Cover
Titel
Dominance by Design. Technological Imperatives and America's Civilizing Mission


Autor(en)
Adas, Michael
Erschienen
London 2006: Belknap Press
Anzahl Seiten
480 S.
Preis
$ 29,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tobias Rupprecht, Tübingen

Einen „Vorsprung durch Technik“ postuliert der Autohersteller Audi seit den 1970er-Jahren, der Werbeslogan hat in der Folge in seinem deutschen Original Eingang in die amerikanische Umgangssprache und Populärkultur gefunden.1 Der Glaube aber, dass ein höherer technischer Entwicklungsstand eine umfassende Überlegenheit über andere beinhaltet, so Michael Adas in vorliegendem Werk, war bereits 400 Jahre zuvor mit den ersten europäischen Siedlern über den Atlantik geschwappt. Diese Auffassung sei seitdem zentral für das amerikanische Selbstverständnis und daraus folgend für die Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Adas, Historiker an der Rutgers University und als solcher ein profunder Kenner des amerikanischen Imperialismus und der Rolle Amerikas in der Globalgeschichte der Moderne, veranschaulicht dies in seinem Buch an zahlreichen ‚case studies‘ amerikanischer Interventionen im 19. und 20. Jahrhundert.

Dieses Überlegenheitsgefühl hatte seine Wurzeln in den von der Aufklärung geprägten Vorstellungen der puritanischen Siedler sowie in ihren Erfahrungen im Aufeinandertreffen mit der indigenen Bevölkerung Nordamerikas. An Profil gewann es vor allem durch die Industrialisierung, aber auch die parallele „Zivilisierungsmission“ im Innern an der so genannten ‚frontier‘. Und im Wilden Westen setzten diejenigen sich durch, die die überlegene Technik besaßen: Werkzeuge, Waffen, moderne Transport- und Kommunikationsmittel. Diese Erfahrung prägte dann ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Art und Weise, wie sich die USA auf globaler Ebene selbst wahrnahmen, wie sie sich repräsentierten und politisch handelten. Eine der Stärken des Buches ist dabei, dass es immer wieder die Makroebene der Ideen kombiniert mit der Perspektive einzelner Akteure als Träger und Entwickler dieser Gedanken. Damit überwindet es zudem die nationale Perspektive und zeigt, wie diese Ideen Resultat interkultureller Kontakte und oft durchaus physischer Begegnungen sind.

Als erstes Beispiel amerikanischer Expansion schildert Adas die erzwungene Öffnung Japans durch kombinierte Handels- und Militärmissionen. Aus Memoiren beteiligter Kommandeure rekonstruiert er, wie die Demonstration technischer Geräte, vor allem Dampfmaschinen und Feuerwaffen, Eindruck auf japanische Offizielle machte und diese zur Etablierung weiterer Kontakte bewegte. Damit leistet Adas einen wertvollen Beitrag zu einer zuletzt wiederholt angeregten kulturwissenschaftlichen Betrachtung der Diplomatiegeschichte.2 Auch die Kolonialisierung der Philippinen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird unter dem Signum des „technologischen Imperativs“ betrachtet. Technische Großprojekte wie der Straßenbau, die Errichtung von Dämmen und Wasserkraftwerken oder die Wasserversorgung der Städte sollten die als rückständig empfundenen Regionen an den Segnungen der westlichen Zivilisation teilhaben lassen – und zur Not mussten Menschen auch mit militärischer Gewalt zu ihrem Glück gezwungen werden. So geschah es auf den Philippinen; aber auch etwa in Lateinamerika griffen die USA allein zwischen 1898 und 1934 rund 30 Mal militärisch ein.

