G. A. Gonzalez: Star Trek and Popular Culture

Cover
Titel
Star Trek and Popular Culture. Television at the Frontier of Social and Political Change in the 1960s


Autor(en)
Gonzalez, George A.
Erschienen
Anzahl Seiten
119 S.
Preis
€ 75,12
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Katja Kanzler, Institut für Amerikanistik, Universität Leipzig

Die Populärkulturforschung hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem facettenreichen, nachdrücklich interdisziplinären Forschungsfeld entwickelt. Den vorliegenden Band in diesem Forschungsfeld zu verorten, fällt nicht leicht. Das mag zum Teil an seiner Kürze liegen: Sowohl der gesamte Band als auch viele seiner (Unter-)Kapitel sind recht schmal, was dazu führt, dass eine Reihe konzeptueller Annahmen nicht ausbuchstabiert und Argumente nicht vollständig entfaltet werden. Tatsächlich wird mir nicht ganz klar, ob sich der Band als wissenschaftliche oder als populärwissenschaftliche Publikation versteht – manches scheint eher in Richtung populärwissenschaftliche Kommunikation in die Öffentlichkeit zu zeigen.

Was trotz aller Kürze deutlich wird, ist, dass der Verfasser George A. Gonzalez seinen Untersuchungsgegenstand – das Star Trek Franchise, verstanden als Teil der US-amerikanischen Populärkultur – zur Geschichte und zum Erbe der 1960er-Jahre in Beziehung setzen möchte: „[t]his book engages and analyzes the ongoing 60s through popular culture“ (S. 1), so Gonzalez. In den fünf Hauptkapiteln des Bandes (die Einleitung ist nicht als solche ausgeflaggt, jedoch scheint das erste Kapitel eine Einleitungsfunktion zu haben) geht es um Antikommunismus und Kalten Krieg; um die sozialen Bewegungen der Dekade und den Vietnamkrieg sowie um die Frage, wie Star Trek darüber spricht. Anders als es Gonzalez‘ Formulierung vermuten lässt, schließt der Band dabei aber nicht an geschichtswissenschaftliche Ansätze wie beispielsweise dem von George Lipsitz systematisch reflektierten Zugriff auf Populärkultur als „a historical archive and a historical agent“1 an. Der Politikwissenschaftler Gonzalez beruft sich vielmehr auf philosophische Konzepte, insbesondere auf Friedrich Hegels Vernunftkonzept, wenn er die Methodik seines Bandes folgendermaßen beschreibt: „[p]opular culture is philosophically significant because it allows people to cogitate reasons in the world – especially in the social, political realm. [...] I seek to identify, analyze the reasons in the world depicted in [popular culture]“ (S. 2). Viel mehr als den Verweis auf Hegel findet sich in der knappen Methodendiskussion leider nicht. Die Frage, wie genau sich Hegels Konzept im Kontext der Populärkulturforschung verstehen lässt, bleibt ebenso offen wie Ausführungen dazu, wie das Konzept für die Quellenanalyse operationalisiert werden soll.

Im Laufe des Buches lassen sich dann insbesondere zwei Vorgehensweisen in der Arbeit mit dem populärkulturellen Material beobachten, deren Umsetzung und Rahmung für mich nicht wirklich überzeugend sind – eine sorgfältigere Methodendiskussion hätte hier möglicherweise für mehr Nachvollziehbarkeit sorgen können. Erstens wird Star Trek als transparentes Medium behandelt, das direkten Zugriff auf historische Zusammenhänge biete (zum Beispiel: „This makes American popular culture (in its finer forms) a viable source material to determine why the American war in Vietnam was fought“ (S. 79)). Begründet wird dies damit, dass solche „finer forms“ der Populärkultur wie Star Trek „authentic art“ (S. 2 und S. 79) seien. Diese Transparenzunterstellung, die ein ganzes Bündel von einschlägigen Forschungsansätzen außen vor lässt, übersetzt sich in einen Duktus, der die eigenen Interpretationen des Star Trek Materials nicht als spezifisch situierte, methodologisch verankerte Lesarten präsentiert, die sich der Debatte mit anderen Lesarten stellen müssen, sondern sie normativ aufgeladen postuliert. An einer Stelle ist diesbezüglich die Rede vom „objective viewer“ (S. 7–8), der populärkulturelles Material „richtig“ verstehe und mit dem sich Gonzalez implizit gleichsetzt. Zum Umgang mit abweichenden Lesarten unten gleich noch mehr.

Die zweite, prominent zu beobachtende Vorgehensweise besteht darin, dem Material Star Trek eine Akteursrolle in den Transformationsprozessen der 60er-Jahre zuzuschreiben: „One argument in this volume is that with the Star Trek series of the late 1960s popular culture helped lead the way toward a fairer America (world)“ (S. 13–14). Das ist eine spannende These, die jedoch nicht wirklich belegt wird: Was die Ausführungen nachzeichnen, ist, dass Star Treks fiktionale Erzählungen eine utopische Vision von Gesellschaft entwerfen, die – wie alle utopischen Visionen – von den gesellschaftlichen Diskursen, die in der Zeit zirkulierten, geprägt ist. Herauszuarbeiten, wo und wie Star Trek dies macht, ist ein durchaus wertvolles und informatives Unterfangen; die Ansprüche, die der Band für sich selbst formuliert, gehen jedoch darüber hinaus. Um diesen gerecht werden und schlüssig zeigen zu können, dass Star Trek mit solchen Narrativen als Triebkraft gesellschaftlichen Wandels gewirkt hat, hätte es weiterer Argumente bedurft. Diese Argumente hätten beispielsweise adressieren können, wo und wie die Serie im sozialen Raum zirkulierte und rezipiert wurde; in welchen Texten oder Praktiken sie Spuren hinterlassen hat; wie sie von sozialen Akteur:innen aufgegriffen und angeeignet wurde. Es gibt einige Forschungsarbeiten, die sich bereits mit solchen Fragen auseinandergesetzt haben.2 Hier hätte Gonzalez anschließen können. Gleichzeitig finden sich in den Quellenbeständen zu Medienpraktiken mit und um Star Trek mit Sicherheit noch genügend Materialien, die auf Sichtung warten.

