Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 65 (2014), 7–8

Titel der Ausgabe 
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 65 (2014), 7–8
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Geschichte inszeniert

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Institution
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Michael Sauer Universität Göttingen Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte Didaktik der Geschichte Waldweg 26 37073 Göttingen Tel. 0551/39-13388 Fax 0551/39-13385
Von
Sauer, Michael

Editorial von Michael Sauer

Geschichte begegnet uns im Alltag in Form unterschiedlichster Inszenierungen: von Gedenkfeiern über diverse Medienformate bis hin zu Ausstellungen oder Living History. Unter den leicht anders schattierten Leitbegriffen „Erinnerungskultur“ und „Geschichtskultur“ haben sich Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik schon seit Längerem die Untersuchung solcher Phänomene auf die Fahnen geschrieben. Grundsätzlich zu unterscheiden gibt es zwei verschiedene Ansätze, nämlich den produkt- und den rezeptionsanalytischen; gewiss kann aber deren Abgrenzung speziell bei einzelnen Formaten und ganz generell im Lichte eines „Performative Turn“ nicht völlig trennscharf gedacht werden. Dennoch wird man im Bereich der Medien tendenziell von einer etwas unterschiedlichen Schwerpunktsetzung der beiden Disziplinen ausgehen können: Die Geschichtswissenschaft befasst sich nahezu ausschließlich mit Medienproduktanalysen; die Geschichtsdidaktik nimmt eher auch medienspezifische Rezeptionsprozesse in den Blick, wobei sie ihr Augenmerk bevorzugt auf Schülerinnen und Schüler als Rezipienten richtet.

„Geschichte in Wissenschaft und Unterricht“ hat dem weiten Feld der inszenierten Geschichte immer wieder Hefte gewidmet. Themen wie Filme und Bilder nehmen dabei besonderen Raum ein. Im vorliegenden Heft wird der Blick aus unterschiedlichen Richtungen auf verschiedenartige Formate geworfen. Annerose Menninger und Christoph Kühberger behandeln bei den Kolumbus-Film „1492: Conquest of Paradise“. Menninger nimmt eine differenzierte Analyse der Filmkonstruktion vor, mit der sie zugleich ein Modell geschichtswissenschaftlicher Filmanalyse exemplarisch vorstellen möchte. Kühberger dagegen stellt eine aufwändige empirische Studie vor, die der Frage nach der Wahrnehmung des Films durch Schülerinnen und Schüler von 7. Klassen gewidmet ist. Im Ergebnis konstatiert der Verfasser, dass etwa ein Drittel der Probandinnen und Probanden den Film gewissermaßen positivistisch als direkte Wiedergabe von historischem Geschehen aufgefasst habe – didaktische Schlussfolgerungen in Richtung auf eine Intensivierung der Unterrichtsarbeit mit Geschichtsdarstellungen liegen nahe. Der Beitrag von Isabel Richter befasst sich mit fotografischen Inszenierungen des „Volkskörpers“. Erna Lendvai-Dircksen gehörte neben Heinrich Hoffmann und Leni Riefenstrahl zu den bekanntesten Fotografen und Fotografinnen in der NS-Zeit; heute ist ihr Name kaum noch geläufig. Der Beitrag untersucht, wie in den Bildern von Lendvai-Dircksen die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie und die „Volksgemeinschaft“ visuell in Szene gesetzt werden.

Gewissermaßen als Nachtrag zu Heft 5/6 berichtet Thomas Schlepper über die Breite der Erinnerungsaktivitäten, die der Landschaftsverband Rheinland anlässlich der hundertsten Wiederkehr des Kriegsbeginns 1914 entfaltet. Eine Vielzahl von Institutionen steuert dazu Ausstellungen und Projekte bei, in denen das Thema Krieg in höchst unterschiedlicher Weise inszeniert wird. Auch Schulbücher sind, fasst man den Begriff weit, Inszenierungen von Geschichte. Schulbuchanalyse ist seit langem ein beliebtes Geschäft (GWU hat sich dem Thema zuletzt in Heft 1/2/2013 gewidmet), nicht zuletzt auch in studentischen Arbeiten. Erstaunlicherweise werden allerdings nicht nur in diesen, sondern auch in manchen veröffentlichten Studien elementare Standards unterlaufen. Der „Stichworte“-Beitrag von Etienne Schinkel liefert hierzu Basisinformationen, die sich insbesondere auch an ein studentisches Publikum richten. Abgerundet wird das Heft durch den Beitrag von Gregor Horstkemper in der Rubrik „Informationen Neue Medien“, der sich mit den im Internet vorfindbaren Ressourcen an audiovisuellen Medien befasst, die sowohl für Forschungs- wie für Lehrzwecke in Schule und Universität von zunehmendem Interesse sind.

