Wiss. Netzwerk „Geschlechtermetaphern als Machtressource in der Philosophie- und Rechtsgeschichte“

Wiss. Netzwerk „Geschlechtermetaphern als Machtressource in der Philosophie- und Rechtsgeschichte“

Projektträger
Institut für Philosophie der FU Berlin ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
überregional
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.03.2010 - 30.09.2013
Von
Detlef Georgia Schulze

Für Beteiligung an einem Wissenschaftlichen Netzwerk

„Geschlechtermetaphern als Machtressource in der Philosophie- und Rechtsgeschichte“

werden am Institut für Philosophie der FU Berlin gesucht:

1.

a) einE transdisziplinär arbeitender AlthistorikerIn, AltphilologIn oder PhilosophIn mit Interesse an antiker Philosophie- und Rechtsgeschichte sowie guten Altgriechisch-Kenntnissen

b) einE transdisziplinär arbeitender HistorikerIn oder AnglistIn mit Interesse an der englischen Sprachgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts (gerne auch englische MuttersprachlerInnen)

c) einE transdisziplinär arbeitendeR JuristIn mit Interesse an der Wissenschaftsgeschichte der deutschen Rechtswissenschaft von 1848 bis 1933/48

d) einE transdisziplinär arbeitendeR ZeithistorikerIn oder SozialwissenschaftlerIn mit Interesse an den im Ausgang von „1968“ entstandenen sog. Neuen sozialen Bewegungen in den oder einem der deutschsprachigen Länder.

Eine der Person kann, aber muß nicht promoviert sein; die anderen Personen sollen beabsichtigen, in den genannten Themengebieten zu promovieren.

Das Netzwerk soll u.a. (zu weiteren Arbeitsgebieten siehe Nr. 2 und 3) dazu dienen, eine vom Europäischen Forschungsrat (ERC) zu fördernde Starting Grant-Nachwuchsgruppe zum Thema „Haben Recht und Gesetz ein Geschlecht?“ gemeinsam vorzubereiten, zu beantragen und – im Erfolgsfalle – zu bearbeiten. 1
Das ERC-Projekt soll von je einer These Cornelia Klingers sowie Helmut Ridders ausgehen. Die These von Cornelia Klinger lautet: „Das Weibliche und das Männliche werden in der Geschichte des westlichen Denkens als gegensätzliche und/oder komplementäre Prinzipien betrachtet, die andere Dualismen symbolisieren, so wie sie umgekehrt in anderen Gegensatzpaaren symbolisiert werden, […].“ 2 Die fragliche These von Helmut Ridder lautet: „schon das Wort ‚Recht’ für sich allein hat es in sich. Unter ihm wird ein Gegensatz mitgedacht, der Gegensatz zum ‚Gesetz’, der ein Basiselement des Spezifikums der deutschen ‚Rechtsstaatlichkeit’ ist, die sich dadurch so überschlägt, daß am Ende wieder der Machtstaat herauskommt. Auf englisch sind die Gesetze (Richterrecht – Common Law – und Gesetzesrecht) ‚the laws’; ihre Gesamtheit ist ‚the law’ (oder gar ‚The Law’); die vom ‚Law’ den einzelnen gewährten (individuellen) ‚Rechte’ sind ‚the rights’. Auf französisch sind die Gesetze […] ‚les lois’; ihre Gesamtheit ist ‚la loi’ (oder gar ‚La Loi’) – sie mag auch ‚le droit’ (‚Le Droit’) heißen, aber das ist eindeutig synonym mit ‚la loi’ (und wird meist als Oberbegriff gebraucht, wenn gegenständlich oder qualitativ bestimmte einzelne Teile der Rechtsordnung bezeichnet werden sollen); die (individuellen) ‚Rechte’ einzelner sind ‚droits’. ‚Dieu et mon droit’ (normannisch/französisch/englisch) ist ein ziemlich frecher Spruch, aber er macht Gott nur zum Verbündeten eines individuellen Rechts und identifiziert dieses nicht mit ‚dem’ Recht oder gar mit einem über dem Recht stehenden höheren ‚Recht’.“ 3

In dem zu beantragenden ERC-Projekt sollen nun diese beiden Thesen mit einander verknüpft werden und der Frage nachgegangen werden, ob die Überordnung eines als moralisch höherwertig geltenden Rechts über die als ‚bloß formal’ klassifizierten Gesetze (die sich im übrigen auch in den südeuropäischen Rechtsstaaten Spanien, Italien und Portugal findet 4), dadurch diskursiv gestützt (attraktiv gemacht) wird, daß „Recht“ mit konventionellen Bildern von Männlichkeit (z.B. Stärke) und „Gesetz“ mit solchen Weiblichkeit (z.B.: Schwäche) konnotiert ist.

Diese Frage soll für den herrschenden Diskurs der deutschen Rechtswissenschaft für in etwa das Jahrhundert nach der gescheiterten Revolution von 1848 sowie für den oppositionellen Diskurs der sog. Neuen sozialen Bewegungen nach 1968 untersucht und kontrastiv mit dem griech.-antiken Gegensatz von nómos [Gewohnheit, Sitte, Recht] und psēphisma [= Volksversammlungsbeschluß] sowie der englischen Sprachgeschichte des 16. und 17. Jh.s verglichen werden – dem Zeitraum, in dem einerseits im Englischen „right“ die Bedeutung ‚die Rechtsordnung als Ganzes / das Recht in seiner Gesamtheit’ verlor und sich auf die Bezeichnung des individuellen Rechtsanspruchs reduzierte und an dessen Ende andererseits die sovereignty of parliament durchgesetzt wurde.

