Die Schließung der Sektorengrenze in Berlin am 13. August 1961 gilt in der Öffentlichkeit vielfach als der Höhe- und Wendepunkt der zweiten Berlin-Krise. Weil die Massenflucht, mithin die Destabilisierung der DDR, gestoppt worden sei, habe Chruschtschow keinen Grund mehr gesehen, die Forderung nach einem Friedensvertrag zwecks Beseitigung der westlichen Präsenz und Einbeziehung der Westsektoren in seinen Machtbereich zu forcieren. Das glaubte auch sein Hauptwidersacher Kennedy und war daher eher erleichtert als besorgt. In Wirklichkeit jedoch waren, wie Matthias Uhl anhand der von ihm in großem Umfang erschlossenen sowjetischen Geheimdokumente über das militärische Vorgehen nachweist, die Sperrmaßnahmen nur als erster Schritt gedacht, der wegen akuter Gefährdung des SED-Regimes vorgezogen werden musste. Der Kremlchef war nach wie vor entschlossen, den Westmächten ihre Rechte in Berlin durch den separaten Abschluss des Friedensvertrages mit der DDR zu nehmen, falls nicht sie zur freiwilligen Räumung ihrer Position bereit sein würden. Wenn notwendig, wollte er auch einen Nuklearkrieg nicht scheuen. Die Welt stand, ohne dass sie dessen gewahr wurde, am Rand des Abgrunds.
Dass Chruschtschow von seinem Entschluss abrückte, war auf Einsichten aus dem Verlauf des Manövers "Burja" zurückzuführen, das er veranstalten ließ, um den Westen zu beeindrucken und den gegebenenfalls zu führenden Kernwaffenkrieg zu proben. Dabei stellten sich neben unerwarteten Mängeln der Koordination und sonstiger Art, die nicht in kurzer Zeit zu beheben waren, Vernichtungswirkungen heraus, mit denen man im Kreml nicht gerechnet hatte. Diese machten nicht nur den vorgesehenen raschen Vorstoß bis zum Atlantik höchst zweifelhaft, sondern erstreckten auch die flächendeckende Zerstörung auf die UdSSR in einem Umfang, der blankes Entsetzen hervorrief. Angesichts dieser Perspektive schreckte Chruschtschow, den die Auslandsaufklärung schon im Sommer gewarnt hatte, dass die USA vor der Drohung mit einem Krieg nicht zurückweichen würden, von seinem Vorhaben zurück. Erst im Herbst 1961 fiel daher die Entscheidung, sich mit den – sich zur Mauer entwickelnden – Sperranlagen an der Sektorengrenze zufrieden zu geben.
Die beiden Berlin-Ultimaten, die Chruschtschow den Westmächten im November 1958 und im Juni 1961 stellte, erfüllten jeweils nicht die damit verbundene Erwartung. Das lag vor allem daran, dass die UdSSR nicht über die militärische Stärke verfügte, die der Kremlchef ihr zuschrieb. Es gelang ihm zwar, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass sein Land nach dem erfolgreichen Start des ersten Erdsatelliten ein überlegenes Raketen- und Nuklearpotenzial besitze, doch konnte er die USA mit diesem Bluff nicht einschüchtern, denn diese verfügten über Luftaufnahmen, welche die haushohe Unterlegenheit der sowjetischen Seite erkennen ließen. Chruschtschow zog aus ihrer fehlenden Bereitschaft zum Nachgeben die Konsequenz, dass er sich – außer um die energische Weiterführung der bisher schon vorangetriebenen nuklearstrategischen Rüstung – um die Verstärkung der konventionellen Streitkräfte bemühte, die er bis dahin als unwichtig angesehen und daher reduziert hatte. Der Warschauer Pakt, dem bis dahin eine wesentlich politische Rolle zugewiesen worden war, wurde zu einem ausgeprägt militärischen Bündnis, entwickelte eine Offensivstrategie für den Kriegsfall in Europa und wies den anderen Mitgliedern die Erfüllung von Kampfaufgaben an der Seite der sowjetischen Truppen zu.