Inhaltsverzeichnis

INHALT DER GWU 7–8/2014

ABSTRACTS (S. 402)

EDITORIAL (S. 404)

BEITRÄGE

Annerose Menninger
Historienfilm und Dekonstruktion. Methodische Überlegungen am Beispiel 1492: Conquest of Paradise (S. 405)

Christoph Kühberger
Empirische Befunde zum Umgang mit Spielfilmen über die Vergangenheit in der Sekundarstufe I (S. 423)

Isabel Richter
Volkskörper. Die Porträtserien der Fotografin Erna Lendvai-Dircksen (S. 439)

Thomas Schleper
Noch nie war Erinnerung so wertvoll wie heute ... "1914" im Rheinland: Große Ensemble aus Expositionen, Exkursionen und Events (S. 452)

DISKUSSION

Helmut Meyer
Von den Lernzielen über die Kompetenzen zu den Lernzielen? Der Fall Lena B. (S. 472)

STICHWORTE ZUR GESCHICHTSDIDAKTIK

Etienne Schinkel
Schulbuchanalyse (S. 482)

INFORMATIONEN NEUE MEDIEN

Gregor Horstkemper
Von Nadeln und Heuhaufen. Erinnerungshorte des audiovisuellen Kulturerbes (S. 498)

LITERATURBERICHT

Raimund Schulz/Uwe Walter
Altertum, Teil VII (S. 501)

NACHRICHTEN (S. 515)

AUTORINNEN UND AUTOREN (S. 519)

ABSTRACTS DER GWU 7–8/2014

Annerose Menninger
Historienfilm und Dekonstruktion. Methodische Überlegungen am Beispiel
1492: Conquest of Paradise
GWU 65, 2014, H. 7/8, S. 405 – 422

Regelmäßig werden Historienfilme über alle Geschichtsepochen produziert, deren Einfluss auf das kollektive Gedächtnis unbestreitbar ist. Systematische Dekonstruktionskonzepte stehen jedoch noch aus. Der Beitrag schlägt ein solches Modell vor, das methodisch geschichts-, film- und musikwissenschaftliche Zugänge kombiniert. Demonstriert wird es anhand der populären Kolumbus-Verfilmung 1492: Conquest of Paradise (1992). Dabei wird deutlich, dass die Frage nach den Filmvorlagen und deren Rezeption zu Schlüsselbefunden führt. Denn sie erlauben Rückschlüsse auf Erzählpraxen, Inszenierungsmuster, Beglaubigungsverfahren, Publikumserwartung und Filmbotschaft. Da das Konzept zur Analyse weiterer Historienfilme anregen soll, um ihr Regelwerk zu erschließen, werden im Ausblick Parallelen zu populären Historienfilmen (1985–2012) erschlossen.

Christoph Kühberger
Empirische Befunde zum Umgang mit Spielfilmen über die Vergangenheit in der Sekundarstufe I
GWU 65, 2014, H. 7/8, S. 423 – 438

Der Beitrag beschäftigt sich mit einem Teilbereich einer empirischen Untersuchung zur Wahrnehmung von filmischen Darstellungen der Vergangenheit bei Schülerinnen und Schülern der Sek. I. Anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse von Schüleressays werden Geschichtsverständnis sowie konzeptionelle Zugänge zum geschichtskulturellen Produkt rekonstruiert. Dabei werden auch die Mediennutzung der Schülerinnen und Schüler sowie die Einschätzung der Lehrpersonen hinsichtlich der Schülerleistungen berücksichtigt. Der Beitrag gibt damit Einblicke in die in der 7. Schulstufe anzutreffende Heterogenität im Umgang mit Spielfilmen über die Vergangenheit.

Isabel Richter
Volkskörper. Die Porträtserien der Fotografin Erna Lendvai-Dircksen
GWU 65, 2014, H. 7/8, S. 439 – 451

Der Beitrag stellt die Fotobildbände der deutschen Fotografin Erna Lendvai-Dircksen vor, die neben der Filmemacherin Leni Riefenstahl und dem als „Leibfotograf“ Hitlers bekannten Heinrich Hoffmann zu den erfolgreichsten und populärsten BildproduzentInnen im Nationalsozialismus gehörte, aber im Unterschied zu Riefenstahl und Hoffmann heute deutlich weniger bekannt ist. Lendvai-Dircksen war eine wesentliche Protagonistin in der visuellen Gestaltung der Blut-und-Boden-Ideologie. In ihren Typisierungen der Landbevölkerung stehen Physiognomien als Inbegriff der „Volksgemeinschaft“ im Zentrum. Ihre Bildbände erschienen in hohen Auflagen: Man kann davon ausgehen, dass sie zur Konstruktion und Verankerung rassistischer Zuschreibungen im Bewusstsein der Menschen beigetragen hat. Denn die Propagierung der Rassenlehre ist auf Veranschaulichung, und das heißt auf Bebilderung, angewiesen.

Thomas Schleper
Noch nie war Erinnerung so wertvoll wie heute … „1914“ im Rheinland: Großes Ensemble aus Expositionen, Exkursionen und Events
GWU 65, 2014, H. 7/8, S. 452 – 471

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) startete im Herbst 2013 sein Verbundprojekt „1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg“. Fach- wie amtsübergreifend konzipiert und mit externen Partnern im Boot ist eine der größten Veranstaltungen zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg unterwegs, die bis zum Sommer 2015 14 Ausstellungen, mehr als 250 Rahmenveranstaltungen und mehrere Exkursionsprogramme sowie zahlreiche Aktionstage umfasst. Der Projektleiter gibt einen Überblick und diskutiert Chancen und Risiken beim Versuch, in unterschiedlichen Formaten ein „Epochenbild“ auch für die politische Bildungsarbeit anzubieten.

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