwecken eingesetzt, hat sich die PND auch zu einem Werkzeug entwickelt, mit dem digitale biographische Angebote im Internet wechselseitig miteinander verlinkt oder mit anderen Ressourcen (Archivalien, Bibliographien, Editionen etc.) verknüpft werden können. Probleme von homonymen oder synonymen Namensvarianten, die früher die biographische und bibliographische Recherche zu einzelnen Persönlichkeiten erschwerten, können mithilfe der PND gelöst werden.

Christoph Hamann
Bilddatenbanken
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 692–698

Ausgewählte Bilddatenbanken werden in einem ersten Schritt in Hinsicht auf ihre Funktionalität für den Nutzer untersucht. Das Angebot eines Anbieters wird in Bezug auf die empirische Triftigkeit der historischen Kontextualisierung durch die Bildlegenden analysiert. Dieses Kriterium wird ebenso der vergleichenden Analyse und Bewertung eines einzelnen Bildmotivs angelegt, das in verschiedenen Bildarchiven vorliegt. Diese Stichproben nach dem Zufallsprinzip offenbaren deutliche Schwächen der Datenbanken in der historischen Zuordnung ihrer eigenen Aufnahmen.

Carsten Mish
Historiker(in) trifft Internet
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 699–704

Wirft man einen Blick in die Fachliteratur zum Thema Internet und Geschichtswissenschaft, so fehlt es dort nicht an Hinweisen, welche Webseiten als besonders empfehlenswert gelten. Was allerdings deutlich seltener beleuchtet wird ist die nicht minder entscheidende Frage, wie Studierende in die effektive Nutzung des breiten Angebots eingeführt werden können. Hiermit beschäftigt sich der vorliegende Beitrag, welcher auf den praktischen Lehrerfahrungen eines Internet-Kurses für Historiker(innen) fußt und davon ausgehend Anregungen für die Planung ähnlich ausgerichteter Lehrveranstaltungen gibt.

Rainer Hering
Digitale Quellen und historische Forschung
GWU 62, 2011, H. 11/12, S. 705–712

Der Beitrag schildert die Informationsüberlieferung im digitalen Zeitalter, die gravierende Auswirkungen auf die Archive, aber auch auf die historische Forschung hat. Grundsätzlich muss der Blick der Forschenden stärker auf das gelenkt werden, was nicht überliefert ist, weil es für die Interpretation der vorhandenen Überlieferung erforderlich ist. Der Beitrag plädiert dafür, die archivalische Quellenkunde für das 20. und das 21. Jahrhundert in enger Kooperation von Historischen Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft weiter zu entwickeln.

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