Deutschland Archiv 45 (2012), 2

Titel der Ausgabe 
Deutschland Archiv 45 (2012), 2
Weiterer Titel 

Erschienen
Bielefeld 2012: W. Bertelsmann Verlag
Erscheint 
4x im Jahr
ISBN
978-3-7639-5070-6
Anzahl Seiten
192 S.
Preis
14,90 €

 

Kontakt

Institution
Deutschland Archiv: Zeitschrift für das vereinigte Deutschland
Land
Deutschland
c/o
]init[ Redaktion Köpenicker Straße 9 10997 Berlin
Von
Ohse, Marc-Dietrich

EDITORIAL

»Das von (Joachim) Gauck gewählte Thema der Freiheit in Verantwortung für die Allgemeinheit bietet Antworten auf viele Herausforderungen unserer Zeit. Er kann damit in Zeiten fortschreitender Globalisierung Orientierung auch für den Sport geben.« Dies erklärte Deutschlands oberster Sportfunktionär, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Thomas Bach, nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten. Bach hatte dabei unter anderem die bevorstehenden Olympischen Sommerspiele in London im Blick, bei denen »unsere Olympiamannschaft« unter dem Motto »Wir für Deutschland« antreten werde. Das erinnert ein wenig an vergangene Zeiten, als der Kalte Krieg auch auf der Aschenbahn ausgetragen wurde und als Sportler aus der DDR als »Botschafter im Trainingsanzug« die Überlegenheit des sozialistischen System zu präsentieren hatten.

Nun sind Deutschlands Sportfunktionäre gegenwärtig – anders als die Olympiaorganisatoren vor vier Jahren in Peking – sicherlich weit entfernt davon, die Spiele ideologisch aufzuladen. Doch erlaubt Bachs Statement zu Gaucks zentralem Thema die Frage, welche Freiheiten Verbandsfunktionäre, Sportlerinnen und Sportler sich nehmen (dürfen), um bei Olympia und bei anderen Wettkämpfen mit Bestleistungen »für Deutschland« zu bestehen.

Damit ist auch die Frage nach Doping aufgeworfen, das bislang vor allem mit dem Profisport, voran dem Radsport, und dem »Staatsplanthema 14.25« in Verbindung gebracht wird, mit dem die DDR flächendeckend »unterstützende Mittel« zur Leistungssteigerung im Sport erprobte und einsetzte. Allerdings widerstand der Sport auch in der alten Bundesrepublik nicht in Gänze der Versuchung, unlautere Mittel im Training und im Wettkampf einzusetzen. Erste Ergebnisse eines Forschungsprojektes hierzu sind Ende letzten Jahres bekannt geworden, und das Deutschland Archiv präsentiert weitere Erkenntnisse aus den Forschungsarbeiten dazu.

Einmal mehr wird an diesem Thema deutlich, wie sehr die beiden deutschen Staaten wechselseitig aufeinander bezogen waren. Dies unterstreicht, wie bedeutsam auch die Erforschung der Sportgeschichte ist. Und zwar nicht nur der Geschichte des Spitzensportes, sondern ebenso der gesellschaftlichen Verankerung des Sports und des politischen Umfeldes, in dem Funktionäre und Sportler agieren. Mit verschiedenen Beiträgen hierzu versucht das Deutschland Archiv in der vorliegenden Ausgabe eine Lanze für die Sportgeschichte gerade auch als Gesellschaftsgeschichte zu brechen.

Der Systemwettstreit durchzog auch weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens im geteilten Deutschland. Ganz handfest war er dort spürbar, wo er die materiellen Grundlagen der beiden deutschen Staaten berührte: in der Wirtschafts- und der Konsumpolitik. Ebenso deutlich, wenngleich in ganz anderer Weise widerspiegelte sich die Auseinandersetzung zwischen den Systemen in der politisch-ideologischen Beschäftigung miteinander und damit auch in der politischen Publizistik und in der politischen Bildung. Das 60-jährige Gründungsjubiläum der Bundeszentrale für politische Bildung in diesem Jahr ist Anlass genug, sich diesem Thema in besonderer Weise zu widmen und danach zu fragen, ob und in welcher Weise dabei Stereotype gepflegt, in Frage gestellt oder gar aufgebrochen worden sind.

Wie Stereotype noch zwei Jahrzehnte nach der Überwindung der Teilung (nach-)wirken – ist schließlich ebenfalls Gegenstand von Beiträgen im vorliegenden Heft. Das Deutschland Archiv weitet damit zugleich den Blick über Deutschland hinaus auf unsere europäischen Nachbarn – ein Anliegen, dem sich auch die Bundeszentrale für politische Bildung verpflichtet weiß. Zu ihrem runden Geburtstag gratuliert das DA auf das Herzlichste.

