Die NS-Gaue als Mobilisierungsstrukturen im Krieg. Die Funktion der mittleren Ebene in der rüstungswirtschaftlichen Strukturpolitik und der kriegsgerichteten Ernährungs- und Agrarpolitik

Die NS-Gaue als Mobilisierungsstrukturen im Krieg. Die Funktion der mittleren Ebene in der rüstungswirtschaftlichen Strukturpolitik und der kriegsgerichteten Ernährungs- und Agrarpolitik

Projektträger
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Jena
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.07.2009 -
Von
Oliver Werner

Das auf drei Jahre angelegte, von der DFG finanzierte Projekt untersucht anhand von sechs NSDAP-Gauen (Mecklenburg, Brandenburg/Kurmark, Magdeburg-Anhalt, Halle-Merseburg, Sachsen und Thüringen) deren Rolle als Instanzen und Sondergewalten kriegsgerichteter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Mobilisierung zwischen 1936 und 1945. Dabei geht das Projekt von der Erkenntnis aus, dass die Parteigaue der NSDAP seit 1936 „im Reichsauftrag“ zunehmend mit maßnahmestaatlichen Mobilisierungsfunktionen ausgestattet und ihnen dafür die mit dem Reich „gleichgeschalteten“ Länder und Provinzen als regionale Verwaltungseinheiten zugeordnet wurden. Das Projekt untersucht die NS-Gaue so als neue regionale Sondergewalten des Reiches auf der mittleren Ebene. Es versteht sich daher in erster Linie als Beitrag zur Systemforschung. Regionale Besonderheiten werden zwar berücksichtigt, aber die ausgewählten Gaue stehen als Beispiele für eine allgemeine Entwicklung, die den „NS-Gauen“ eine spezifische Rolle als Mittelinstanzen verlieh, die in der jüngeren NS-Forschung als neue Form von Staatlichkeit gedeutet wird. Die begriffliche Fassung dieser neuen Qualität bildet einen zentralen Aspekt des Projekts.

Die Funktionsausstattung der NS-Gaue wird an drei thematischen Schwerpunkten untersucht. Ausgangspunkt bildet die reale Ausstattung der Mittelinstanzen für kriegsmobilisierende Zwecke. Die Stellung der Gaue gegenüber den sich verändernden zentralen Machtinstanzen – in der Wirtschaft etwa von Hermann Görings Vierjahresplanbehörde zu Albert Speers Rüstungsministerium – spielte dabei eine wichtige Rolle. Im Zuge solcher Machtverlagerungen erhielten die Gaue immer wieder neue Aufgaben zugeschrieben, die sie schließlich zu unverzichtbaren Elementen der Kriegführung werden ließen.

Im zweiten Schwerpunkt konzentriert sich das Projekt auf die Prozesse, in denen den Gauleitungen als Parteiinstanzen in den Vorkriegsjahren seit 1936 und vor allem im totalen Krieg ab 1942/43 traditionelle staatliche Verwaltungen zugeordnet wurden. In den daraus entstehenden Konflikten überlagerte die spontane Dynamik von ad hoc-Maßnahmen sukzessive die Geltung verbindlicher Verwaltungsregeln. Wichtig ist hier die Frage, in welchem Grade sich dabei für alle NS-Gaue des „Altreiches“ ähnliche mobilisierende Funktionen feststellen lassen, ob es signifikante und typologisch fassbare Unterschiede etwa zwischen „Innerreich“- und „Grenzland“-Gauen gab und welche Rolle dabei die jeweiligen Verwaltungskonstellationen der Länder- oder Provinzialverwaltungen spielten.

Schließlich nimmt das Projekt im dritten Schwerpunkt die „politische Raumordnung“, die Landesplanung und – soweit es Hochschulen in den untersuchten Gauen gab – die Raumforschung auf der Gauebene in den Blick. Die nach der „Gleichschaltung“ der Länder und Provinzen im Vorfeld des kriegsvorbereitenden Vierjahresplanes 1935/36 neu organisierte Raumforschung und Landesplanung wertete die Raumordnung als politisches Gestaltungsmittel auf. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Umgestaltung der Regionen. Diese „innere Neuordnung“ mit ihren Instanzen und Personal bildete einen Ausgangspunkt für die „äußere Neuordnung“ der während des Krieges okkupierten Gebiete vor allem Mittel- und Osteuropas.

Der grundsätzliche Charakter der NS-Gaue als regionale Mittelinstanzen wird in zwei Teilprojekten herausgearbeitet. Joachim Hendel konzentriert sich auf das Politikfeld der Ernährungs- und Agrarwirtschaft und untersucht die Rolle der Gaue bei der Sicherstellung der Versorgung im Zweiten Weltkrieg. Oliver Werner untersucht die Rüstungs- und Strukturpolitik auf der Gauebene und fragt nach regionalen Impulsen und Gestaltungsspielräumen unter dem Vierjahresplan und im totalen Krieg. Beide Projekte beschränken sich auf die inneren Gaue des „Altreichs“, die strategisch vor Luftangriffen geschützt schienen und zu Hauptausbauzonen der Ernährungs- und Rüstungswirtschaft wurden.

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Veröffentlicht am
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Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
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Land Veranstaltung
Projektsprache(n)
Deutsch
Sprache