Während die Arbeit mit dem Star Trek Material also an einigen Stellen Fragen offen lässt, insbesondere bezüglich der angewendeten Methoden, tritt ein anderes Projekt des Bandes, das nur bedingt mit dem Phänomen Star Trek zusammenhängt, deutlich hervor: eine ausführliche Gegenrede gegen jene Formen der Populärkulturforschung, die mit Ansätzen der race, gender und sexuality studies arbeiten. Gonzalez fasst diese Ansätze kollektiv als „grievance studies“, die er definiert als Forschungsfeld „where the goal is using injustice (real or imagined) to divide“ (S. 95). Wie diese Rahmung schon anklingen lässt, setzt sich die Gegenrede, die der Band vorträgt, nicht wirklich mit den Analysen und Argumente solcher Forschungsarbeiten auseinander. Es lassen sich vielmehr zwei Strategien beobachten. Erstens wird die kritische Analyse, die solche Forschungsarbeiten entwickeln, wiederholt als Schmähung Star Treks charakterisiert, und diese Arbeiten so als Forschung delegitimiert und außerhalb des akademischen Diskurses verortet. Zweitens kontert Gonzalez die Analysen solcher Forschungsarbeiten regelmäßig mit vorgeblichen Gegenbeispielen, suggerierend, dass diese die Argumente der anderen Arbeiten entkräfteten, obwohl sie tatsächlich nur die Komplexität des populärkulturellen Materials aufzeigen.

Um ein Beispiel zu nennen: In der Auseinandersetzung mit André Carringtons Band Speculative Blackness: The Future of Race in Science Fiction – einer von mehreren Publikationen, an denen sich Gonzalez abarbeitet – wird formuliert: „Carrington takes an ahistorical tack and denounces the fact that the character of Lt. Uhura (the one African American bridge officer in the original series) was a supporting role.“ (S. 66) Als Gegenargument wird daraufhin vorgebracht, dass laut einer kanonischen Anekdote in Selbstbeschreibungen der Serie, die Schauspielerin Nichelle Nichols, die Uhura verkörperte, von Dr. Martin Luther King ermutigt wurde, die Rolle nicht, wie von ihr beabsichtigt, aufzugeben. Als weitere Argumente wird auf afroamerikanische Schauspieler verwiesen, die Figuren in Führungspositionen der fiktionalen Welt von Star Trek spielten. Was diese Argumentationsführung gänzlich aus dem Blick verliert, ist, dass Star Trek – als Produkt der kommerziellen Massenkultur – mehrdeutig ist. Unter anderem in cultural studies-Ansätzen der Populärkulturforschung, die mit Antonio Gramscis Hegemoniekonzept arbeiten, wird diese Polysemie als inhärentes Merkmal der Populärkultur betont. Demnach ist es kein Widerspruch zu sagen, dass ein Produkt wie Star Trek in manchen Elementen progressiv ist und in anderen Elementen nicht; dass es in manchen Aspekten die Diskurse der Bürgerrechtsbewegung um Gleichheit und Teilhabe aufgegriffen und verstärkt hat und dabei in anderen Aspekten den Denkstrukturen der white supremacy verhaftet blieb.

Angesichts der spärlichen Ausführungen zu Erkenntnisinteresse und Methodik des Bandes lässt die prominente Rolle, die die Gegenrede gegen race und gender studies in dem Band einnimmt, den Eindruck entstehen, dass es sich hierbei um das eigentliche Projekt der Publikation handelt und Star Trek dafür letztlich nur ein Vehikel ist. Das ist schade, gibt es zum Themenfeld, das der Band adressiert, doch noch so viel zu fragen und zu lernen. Gonzalez hat in den letzten Jahren eine Reihe von Publikationen zu Star Trek vorgelegt3 – möglicherweise wird das Erkenntnisinteresse dieses Bandes klarer, wenn er im Zusammenhang mit diesen anderen Publikationen betrachtet wird.

Anmerkungen:
1 George Lipsitz, The Historical Study of Popular Culture, in: Gary Burns (Hrsg.), A Companion to Popular Culture, Hoboken 2016, S. 13–30, hier S. 18.
2 Zum Beispiel: Lincoln Geraghty, Living With Star Trek: American Culture and the Star Trek Universe, London 2007; Roberta Pearson / Máire Messenger Davies, Star Trek and American Television, Berkeley 2014.
3 Unter anderem George A. Gonzalez, Popular Culture, Conspiracy Theory, and the Star Trek Text, Lanham 2020; ders., Star Trek and the Politics of Globalism, New York 2018; ders., The Absolute and Star Trek, New York 2017; ders., The Politics of Star Trek: Justice, War, and the Future, New York 2015.

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