Das voluminöse Werk geht zurück auf eine Dissertation, die unter kunsthistorischer Betreuung (Thomas W. Gaehtgens) und historischer Mitbegutachtung (Jürgen Kocka) an der Freien Universität Berlin entstanden ist. Es behandelt die preußische Kunstpolitik in der Weimarer Republik. Im Mittelpunkt steht die bildende Kunst. Eingeschlossen sind dabei die Akademie der Künste, Museen und Ausstellungen, die Förderung von Künstlern und die auswärtige Kunstpolitik. Ausgeklammert werden andere Aspekte wie ausdrücklich die Theaterpolitik. Ausgeklammert wird auch der Reichskunstwart, von dem die Verfasserin zu Unrecht annimmt, dass seine Aufgaben „nur repräsentativ“ (S. 1) gewesen seien. Tatsächlich waren sie im Wesentlichen beratend. Seine Einwirkung auf die Selbstdarstellung der Republik und die Kunstpolitik im Reich war nicht unbeträchtlich. Das ist umso wichtiger, als die Verfasserin nicht nur über Preußen, sondern auch über das Reich berichten will. Denn sie grenzt sich von Regionalstudien zur Kunstpolitik in Hannover, Bayern und der Pfalz ab, indem sie beansprucht, „erstmals auf überregional relevanter Ebene die kunstpolitischen Ansprüche des Weimarer Staats und besonders deren praktische Umsetzung“ darzustellen (S. 2). Das erscheint nicht ganz gerecht gegenüber diesen Regionalstudien, zudem wird damit Preußen mit dem Reich in eins gesetzt und die Rolle der anderen Länder in der Republik unterschätzt. Münchner Kunstpolitik war in der Weimarer Republik keineswegs unwichtig. Durch diese Abgrenzung wird von vornherein darauf verzichtet, die Konkurrenz der Kunstpolitik im föderalen System einzubeziehen oder Politik als Interaktionsfeld zu begreifen, auf dem Werte und Ziele beständig ausgehandelt wurden.
Institutionen, Behörden und Persönlichkeiten wie Konrad Haenisch, Carl Heinrich Becker, Otto Boelitz und Adolf Grimme stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Die Arbeit ist dabei stark an den schriftlichen Quellen orientiert. Der Abbildungsteil ist mit 14 Abbildungen eher schmal gehalten, und diese haben eher illustrierenden Charakter und erhellen nicht die Kunstpolitik. Neben den ministeriellen Akten wurden auch Materialien der staatlichen Kunstinstitutionen und Nachlässe einbezogen. In dieser Dichte und Detailliertheit sind die Quellen bislang noch nicht ausgewertet worden. So bietet sich die Möglichkeit, ein weitaus breiteres und differenzierteres Bild zu zeichnen, als es bislang möglich war. Die knappe Einleitung von gut drei Seiten beschränkt sich dagegen auf die erwähnte Abgrenzung, die Vorstellung der Quellen und der Gliederung sowie eine sehr kurze Zusammenfassung der Zielsetzung: Es solle „eine Forschungslücke geschlossen, ein Beitrag zur politischen wie kulturellen Geschichte der ersten deutschen Demokratie und darüber hinaus zur Genese der demokratischen Kunstpolitik geleistet werden“ (S. 4).
In diesem Rahmen hat die Verfasserin ihre Ziele in vollem Umfang erreicht. Der Aufbau folgt der Personen- und Institutionengeschichte. Im ersten Hauptteil geht es um die Neuorientierung unter Konrad Haenisch nach dem Sturz des Kaiserreichs und der Revolution, im zweiten Hauptteil um die Wandlung und Realisierung der neuen Ideen bis 1932. Die Bilanz der detailgenauen Rekonstruktion bestätigt, was die maßgebenden Kunstpolitiker in Preußen schon früh proklamierten: Sie wollten eine „Erziehung zur Nation“, und sie schöpften, wie das – wiederum sehr knappe Fazit – zu Recht betont, einerseits aus den Klassikern des Kulturnationalismus, von Humboldt über Goethe und Schiller bis zu Fichte, andererseits aus dem Fundus der vielfältigen Reformbewegungen der Zeit um 1900. Etwas vertiefter diskutiert wünschte man sich, dass sich demokratische Politiker zwar deutlich von der Kunstpolitik Wilhelms II. abgrenzten, aber nicht von der Kulturtradition aus wilhelminischer Zeit, die weder spezifisch republikanisch noch gar demokratisch war. Namentlich die Zeit um 1900 bot höchst vieldeutige Anknüpfungspunkte, auf die sich auch antirepublikanische und völkische Bewegungen beziehen konnten.
Davon abgesehen, werden in der Untersuchung aber sowohl die Neuansätze wie die personellen und strukturellen Grenzen sorgfältig und klar herausgearbeitet. In struktureller Hinsicht hemmten unter anderem die Konkurrenz zwischen den Behörden, auch zwischen dem Reich und Preußen, ferner die allgemeinen politischen Vorgaben, etwa in der Außenpolitik, und schließlich die Finanzengpässe. In personeller Hinsicht ging es nicht nur um Ausrichtung und Grenzen führender Politiker wie Haenisch, sondern auch um Konflikte mit Persönlichkeiten des Kunstlebens und der Kunstpolitik wie Wilhelm von Bode. Was die Neuausrichtung angeht, so belegt die Arbeit überzeugend, dass dezidiert eine konzeptionelle Politik verfolgt wurde, die eine Popularisierung, also die pädagogisch orientierte Heranführung der Bevölkerung an die Kunst anstrebte, und wie stark man bis zuletzt, noch und gerade auch unter Adolf Grimme von 1930 bis 1932, auf die Öffnung hin zur Moderne, zur zeitgenössischen Kunst bis hin zur Neuen Sachlichkeit setzte. Vor allem war das, in einzelnen Phasen allerdings etwas unterschiedlich interpretierte, aber in der Arbeit beeindruckend dokumentierte Eintreten für die Kunstfreiheit ein zentrales Merkmal der preußischen Ministerialpolitik. Insofern widerstand das Ministerium den deutschnationalen und dann den nationalsozialistischen Attacken auf die Moderne. Nur die Finanzprobleme blockierten am Ende den Versuch, die Demokratie mit Hilfe der Kunstpolitik zu verteidigen.
Wiederum hätte man sich aber wünschen können, dass Ambivalenzen stärker diskutiert worden wären. Immerhin gab es 1933 neben Brüchen ja auch formale und inhaltliche Anknüpfungspunkte, wie man an manchen Künstlern wie Georg Kolbe deutlich machen könnte. Die Verfasserin zieht ein außerordentlich positives Fazit: Durch das Eintreten für die Kunstfreiheit, kombiniert mit Qualitätskriterien, durch internationalen Kulturaustausch, durch die sozialpolitische Ausrichtung der Förderung von Kunst und Künstlern, schließlich durch das Verlangen nach einer zentralen Instanz der Kulturpolitik habe man die Linie vorgegeben, der die Bundesrepublik dann später gefolgt sei. Zu Recht weist die Verfasserin darauf hin, dass in vielen Grundfragen heute durchaus vergleichbare Diskussionen geführt werden. Das Amt des heutigen Kulturstaatsministers könnte man – auch wenn die Rahmenbedingungen grundlegend andere sind – im Prinzip und gemessen an den Aufgaben mit dem Reichskunstwart vergleichen. Daraus wären manche Lehren für die Gegenwart ziehen – zum Beispiel was den Sinn und die Wirkung von staatlicher Kunstpolitik angeht.