Laut/Sprecher: Mediendiskurse und Medienpraxen in der Zeit des Nationalsozialismus

Laut/Sprecher: Mediendiskurse und Medienpraxen in der Zeit des Nationalsozialismus

Projektträger
Universität zu Köln ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.01.2002 - 31.12.2004
Von
Otto, Isabell

Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg „Medien und kulturelle Kommunikation“
SFB/FK 427 – Universität zu Köln
Teilprojekt C8: „Laut/Sprecher: Mediendiskurse und Medienpraxen in der Zeit des Nationalsozialismus“
Prof. Dr. Günter Blamberger / Dr. Cornelia Epping-Jäger / Ralf Ehlert M.A.

Das Projekt zielt auf eine Rekonstruktion der konstitutiven Bedeutung, die das Dispositiv »Laut-Sprecher« in der Zeit des Nationalsozialismus für die mediale Organisation der kommunikativen »Regie der Masse« übernimmt. Der Dispositivansatz »Laut-Sprecher« markiert dabei einen strukturellen Zusammenhang, der neben der technischen Apparatur »Lautsprecher« auch die Stimmen der Redner und ihre mentalen Dispositionen sowie die Szenarien ihrer performativen Prozessierung einbindet. Der »Laut-Sprecher« wird hier also als ein globales Medium im Sinne eines Dispositivs verstanden, das in den je unterschiedlichen Realisierungen seiner performativ-lokalen Praxen analysiert werden soll.
Insgesamt liegt dem Projekt die folgende Hypothese zugrunde: Die durch die elektro-akustische Wandlung vom Leib des Redners getrennte Stimme übernimmt in der Inszenierung des »Laut-Sprechers« die Aufgabe, Massenkommunikation gleichwohl als leib-anwesende Kommunikation in Szene zu setzen. In diesem Zusammenhang organisiert der »Laut-Sprecher« in zweifacher Hinsicht Leistungen der Entdifferenzierung: Indem er zum einen die Innovativität des neuen technischen Mediums mit dem Wiederaufruf vormoderner Kommunikationsformen verbindet, inszeniert der »Laut-Sprecher« die massenhaft je Einzelnen als gleichsam prämodernes Kollektiv; zum zweiten konstituiert er einen Wahrnehmungsraum, der die räumliche Zerdehnung zwischen leib-anwesender Stimme und massenhaft Adressierten negiert und so die technischen Leistungen des Massenmediums mit der Form intimer Kommunikation verknüpft.

In historischer Perspektive geht das Projekt davon aus, daß die »Zeit des Nationalsozialismus« nicht als eigenständige, sowohl von der Weimarer Republik als auch von der Frühphase der Bundesrepublik Deutschland scharf abgegrenzte Epoche verstanden werden kann. Methodisch wird der für das Vorgängerprojekt konstitutive Ansatz einer »Archäologie der Medientheorie« zu einem Teil einer Dispositiv-Analyse, die darüber hinaus die Rekonstruktion performativ-lokaler Praxen, die Einbeziehung von Kontrolltexten und stimmanalytischen Untersuchungen einschließt. Thematisch schließlich wird die Ausformung des Dispositivs »Laut-Sprecher« analysiert. Hier wird es darauf ankommen zu zeigen, daß sich die NSDAP – wie keine andere Partei der Weimarer Republik – seit ihrer Wiedergründung im Jahre 1925 über den Einsatz des »Laut-Sprechers« als eine Redner-Partei konzipiert, deren Strukturen als spezifische Transformationen und Fokussierungen des allgemeinen Mediendiskurses der zwanziger Jahre verstanden werden können. Geprüft werden soll diese These in der Analyse zweier diskursiver Formationen: erstens in den Versuchs- und Entwicklungsanordnungen der technischen Apparatur »Lautsprecher« und zweitens in den strategischen Texten aus dem Bereich der politischen Performanz des Nationalsozialismus. Ein drittes Analysefeld bilden fünf Szenarien der lokal-performativen Ausfaltung des globalen Mediums »Laut-Sprecher«. Als methodische Kontrollebene wird die Analyse von Diskursen einbezogen, in denen das NS-System Performanzstörungen des »Laut-Sprechers« thematisiert. Ergänzt wird diese Kontrollebene durch Stimmanalysen. Diese übernehmen die Aufgabe zu prüfen, anhand welcher Parameter sich die Stimminszenierungen der Massenveranstaltungen von denen der Studioaufnahmen unterscheiden lassen; darüber hinaus sollen im diachronen Längsschnitt über 1945 hinausgehende Stimm-Vergleichsanalysen feststellen, ob das Dispositiv »Laut-Sprecher« auch über das politische Ende des Nationalsozialismus hinaus seine Wirkungsmächtigkeit behauptet. Die hier vorgeschlagene Zentrierung der Untersuchung geht davon aus, daß auf diese Weise ein für die Massendiskurse der NS-Zeit konstitutives Moment in den Blick gerät.

Projektleitung: Prof. Dr. Günter Blamberger
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Ralf Ehlert M.A., Dr. Cornelia Epping-Jäger

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