Die Vereinigten Staaten schickten sich zu dieser Zeit an, die europäischen Mächte als „Herren der Welt“ abzulösen. Schon in dieser Phase um 1900 tat sich jedoch ein Paradox auf: Auf der einen Seite grenzte sich Amerika vom Kolonialismus und Rassismus der europäischen Kolonialmächte ab. Die schlechten Lebensbedingungen auf den Philippinen wurden der jahrhundertelangen unterdrückenden Kolonialmacht Spanien angelastet. Die „Zivilisierungsmaßnahmen“ fußten auf kulturalistischen, nicht ethnischen Erklärungsmustern, auch wenn biologischer Rassismus innerhalb der USA zu dieser Zeit beileibe keine Seltenheit war. Dennoch übernahmen Amerikaner zu dieser Zeit Elemente des europäischen imperialen Diskurses, der die Kolonialisierten überwiegend als „passiv“, „faul“, „schmutzig“, „weiblich“ oder „kindlich-ausschweifend“ beschrieb – im Gegensatz zum männlich-rational-effizienten Selbstbild. Auch die Klassifizierung des anderen als „rückständig“ begann zu dieser Zeit und sollte prägend für die Modernisierungstheorien des Kalten Krieges werden.

Zunächst aber betrachtet Adas die Auswirkungen des technologischen Imperativs innerhalb der USA. Zur Zeit der ‚Great Depression‘ der 1930er-Jahre fand die im Ausland erprobte Planungsidee und die Begeisterung für Hochtechnologie ihren Widerhall in den staatlichen Großprojekten des ‚New Deal‘. Die Golden Gate Bridge und zahlreiche Dammbauten sind nicht nur bis heute beeindruckende Zeugnisse der Zeit, bereits in ihrer Bauphase fanden sie eine kulturdiplomatische Verwendung: Delegationen aus zahlreichen Ländern, etwa aus Lateinamerika und sogar aus der Sowjetunion, wurden über die Baustellen geführt und sollten so einen Eindruck von den technischen Fähigkeiten der USA in die Welt tragen. Dieser Aufbau des Buches betont multilaterale Einfluss- und Transferphänomene und folgt so, ohne explizit darauf einzugehen, aktuellen Einsichten des Transnationalismus und der ‚global history‘.3

Der Sieg im Zweiten Weltkrieg, den die USA nicht zuletzt durch ihre fortschrittliche Technik errungen, verstärkte noch einmal den Glauben an die Überlegenheit des ‚american way‘ – das Ausmaß des Schocks, den ein kleiner piepender sowjetischer Satellit 1957 in den Vereinigten Staaten auslöste, findet in Adas‘ Ansatz eine plausible Erklärung: Erstmals war die technische Überlegenheit der USA vor den Augen der Weltöffentlichkeit in Frage gestellt worden! Den Kalten Krieg sieht Adas nicht zuletzt als eine Auseinandersetzung zweier Modernisierungskonzepte für die Dritte Welt, eine These wie sie zuletzt auch Odd Arne Westad vertreten hat.4 So blutige Konsequenzen die Systemauseinandersetzung für Millionen Menschen in der Dritten Welt hatte, im Grunde, so Adas wie Westad, hatten die sowjetischen und amerikanischen Konzepte aber mehr gemeinsame als divergierende Vorstellungen: Beide perpetuierten eurozentrisches Überlegenheitsdenken, beide waren zutiefst von der Notwendigkeit technologischer Innovation und angewandter Wissenschaft überzeugt, beide sahen Industrialisierung als nötigen Schritt zu einer Verbesserung der Menschheit und beide ignorierten bis in die 1970er-Jahre völlig die ökologischen Konsequenzen ihres Tuns. Nicht zuletzt zeigten beide Seiten eine erstaunliche Toleranz gegenüber diktatorischer Herrschaft, solange die Potentaten nur ihrem jeweiligen Lager gegenüber Loyalität bewiesen. Nicht ganz nachzuvollziehen ist dagegen Adas‘ These, dass gerade diese Parallelen zwischen den beiden Supermächten einen direkten Kriegsausbruch verhinderten.