Nachdem Chruschtschow diese Veränderungen Anfang 1961 eingeleitet hatte, war er sich zwar weiter dessen bewusst, dass die USA eine global-strategische Überlegenheit besaßen, unterschätzte aber deren Ausmaß und glaubte zudem nach wie vor an die Wirksamkeit seines Bluffs. Zugleich glaubte er sich auf dem europäischen Schauplatz im Besitz einer so starken Position, dass er es wagen konnte, die Herausforderung an den Westen zu erneuern. Die – von ihm mit einem Wutausbruch beantworteten – militärischen Gegenmaßnahmen Kennedys und die warnenden Hinweise der sowjetischen Auslandsaufklärung ließen jedoch daran zweifeln, dass er ohne militärische Auseinandersetzung zum Ziel gelangen werde. Daher sah er sich genötigt, sich ernstlich auf die Eventualität eines umfassenden Nuklearkrieges einzustellen. Nachdem ihm das Manöver "Burja" gezeigt hatte, dass ein bewaffneter Konflikt mit den USA katastrophale Folgen haben würde, sah er sich genötigt abzuwarten. Wenn er im folgenden Jahr mit der Raketenstationierung auf Kuba eine – freilich immer noch nicht entscheidende - Veränderung des Kräfteverhältnisses hätte herbeiführen können, hätte er sich möglicherweise in der Lage gefühlt, die Konfrontation endlich riskieren zu können.
Chruschtschow wollte sich freilich nicht mit einer Position relativer Schwäche abfinden. Hatte er zuvor darauf gesetzt, durch Ausspielen der vermeintlichen Überlegenheit des sozialistischen Systems auf dem Feld der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf längere Sicht die Oberhand über den Westen zu gewinnen, so hielt er nunmehr – wie später auch seine Nachfolger – eine überlegene militärische Stärke für unerlässlich. Die deshalb eingeleitete umfassende Aufrüstung hatte enormen Folgen nicht nur für die UdSSR, sondern auch für den weiteren Verlauf des Kalten Krieges. Die materiellen Ressourcen wurden übermäßig von der Aufrüstung beansprucht. Der "militärisch-industriell-akademische Komplex" hatte das Sagen; die Erfordernisse der Zivilwirtschaft fanden kaum Berücksichtigung.
Das war fatal, denn die ökonomischen Kräfte waren – anders als Chruschtschow glaubte –, unter den Bedingungen des Sozialismus nicht stärker, sondern erheblich schwächer als im Westen. Seit der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre musste die sowjetische Führung zunehmend erkennen, dass die Rüstung die Leistungsfähigkeit des Landes überforderte und damit nicht nur den angestrebten Wohlstand, sondern auch die Existenz des Imperiums in Frage stellte. Dennoch hielt man an ihr fest, weil man sich in einem unversöhnlichen Gegensatz zum Westen sah, diesem einen systembedingten Aggressionswillen unterstellte und Sicherheit im drohenden Nuklearkrieg haben wollte. Als Gorbatschow dem aussichtslosen Bemühen ein Ende machte, war es zu spät: Die ökonomische Überbeanspruchung hatte inzwischen eine Situation geschaffen, die zur Grundlage des Zusammenbruchs wurde.
Matthias Uhl hat mit seiner eingehenden, auf guten Quellen beruhenden Untersuchung der sowjetischen Militär- und Sicherheitspolitik einen wichtigen Beitrag nicht allein zur Erhellung der Vorgänge in der zweiten Berlin-Krise geleistet, die mit ihren heftigen Nachwehen 1963 fünf Jahre anhielt, damit die längste Phase der Konfrontation zwischen Ost und West in der Nachkriegszeit wurde und, wie aus dem Buch hervorgeht, durchaus mit Kriegsgefahr verbunden war. Auch nachdem die UdSSR im Herbst 1963 die direkten Angriffe gegen das Recht der Westmächte auf Anwesenheit in Berlin und Zugang dorthin eingestellt hatte, blieb der Konflikt grundsätzlich bestehen und kam in wiederholten begrenzten Aktionen gegen die Bundespräsenz zum Ausdruck, so dass er eigentlich erst durch die Modus-vivendi-Regelung des Vier-Mächte-Abkommens von 1971 beigelegt wurde.
Die vorliegende Monographie zeigt, dass die Erfahrung, der eigenen Politik wegen unzureichender militärischer Mittel keinen genügenden Nachdruck verleihen zu können, das Verhalten der Kremlführung bis Mitte der 1980er-Jahre prägte, als mit Gorbatschow eine neue Generation ins Amt kam, die im Blick auf den fortgeschrittenen Niedergang neue Prioritäten setzte. Die Analyse der sowjetischen Militär- und Sicherheitspolitik in der zweiten Berlin-Krise beleuchtet daher zugleich Kernprobleme des Kalten Krieges überhaupt. Das Buch von Matthias Uhl, die auch eine knappe, dennoch mit einigen neuen Ergebnissen aufwartende einleitende Darstellung der militärischen Konzepte in der vorangegangenen Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg umfasst, ist hervorragend recherchiert und enthält klare Aussagen. Ihm sind möglichst viele Leser – Historiker wie Laien mit zeitgeschichtlichem Interesse – zu wünschen.