60 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und ein Jahr nach der Osterweiterung der EU unternahm es das Europäische Erinnerungsnetzwerk, ausgehend vom Oral History Ansatz, das kulturelle Erbe Europas auf besondere Weise darzustellen: An sieben Orten in sieben Ländern gestalteten ältere Menschen „Erinnerungskisten" mit den Geschichten ihres Lebens. Eine Idee der Hildesheimer Künstlerinnen Ulrike Brink und Alexandra Hupp aufgreifend, füllten im Winter 2004/05 mehr als 120 Männer und Frauen in Tschechien, Spanien, Rumänien, Polen, Finnland, Deutschland und England ausrangierte Munitionskisten mit ihren Erinnerungen. Beraten und unterstützt wurden sie dabei von lokalen Künstlern.
Im März 2005 wurde eine Auswahl dieser Kisten in Kassel zu einer Wanderausstellung zusammengestellt und auf eine 13.000 Kilometer lange Reise quer durch Europa geschickt. Bis Juli 2005 machte die Ausstellung Station in Posen, Prag, Cluj-Napoca, Kotka, London, Barcelona, Berlin und Bonn. Über 10.000 Besucher ließen sich von diesem Mosaik europäischer Zeitgeschichte anrühren und bewegen. Kinder (in London) und Jugendliche (in Kassel) entwickelten aus den Geschichten in den Kisten Theaterstücke. Kistenbauer in Cluj-Napoca und Kotka brachten ihre Erinnerungen selbst auf die Bühne. In Barcelona beteiligten sich Menschen mit Demenz und ihre Familien an dem Projekt, unterstützt von einer medizinischen Fakultät, n London waren es Migranten aus Asien und Afrika. In Fachveranstaltungen wurde an jedem Ausstellungsort über das Projekt informiert und Anleitung gegeben für diese Form der kreativen Erinnerungsarbeit und Geschichtsvermittlung.
Fast überall griffen Menschen die Idee auf und packten eigene Erinnerungskisten.
Den Kistenbauern war kein Thema vorgegeben, nicht Krieg, nicht Frieden, nicht Europa oder Heimat. Doch ergeben sich fast unter der Hand Verbindungslinien zwischen Kisten und Ländern, zwischen Themen und Menschen. An glückliche und idyllische Kindheiten der Zwischenkriegszeit wird ebenso erinnert, wie an dramatische Bomben-, Flucht- und Internierungserfahrungen. Immer wieder wird der Mutter oder dem Vater ein Memento errichtet, dem früh verstorbenen Ehemann oder Sohn. Ergebnis ist dabei nicht die Nivellierung durch die Fülle der Einzelheiten, sondern die Pointierung von Erfahrungen, eingebettet in eine erstaunliche Geschichtsstunde: Denn wer hat in Deutschland schon von der Evakuierung finnischer Kinder im 2. Weltkrieg gehört oder vom Schicksal der ungarischen Minderheit in Transsylvanien? Über Sprach- Kultur- und Generationsgrenzen hinweg vermitteln sich so die Geschichten individueller Erfahrung von Glück und Leid, vor allem aber von der Leistung der älteren Menschen für ein zusammenwachsendes Europa.
Sei Oktober 2005 ist eine reich bebilderte Dokumentation des Projektes erhältlich (Schweitzer/Trilling, making memories, euregioverlag Kassel, EUR 15.00)
Projektpartner:
- Age Exchange Reminiscence Centre and Theatre Trust London,United Kingdom
- Stadtteilzentrum Agathof e. V. Kassel, Deutschland
- Kotkan kaupunugin kulttuuritoimi Kotka, Suomi
- Fundació Pere Tarrés Barcelona, Catalunya
- Ceská Alzheimerovská spolecnost Praha, Ceská republika
- Fundata Pentru Dezvoltarea Asociatiilor de Ajutor Mutual Cluj Napoca, România
- Szola Policealna Pracowników Sluzb Spolecznych im. Miry Modzelewska Poznan, Polska
Projektberater:
Dr. E. Maria Schulz-Jander, KASSEL
Prof: Dr. Hartmut Radebold
Finanzielle Förderung durch:
Europäische Kommission - Robert Bosch Stiftung Stuttgart - VW - Rudolph Logistik Gruppe - Bridge House Trust - Land Hessen - Caixa Forum - Landesanstalt für privaten Rundfunk Hessen - Stadt Kassel - Sparkasse Kassel - Marschallamt Wiekopolska - AOK-Kassel
Projektgeschichte, Projektansatz, Projektverlauf, Tourplan, Links zu den Kooperationspartnern
www.agathof.de