Verkörperung kommunaler Identität: Eine forensische Analyse von Fingerabdrücken auf den Prägungen des mittelalterlichen Speyerer Stadtsiegels

Verkörperung kommunaler Identität: Eine forensische Analyse von Fingerabdrücken auf den Prägungen des mittelalterlichen Speyerer Stadtsiegels

Projektträger
Justus-Liebig-Universität Gießen und Stadtarchiv Speyer ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Gießen und Speyer
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.02.2015 -
Von
Markus Späth

Das gemeinsame Forschungsprojekt der Universität Gießen (des Dilthey-Fellowships Identitätsstiftung und Repräsentation. Korporative Siegelbilder im Spätmittelalter) und des Stadtarchivs Speyer nutzt erstmals die Möglichkeiten der forensischen Analyse für ein spezifisch geisteswissenschaftliches Problemfeld, das gleichermaßen grundlegende bildwissenschaftliche und stadtgeschichtliche Fragen berührt.

Mittelalterliche Siegel waren zugleich ein zentrales Bild- als auch Rechtsmedium ihrer Zeit. Unter Verwendung eines Stempels (Typar) konnte wiederholt eine Kombination aus Bild und Umschrift in Wachs eingeprägt werden, um Urkunden des oder der betreffenden Siegelführers/führerin zu beglaubigen. Seit langem hat die Forschung diese Bild-/Textkombinationen als Teile eines gesellschaftsumspannenden visuellen Repräsentationssystems gedeutet. Weitgehend unbeachtet blieb dagegen, dass viele Siegel auf ihren Rückseiten deutliche Spuren tiefer Einprägungen eines oder mehrerer Finger aufweisen. Für die Rechtszeichen von Einzelpersonen lässt sich dies gut als Ausdruck ihrer Identität interpretieren, doch welche Bedeutungsdimensionen hatten sie auf Siegeln von Korporationen, also organisierten Gruppen wie städtischen Bürgerschaften oder Konventen? Denn bereits im Spätmittelalter wurden Fingerabdrücke als individuell wahrgenommen.
Um erkenntnistheoretisch über die bisher lediglich – in wahrstem Sinne des Wortes – oberflächlichen Vermutungen hinauszukommen, nutzt das Projekt neuste Möglichkeiten der Computertomographie, um mittels 3D-Modellen diese Fingerabdrücke erstmals forensisch identifizieren können. War es jeweils eine oder waren es mehrere Person(en), die auf einem Abdruck absichtlich ihre Spuren hinterließen? Wie lange ist ein und dieselbe Person im wiederholten Herstellungsprozess eines Korporationssiegels nachweisbar? Dadurch können Muster der Teilhabe von Bürgern an einem zentralen Rechts- und Bildgebungsakt mittelalterlicher Städte offengelegt werden, über die die schriftlichen Quellen schweigen.
Das Projekt wird von einem wissenschaftlichen Blog begleitet, welches den Fortgang eines ungewöhnlichen interdisziplinären Projekts zwischen Materialprüfung, Kriminalistik, Kunst- und Stadtgeschichte dokumentiert, das auch die Beteiligten immer wieder vor neue Herausforderungen stellt.
http://siegel.hypotheses.org/

Projektbeteiligte:
Volkswagenstiftung
Stadtarchiv Speyer
BMB – Gesellschaft für Materialprüfung mbh
Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz
Institut für Kunstgeschichte – Justus-Liebig-Universität Gießen

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Projektsprache(n)
Deutsch
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