„Tod und Agency. Interdisziplinäre Studien zum Lebensende aus europäischer Perspektive“ Eine neue Reihe zu Tod und Sterben in Zusammenarbeit mit dem Böhlau Verlag

„Tod und Agency. Interdisziplinäre Studien zum Lebensende aus europäischer Perspektive“

Projektträger
Böhlau Verlag (Nina Kreibig, Thomas Macho, Moisés Prieto)
Ausrichter
Nina Kreibig, Thomas Macho, Moisés Prieto
PLZ des Projektträgers
50674
Ort des Projektträgers
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.06.2020 -
Von
Nina Kreibig, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin, Thomas Macho, Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz (IFK), Moisés Prieto, Universität Bern

An dieser Stelle möchten wir auf unsere interdisziplinär angelegte Reihe „Tod und Agency. Interdisziplinäre Studien zum Lebensende aus europäischer Perspektive“ aufmerksam machen, die im Böhlau Verlag erscheinen wird. Wir möchten Forscher*innen aller Disziplinen einladen, ihre wissenschaftlichen Monografien, die sich mit Fragen zu Tod und Sterben im langen 19. Jahrhundert im europäischen Kontext beschäftigen, in der Reihe zu veröffentlichen. Darüber hinaus wird die Publikation von thematischen Sammelbänden angestrebt.

Warum eine Reihe über Tod und Sterben?
Tod und Sterben sind sich allzeit wiederholende Ereignisse, die nicht nur jedes Individuum betreffen, sondern auch komplexe Gesellschaften, und damit gleichsam historischen Abläufen inhärent sind. Diese Erkenntnis suggeriert, dass der Tod und die Toten in den Geschichtswissenschaften und verwandten Fachdisziplinen eine herausragende Bedeutung genießen müssten. Und tatsächlich liegen aus den Kulturwissenschaften zahlreiche Studien vor, die sich der materiellen Güter der Verstorbenen annehmen oder die Praktiken im Umgang mit Tod und Sterben beleuchten. Bisher konzentrierte sich die Beschäftigung mit den Verstorbenen zumeist auf regional- oder ideengeschichtliche Studien, kunsthistorische Abhandlungen oder philosophische Überlegungen. In der vorliegenden Reihe soll hingegen verstärkt ein kultur- und sozialgeschichtlicher Schwerpunkt gesetzt werden, der explizit die handelnden Personen oder Institutionen im Todeskontext beleuchtet. Zu diesem Zweck rekurrieren wir auf den Begriff von Agency im Reihentitel, verstanden als „Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der eigenen alltäglichen Realität“ (Sarasin). Dabei sollen auch wirtschaftshistorische Fragestellungen, Gender Studies oder Inhalte von Milieustudien zum Tragen kommen. Es ist nicht zu übersehen, dass eine intensivere Beschäftigung mit dem praktischen Umgang mit Sterbenden und Verstorbenen in den Geschichtswissenschaften bislang selten stattgefunden hat und hier liegt auch das innovative Potenzial der geplanten Reihe begründet. Dies betrifft nicht allein die Erforschung von Institutionen innerhalb des europäischen Bestattungswesens, wie die sogenannten Leichenhäuser, sondern auch Berufsgruppen. Hier seien exemplarisch die Leichenfrauen zu nennen, die im 19. Jahrhundert weitgehend die professionelle Totenfürsorge in zahlreichen deutschen Staaten ausübten. Eine intensive Beleuchtung des Themas „Tod“ verdeutlicht, dass es aus geschichts-, aber auch aus religionswissenschaftlicher Perspektive noch zahlreiche Erkenntnislücken gibt. In den deutschsprachigen Geschichtswissenschaften geht der Wandel hin zu einer intensiveren Beschäftigung mit der Thematik nur langsam voran, bietet aus diesem Grund jedoch auch erhebliches Potenzial, bisher unberührte Aspekte zu erschließen und zu vertiefen und damit gänzlich neue Erkenntnisse zu liefern.

