Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat im Mai 2006 die Einrichtung eines „Wissenschaftlichen Netzwerkes“ mit dem Projekttitel „Glieder des Papstleibes oder Nachfolger der Apostel? Die Kardinäle des Mittelalters (11. Jahrhundert – ca. 1500)“ bewilligt. Als Antragsteller fungierten Dr. Jürgen Dendorfer von der LMU München und Dr. Ralf Lützelschwab vom Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin. Das Netzwerk, das aus einem festen Stamm von zwölf Mitgliedern – junge Wissenschaftler und bereits arrivierte Professoren - besteht, wird während eines Zeitraums von drei Jahren zwei Mal jährlich zu Arbeitstreffen, abwechselnd in München und Berlin, zusammenkommen. Beteiligt sind Forscher aus Europa und den USA.
Ziel des Netzwerks ist es, in interdisziplinärem Zugriff die aktuellen Forschungen zum mittelalterlichen Kardinalat zu bündeln, um am Ende des Bewilligungszeitraums ein „Handbuch des Kardinalats im Mittelalter“ vorlegen zu können.
Die Kardinäle sind die höchsten katholischen Würdenträger nach dem Papst. Was man über sie zu wissen glaubt, ist jedoch nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, was man tatsächlich weiß.
Im 11. Jahrhundert erlangten Teile des römischen Klerus an der Seite des sich erneuernden Papsttums weit über Rom hinaus Macht und Bedeutung. Seither standen sie als Kardinäle dem Papst beratend zur Seite und unterstützten ihn bei der Regierung der Kirche. Außerhalb Roms repräsentierten sie die Kirche. Die Kardinäle, die sich mehr und mehr als Kollegium verstanden, entwickelten Ansprüche auf Teilhabe an der päpstlichen Herrschaft – fußend auf ihrem Recht der Papstwahl und Formen einvernehmlicher Entscheidung. So erschien die Monarchie des Papstes mitunter als Oligarchie der Kardinäle.
Da zeitübergreifende und vergleichende Studien fehlen, lässt der derzeitige Forschungsstand tragfähige Aussagen über die Bedeutung des Kardinalkollegiums nicht zu. Trotz seiner zentralen Stellung in der Geschichte des Papsttums und der Kirche lässt sich die Bedeutung dieser Institution in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens nur erahnen. Erstes Ergebnis des bewilligten DFG-Netzwerks wird ein Sammelband sein, der den Forschungsstand bilanziert und Wege künftiger Forschung aufzeigt. Auf dieser Grundlage erarbeitet das Projekt neue Forschungsfragen, deren Ergebnisse einer großen internationalen Forschergemeinde auf einer Tagung präsentiert werden.
Feierlich eröffnet wird das Historiker-Netzwerk am 9. November 2006 um 19.30 Uhr im Historicum der LMU, Schellingstr. 12, Raum 001. Professor Werner Maleczek (Wien) wird einen öffentlichen Abendvortrag über „Die Brüder des Papstes. Kardinäle und Schriftgut der Kardinäle“ halten.