Detailliert beschreiben die letzten Kapitel die Kriege in Vietnam und im Irak. Eine „Techno-Hybris“ (S. 412), das völlige Unvermögen, sich eine Niederlage auch nur vorzustellen, so Adas, war der Grund für die Eskalation in Vietnam, die Ignoranz komplexerer historischer und kultureller Gegebenheiten der Grund für die Niederlage. Die seitenlange, emphatische Aufzählung von Gräueltaten und zivilen Opfern des Krieges trägt dann weniger zur Untermalung der These bei, sondern ist wohl eher als deutlicher Ausdruck der politischen Haltung des Autors zu diesem Einsatz zu sehen. Geschickt zeigt er aber, welche Auswirkungen die Erfahrungen des Vietnamkriegs wiederum auf die gesteuerte mediale Repräsentation des Irakkriegs hatten. Selbst moderate Schätzungen gehen von mehreren 10.000 Toten als direktem Resultat der Kampfhandlungen aus, mehrere 100.000 Menschen starben an den Folgen von Krieg und Embargo. Das mediale Bild aber entsprach diesmal dem technozentrischen amerikanischen Weltbild: Fast perfekt gelang es, den blutigen Krieg als eine technische Meisterleistung zu inszenieren, in dem Präzisionswaffen mit geringstmöglichem Kollateralschaden für das Wohl der Menschheit eingesetzt wurden.

Adas schließt mit den Anschlägen des 11. September 2001. Es wird zwar nicht ganz klar, ob er die Ereignisse als Ende des amerikanischen Exzeptionalismus und des Technikglauben sieht, das Fazit, das er für die Lage der USA von heute zieht, ist jedenfalls ein düsteres: Bedroht von Guerilla-Terroristen, gegen die überlegene Technik nichts bewirkt, untergrabe das Land mit Maßnahmen der „homeland security“ die Grundlagen seiner Bürgerrechte, seines multiethnischen Zusammenlebens und damit seiner Demokratie – ein mögliches Erklärungsmuster für die Debatte um den Aufstieg und besonders den Niedergang von Imperien.

Die Schlussfolgerung mag etwas drastisch ausfallen, dennoch liefert Adas eine faszinierende, teilweise sehr kritische Analyse des amerikanischen Selbstverständnisses. Dessen vielschichtigen Repräsentationen verfolgt er in zahlreichen (wenn auch ausschließlich amerikanischen) Text- und Bildquellen, berücksichtigt immer wieder auch Fragen nach Geschlecht, Rasse und Klasse, aber auch der Globalgeschichte – und gesteht an verschiedenen Stellen auch ein, dass Technikgläubigkeit in der Moderne kein amerikanisches Spezifikum war.5 Aber sie war eine Grundlage für 150 Jahre amerikanischer „Zivilisierungsmissionen“ und hat damit die USA und den Rest der Welt nachhaltig geprägt.

Anmerkungen:
1 Vgl. beispielsweise: <http://www.youtube.com/watch?v=GpcGwb82ea8&feature=relatedated> ;
<http://en.wikipedia.org/wiki/Vorsprung_durch_Technik> (03.10.2008).
2 Vgl. etwa Susanne Schattenberg, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Außenpolitik, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 56 (2008), 1, S. 3-26.
3 Zuletzt Sebastian Conrad / Andreas Eckert / Ulrike Freitag (Hrsg.), Globalgeschichte. Ansätze, Theorien, Methoden, Frankfurt 2007, darin v.a. die Einleitung von Sebastian Conrad und Andreas Eckert, sowie: Michael Werner / Bénédicte Zimmermann, Beyond Comparison. Histoire Croisée and the Challenge of Reflexivity, in: History and Theory 45 (2006), S. 30-50.
4 Odd Arne Westad, The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of our Times. Cambridge 2006.
5 Adas zieht ausschließlich englischsprachige Literatur zur Rate, vgl. daher etwa für die UdSSR: Klaus Gestwa, Die Stalinschen Großbauten des Kommunismus. Technik- und Umweltgeschichte der Sowjetunion, 1948-1967 (im Erscheinen); weltweite Beispiele bei: Dirk van Laak, Weiße Elefanten. Anspruch und Scheitern technischer Großprojekte im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999.

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