Zeitlicher und räumlicher Rahmen:
Als zeitlicher Rahmen bietet sich die Phase von circa 1750 bis Ende des Ersten Weltkrieges an, womit entscheidende Zäsuren und Weichenstellungen im europäischen Bestattungswesen und veränderte Wahrnehmungen vom Tod und den Verstorbenen erfasst werden können. Die Konsequenzen hinsichtlich einer gewandelten Bewertung von Verstorbenen sowie Innovationen und neuen Praktiken in der Bestattungskultur innerhalb des Zeitraumes waren erheblich und führten letztlich zu der Praxis und der Interpretation des Todes und der Toten, wie sie in den heutigen westlichen Gesellschaften vorherrschend ist. Zugunsten der inhaltlichen Kohärenz soll jedoch darauf verzichtet werden, das zeitliche Spektrum bis in das 20. Jahrhundert hinein zu erweitern.
So bietet die lange Zeitspanne aufgrund zahlreicher Entwicklungen und Innovationen im sozialen, politischen und technischen Bereich vielfältige Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Verstorbenen und dessen Bewertung. Die rasanten Entwicklungen bilden zudem die Grundlage für die Untersuchung von Phänomenen im Totenfürsorge- und Bestattungsbereich, die gegenläufige Tendenzen zum allgemeinen Fortschrittsnarrativ aufzeigen. Die räumliche Eingrenzung auf eine europäische Perspektive bietet einen ‚kulturellen Referenzrahmen‘, der den roten Faden‚ der sämtliche Publikationen, die in der besagten Reihe erscheinen werden, konkretisieren soll. Die Einschränkung ist hierbei nicht geographischer Natur. So lässt sich die europäische Perspektive auch auf die unter anderem westlichen Kulturen des nordamerikanischen Kontinents anwenden, dessen Bestattungskultur unzweifelhaft an den europäischen Vorstellungen orientiert war. Wie weit diese Perspektive auch auf andere Kontinente außerhalb Europas erweitert werden kann, muss im Einzelfall eruiert werden.

Interdisziplinäre Ansätze:
Wie der Untertitel des Projektes bereits andeutet, soll es hierbei keine Beschränkung hinsichtlich der fachlichen Ausrichtung geben, obgleich den Geschichtswissenschaften eine tragende Rolle zukommen soll. Fachdisziplinen, die an dieser Stelle besondere Aufmerksamkeit verdienen, sind die Religionswissenschaften, die Kulturwissenschaften, die Ethnologie, die Soziologie, die Philosophie, die Medizingeschichte, die Literaturwissenschaften oder auch die Kunstgeschichte. Innerhalb der Geschichtswissenschaften könnte ein besonderes Augenmerk auf der Emotionsgeschichte, der Mediengeschichte, der transnationalen Geschichte, der Militärgeschichte, den Urban Studies, der Institutionengeschichte und der bisher vielfach nur wenig bedachten Mikrogeschichte liegen. Diese Schwerpunktsetzung auf die Geschichtswissenschaften liegt nicht allein in der Tatsache begründet, dass die angedachten Herausgeber/innen zu großen Teilen aus den historischen Fachdisziplinen stammen, sondern beruft sich gleichsam darauf, dem spezifischen zeitlichen und thematischen Rahmen gerecht zu werden.

Format der Reihe:
Für die geplante Reihe kommen zwei Publikationsformate in Frage, die gleichberechtigt umgesetzt werden sollen. Dies betrifft zum einen Monografien, zum anderen Sammelbände. Hierbei sollen Beiträge in deutscher und englischer Sprache berücksichtigt werden.

Herausgeber/innenteam und wissenschaftlicher Beirat:
Die Zusammensetzung des Teams besteht aus: Nina Kreibig (Geschichtswissenschaften, Anthropologie, Ur- und Frühgeschichte), Thomas Macho (Kulturwissenschaften/Philosophie) und Moisés Prieto (Geschichtswissenschaften/Vergleichende romanische Sprachen). Darüber hinaus wurde ein zusätzlicher wissenschaftlicher Beirat von Forscher/innen unterschiedlicher relevanter Fachdisziplinen ins Leben gerufen, der das Herausgeber/innenteam beratend begleitet.

Nähere Informationen zum Team der Herausgeber/innen finden Sie unter:
Nina Kreibig: https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/bereiche-und-lehrstuehle/euge19/europaeische-geschichte-des-19-jahrhunderts/personen/nina-kreibig
Prof. Dr. Thomas Macho: http://www.thomasmacho.de
Dr. Moisés Prieto: https://www.hist.unibe.ch/ueber_uns/personen/prieto_moiss/index_ger.html

Bei Fragen, Anregungen und/oder Interesse an einer Zusammenarbeit, wenden Sie sich bitte per E-Mail an Moisés Prieto: moises.prieto@hist.unibe.ch

Wir freuen uns über Anregungen und Interesse an einer Zusammenarbeit.

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Deutsch
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