Ein weiteres Teilprojekte wird sich mit dem Rechtsdiskurs des Neoliberalismus befassen.

Darüber hinaus bestände evtl. die Möglichkeit, im Projektkontext zwei weitere Teilprojekte zu berücksichtigen: Eines zum russischen Gegensatz von „pravo“ (Recht) und „zakon“ (Gesetz) in politischen Diskursen von der gescheiterten Revolution von 1905 bis zum Erlaß der stalinschen Verfassung von 1936 (Bearbeitung durch Osteuropa-HistorikerIn oder SlavistIn); und ein zweites zum Gegensatz von derecho (Recht) und ley (Gesetz) im Altkastilischen, d.h.: als als Wort mit der Bedeutung „Gerechtigkeit“ neben justicia noch das altkastilische Wort derechuría existierte (Bearbeitung durch RomanistIn). Auch hierbei wäre nach der etwaigen Vergeschlechtlichung der genannten Unterschiede zu fragen.

2.

Des weiteren werden zwei SprachwissenschaftlerInnen mit Arbeitsschwerpunkten im Bereich der Indoeuropäistik bzw. der frühen germanischen Sprachen (Altenglisch, Althochdeutsch, Gotisch, Altisländisch) gesucht. Diesen beiden Personen soll im Herbst 2010 je ein Werkauftrag für das Lesen, Korrigieren sachlicher Fehler und kritische Kommentieren (in theoretisch-konzeptioneller Hinsicht) von zwei oder drei von sozialwissenschaftlicher Seite verfaßter Texte zu den genannten Themengebiete erteilt werden.
Darüber hinaus hätten die beiden Personen die Möglichkeit, im Netzwerk-Kontext eigene Projekte vorzubereiten und bei den Tagungen des Netzwerkes vor und zur Diskussion zu stellen. Die Werkverträge können aber auch unabhängig von einer kontinuierlichen Beteiligung am Netzwerk vergeben werden.

3.

Außer den Netzwerk-TeilnehmerInnen von professoraler Seite und den 5 bis 9 Personen für die oben bei Punkt 1. und 2. genannten Funktionen, könnten sich maximal fünf weitere Personen mit eigenen Projektideen im Bereich „Geschlechtermetaphern als Machtressource in der Philosophie- und Rechtsgeschichte“ in dem Netzwerk beteiligen. Diese müssen keinen Bezug zu den Begriffen „Recht“ und „Gesetz“ haben.

Im Bewilligungsfall würden dem Netzwerk Mittel für die Durchführung von maximal sechs Arbeitstreffen sowie Mittel für Publikationskosten zur Verfügung stehen. Über die unter 2. genannten Werkverträgen hinaus wären Personalmittel für Graduierte zunächst nicht vorhanden. Es könnte aber versucht werden, durch begleitende Antragstellung weitere Personalmittel einzuwerben.

InteressentInnen melden sich unter Beifügung eines Lebenslaufs und – bei Interesse an einem der in Abschnitt 1. genannten Teilprojekte oder bei Vorhandensein einer eigenen Projektidee – einer Ideenskizze von ca. 1 Seite bitte bis zum Sonntag, den 14. März bei:
Detlef Georgia Schulze
http://userpage.fu-berlin.de/~dgsch/
DGSch@zedat.FU-Berlin.de

Des weiteren können sich bereits Studierende mit Interesse an den Arbeitsgebieten des Netzwerkes melden, die sich am Ende eines BA-Studienganges befinden und danach ein Masters-Studium absolvieren wollen, oder sich am Anfang eines Diplom- oder M.A.-Hauptstudiums oder eines Masters-Studiums befinden. Im Kontext der Arbeitstreffen und Publikationen des Netzwerkes werden Werkaufträge für organisatorische Aufgabe vergeben werden. Eine Beteiligung an den inhaltlichen Diskussionen des Netzwerkes und eine Betreuung von Studienabschlußarbeiten mit einschlägigen Themen ist möglich.

1 Im Bewilligungsfall ist mit einem Projektbeginn Mitte 2011 zu rechnen. Da das Gesamtprojekt eine Laufzeit von fünf Jahren haben würde, die Promotionsstellen aber eine Laufzeit von nur 2,5 Jahren, müssen nicht alle Teilprojekte von Beginn an besetzt werden.
2 Das Bild der Frau in der Philosophie und die Reflexion von Frauen auf die Philosophie, in: Karin Hausen / Helga Nowotny (Hg.), Wie männlich ist die Wissenschaft?, Suhrkamp: Frankfurt am Main, 1986, 62 - 84 (67).
3 Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, Westdeutscher Verlag: Opladen, 1975, S. 144 f.
4 Detlef Georgia Schulze, Die Norm (in) der Geschichte. Die Struktur des Strukturfunktionalismus und die Struktur des Strukturalismus, in: ders./dies. / Sabine Berghahn / Frieder Otto Wolf (Hg.), Rechtsstaat statt Revolution, Verrechtlichung statt Demokratie? Transdisziplinäre Analysen zum deutschen und spanischen Weg in die Moderne. (StaR P. Neue Analyen zu Staat, Recht und Politik. Serie A. Bd. 2). Teil-Bd.1: Die historischen Voraussetzungen, Westfälisches Dampfboot: Münster, Feb. 2010; Abschnitt „V. Neun Anhaltspunkte für eine rechtsstaatlich-antiparlamentarische, deutsch-spanische Familienähnlichkeit“.