Inhaltsverzeichnis

ZEITGESCHICHTE/ZEITGESCHEHEN

Herbert Fischer-Solms: Sportnation Bundesrepublik Deutschland? Manfred Ewald lässt grüßen, S. 197–208

Henk Erik Meier/Marcel Reinold/Anica Rose: Dopingskandale in der alten Bundesrepublik. Öffentlicher Diskurs und sportpolitische Reaktionen, S. 209–239

Christoph Lorke: »Ungehindert abreagieren«. Hooliganismus in der späten DDR im Spannungsfeld von Anstandsnormen, Sozialdisziplinierung und gesellschaftlichen Randlagen, S. 240–249

Claudia Simone Dorchain: Jüdischer Humor in Deutschland, S. 250–255

Alexander Muschik: Die SED und die Juden 1985 – 1990. Eine außenpolitische Charmeoffensive zur Rettung der DDR, S. 256–264

Fabian Riedel: »Braun« und »Rot« – Akteur in zwei deutschen Welten. Der Jurist Dr. Walter Neye (1901 – 1989). Eine Fallstudie, S. 265–276

Rüdiger Thomas: Antikommunismus zwischen Wissenschaft und politischer Bildung. Bundeszentrale für Heimatdienst und Ostkolleg, S. 277–293

Peter E. Fäßler: Zwischen »Störfreimachung« und Rückkehr zum Tagesgeschäft. Die deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen nach dem Mauerbau (1961 – 1969), S. 294–304

Andreas Malycha: Der »Konsumsozialismus« der Honecker-Ära und der Eklat um die Erhöhung der Verbraucherpreise im Herbst 1979, S. 305–318

Andreas Kötzing: Keine einfachen Wahrheiten. Die Leipziger Dokumentarfilmwoche und der Fall IM »Walter«, S. 319–325

Fred Gehler: Ein spekulatives Konstrukt. Replik zu Andreas Kötzing, »Keine einfachen Wahrheiten«, S. 325

FORUM

Stefan Troebst: »Osten sind immer die Anderen!« Mitteleuropa als exklusionistisches Konzept, S. 326–331

Andreas Jüngling/Robert Scholz: Raum und Vorurteil. Halle (Saale) und Leipzig aus »westdeutscher« Sicht, S. 332–342

Christian Becker: Marginalisierung der Sportgeschichte? Eine Disziplin zwischen Entakademisierung und wachsender öffentlicher Wertschätzung, S. 343–350

REZENSIONEN

Joachim Scharloth: 1968. Eine Kommunikationsgeschichte; Sandra Kraft: Vom Hörsaal auf die Anklagebank; Daniel Fulda, Dagmar Herzog, Stefan-Ludwig Hoffmann, Till van Rahden (Hg.): Demokratie im Schatten der Gewalt; Eva Silies: Liebe, Lust und Last; Sven Reichardt, Detlef Siegfried (Hg.): Das alternative Milieu; Cordia Baumann, Sebastian Gehrig, Nicolas Büchse (Hg.): Linksalternatives Milieu und Neue Soziale Bewegungen in den 1970er Jahren (Rebecca Menzel), S. 351–357

Hans Günter Hockerts: Der deutsche Sozialstaat; Thomas Reichel: »Sozialistisch arbeiten, lernen und leben«; Dirk Moldt: Nein, das mache ich nicht!; Hanna Haag: Erinnerungen ostdeutscher arbeitsloser Frauen an die DDR-Vergangenheit; Peter Rütters, Siegfried Mielke (Hg.): Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund 1945 – 1949/50; Jens Hildebrandt: Gewerkschaften im geteilten Deutschland; Manfred Scharrer: Der Aufbau einer freien Gewerkschaft in der DDR 1989/90 (Werner Müller), S. 357–364

Eva Hahn, Hans Henning Hahn: Die Vertreibung im deutschen Erinnern; Wolfgang Fischer: Heimat-Politiker?; Henning Burk, Erika Fehse, Marita Krauss, Susanne Spröer, Gudrun Wolter: Fremde Heimat; Elena Agazzi, Erhard Schütz (Hg.): Heimkehr; Karlheinz Lau: Deutschlands historischer Osten; Philipp Ther: Die dunkle Seite der Nationalstaaten; Ray M. Douglas: »Ordnungsgemäße Überführung« (Felicitas Söhner), S. 364–373

Hans-Henning Hahn, Robert Traba (Hg.): Deutsch-polnische Erinnerungsorte, Bd. 3; Anna Zofia Musioł: Erinnern und Vergessen; Stefan Troebst, Johanna Wolf (Hg.): Erinnern an den Zweiten Weltkrieg; Gerhard Besier, Katarzyna Stokłosa (Hg.): Geschichtsbilder in den postdiktatorischen Ländern Europas; Zsuzsa Breier, Adolf Muschg (Hg.): Freiheit, ach Freiheit … (Wolfgang Schlott), S. 373–379

Hanns Leske: Fußball in der DDR; Kai Reinhart: »Wir wollten einfach unser Ding machen«; Ferdinand Kösters: Verschenkter Lorbeer; Mike Dennis, Jonathan Grix: Sport under Communism; Rene Wiese, Jutta Braun: Ästhetik und Politik (Daniel Küchenmeister), S. 380–382

Die Autorinnen und Autoren dieses Heftes, S. 383

Impressum, S. 384

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