Amerikanische diplomatische Akten zur ganzen Welt, 1906-1910
Eine der zentralen Überlieferungen für die Erforschung der internationalen politischen und wirtschaftlichen Geschichte des 20. Jahrhunderts sind die Akten des amerikanischen Außenministeriums, des US State Department. Im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sondersammelgebiete besitzt die Bayerische Staatsbibliothek für den deutschsprachigen Raum, Frankreich, Italien und Osteuropa einschließlich Rußlands Verfilmungen großer Teile dieser Akten, teilweise vom späten 18. Jahrhundert bis in die 1960er Jahre.
Allerdings gab es bisher eine zeitliche Lücke in diesen Überlieferungen, die durch die Benutzung eines anderen Registratursystems des US State Department bedingt ist: Zwischen 1906 und 1910 ordnete man die anfallenden Korrespondenzen und Unterlagen nach "Fallnummern". Dadurch ist es nachträglich äußerst aufwendig, beispielsweise alle Unterlagen zu Deutschland in diesem Zeitraum herauszulösen.
Aus diesem Grund erwarb die Bayerische Staatsbibliothek vergangenes Jahr mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft die komplette Verfilmung der sogenannten "Numerical and Minor Files of the Department of State" mit einem Umfang von 1.241 Filmrollen. Allein der dazugehörige Index auf Karteikarten nimmt weitere 86 Filmrollen in Anspruch.
Nunmehr stehen der Forschung auf sehr unterschiedlicher Ebene die Unterlagen einmalig in Deutschland zur Verfügung. Ob man sich mit der Geschichte der westlichen Hemisphäre beschäftigt, die in den Akten recht stark zum Vorschein kommt (Vorgeschichte des Panama-Kanals, Kuba, usw.), ob mit Belgisch-Kongo oder den Beziehungen zwischen Rußland und Japan in der Folge des Krieges von 1904/5 - hier wird man fündig.
Aber auch aus lokalhistorischer Sicht können diese Akten von Interesse sein, denn die "Numerical and Minor Files" enthalten für 1906 bis 1910 auch die vorher getrennt geführten und verfilmten Überlieferungen der amerikanischen Konsulate in aller Welt. (Für die oben genannten Sondersammelgebiete sind diese Verfilmungen bis 1906 ebenfalls in der Bayerischen Staatsbibliothek vorhanden.) Hier ist vieles Routinekorrespondenz, z.B. über Todesfälle von Amerikanern im Ausland; aber immer wieder stößt man auch auf unerwartete Dinge, wie einen Bericht des amerikanischen Konsuls in München vom 28. August 1906, in dem er Washington auf mehreren Seiten einen Vortrag des berühmten Psychiaters Emil Kraepelin zum Thema "Alkoholismus in München" referiert.
Um die Benutzung dieses etwas kompliziert aufgebauten Bestandes zu erleichtern, finden sich Hinweise und Tabellen unter
http://www.bsb-muenchen.de/mikro/litup453.htm
Die Bayerische Staatsbibliothek bietet damit eine weitere umfangreiche Aktenverfilmung an, die nicht nur im Rahmen der dort gepflegten Sondersammelgebiete von Interesse sein sollte. Selbstverständlich ist die Benutzung auch über Bibliotheksfernleihe in ganz Deutschland möglich.