H. O. Bizzarri u.a. (Hrsg.): La mort du roi: réalité, littérature, représentation

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Titel
La mort du roi: réalité, littérature, représentation. Der Tod des Königs: Realität, Literatur, Repräsentation


Herausgeber
Bizzarri, Hugo O.; Rohde, Martin
Reihe
Scrinum Friburgense (52)
Erschienen
Wiesbaden 2021: Reichert Verlag
Anzahl Seiten
296 S.
Preis
€ 89,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Weber, Lehrstuhl für die Geschichte des Früh- und Hochmittelalters und Historische Hilfswissenschaften, Ruhr-Universität Bochum

Den Tod des Herrschers charakterisiert Hugo Bizzarri in der Einführung zum hier zu besprechenden Band als eines der transzendentesten Ereignisse im politischen Leben des Mittelalters: Er leitet den Übergang zu einer neuen politischen und sozialen Ordnung ein (S. 8). Die Auseinandersetzung mit dem Tod des Königs im Mittelalter hat in den vergangenen Jahren eine intensive Aufbereitung erfahren, insbesondere das Sterben und der Tod der fränkischen und römisch-deutschen Könige ist dabei in den Mittelpunkt gerückt.1 Diese Arbeiten richten ihren Blick dabei nicht allein auf die niemals sicher zu rekonstruierenden tatsächlichen Todesumstände einzelner Herrscher, sondern gehen den Entstehungsbedingungen insbesondere historiographischer Nachrichten nach, die den Herrschertod zwischen Ideal („guter Tod“), Wirklichkeit und Polemik verorten.

Einen auf den ersten Blick vergleichbaren Anspruch verfolgt auch der hier zu besprechende, aus einem im Jahr 2019 in Fribourg (Schweiz) abgehaltenen Kolloquium heraus entstandene Band. Anders als die zuvor benannten monographischen Arbeiten präsentiert sich das Werk aber in gleich mehrfacher Hinsicht in deutlich heterogenerer Form. Dies liegt einerseits an der Bandbreite der versammelten Beiträge, die sowohl zeitlich das gesamte Mittelalter umspannen (mit allerdings klarem Schwerpunkt auf dem späteren Mittelalter) als auch geographisch keinen Schwerpunkt erkennen lassen, den Blick nach Spanien, Frankreich, Deutschland und sogar die islamische Welt richten. Andererseits werden, neben der Analyse historio- und hagiographischer Quellen, umfassend auch literarische Zeugnisse zur Diskussion gebracht. Dadurch wird etwa der Tod Alexanders des Großen – der im Mittelalter umfassenden literarischen Widerhall gefunden hat – einer ausgiebigen Betrachtung unterzogen. Der vorliegende Band befasst sich verstärkt mit der Verflechtung von Geschichte, Zeremonien und literarischem Diskurs. Konkret setzt er sich zum Ziel, sich mit Riten und Zeremonien im Umfeld des Todes, den Königsgräbern und ihren Standorten, legendären Erzählungen über den Tod des Königs, grundsätzlich mit allen Aspekten, die diesen wichtigen Moment für einen König, sein Umfeld und das von ihm zurückgelassene Königreich darstellen, auseinanderzusetzen (S. 13). Diesem umfassenden Anspruch können die einzelnen Beiträge nur in eingeschränktem Maße gerecht werden.

Der Band setzt sich neben einer knappen Einführung (S. 7–14) aus insgesamt 14 Beiträgen zusammen, die in französischer (neun), englischer (zwei) und deutscher Sprache (drei) abgefasst sind. Neben zwölf dem Band beigefügten Farbillustrationen schließt das Werk mit einem Personenverzeichnis und einer sinnvollen Übersicht der in allen Beiträgen verwendeten historiographischen und literarischen Quellenwerke. Etwas überraschend wurde auf ein Verzeichnis der Orte verzichtet. Dies verwundert insbesondere ob der vielfach und zurecht herausgestellten Bedeutung von Herrschergräbern, die nicht allein ob ihrer kunstvollen Gestaltung, sondern gerade wegen ihrer Verortung in einer bestimmten Stadt (auf Wunsch des Verstorbenen oder auf Initiative von Hinterbliebenen, nicht selten verbunden mit einer oder sogar mehrfachen Umbettungen) als politische Signale verstanden werden müssen.

Die erste Sektion (drei Beiträge, S. 17–68) steht unter der Überschrift der literarischen Repräsentation des Königstodes. Deutlich können die Beitragenden zeigen, mit welch unterschiedlicher Intention herrscherliche Todesfälle ihren Eingang in die Literatur des Mittelalters gefunden haben. Besonders im Fokus steht dabei Alexander der Große, dessen Ableben nicht nur eine große Rezeption in islamischer Literatur, sondern auch in Europa in ganz unterschiedlicher Prägung seinen Niederschlag gefunden hat. Catherine Gaullier-Bougassas gelingt es hierbei überzeugend zu demonstrieren, wie different der Tod Alexanders im ausgehenden 12. sowie im beginnenden 14. Jahrhundert in volkssprachlicher Literatur inszeniert worden ist. Im „Alexanderroman“ Alexanders von Paris (um 1180) begegnet ein Alexander, der jegliche Unterordnung unter eine göttliche Macht ablehnt und sich einzig irdische Ziele setzt unabhängig von einem Schicksal in einem postmortalen Jenseits. Gut 250 Jahre später skizziert Jean de Courcy in seiner „Bouquechardière“ einen Alexander, der demütig die Grenzen seiner menschlichen Existenz und den Willen Gottes akzeptiert, und dessen Aufgabe es ist, den christlichen Monotheismus vorzubereiten. Noch deutlicher hätte auf die Entstehungsumstände der Werke eingegangen werden können, doch zeigt die erste Sektion, welches Potential auch die Analyse literarischer Zeugnisse erbringen kann.

Die zweite und umfangreichste Sektion (sechs Beiträge, S. 71–183) widmet sich der Art und Weise, wie der Tod des Königs erzählt wird. Einen besonderen Schwerpunkt bilden hierbei Form und Funktion des Todes verschiedener Könige insbesondere in Kastilien. Fragen zu den Ritualen vor dem Tod kastilischer Könige, die keine Entsprechung im Rest Mitteleuropas finden, zur Rolle von Begräbnisdichtungen oder der einflussreichen Position der Gemahlinnen und Töchter verstorbener Könige in Kastilien, Pamplona und León stehen im Vordergrund. Doch auch wenn sich ein Großteil der Beiträge dieser Sektion der Iberischen Halbinsel und insbesondere Kastilien zuwendet, besteht dennoch kein inhaltlicher Zusammenhang, Querbezüge werden nicht hergestellt. Zeitlich reichen die Beiträge vom 10. bis zum 15. Jahrhundert und bieten daher ein weites Panorama an. Während sich überhaupt mit einer Ausnahme alle Beiträge des Bandes einen exemplarischen Untersuchungsgegenstand – eine Person, Personen eines geographischen Raumes, ein oder mehrere im Vergleich analysierte Werke – herausnehmen, stellt einzig die Studie von Michail A. Bojcov einen umfassenderen Überblick zum Thema dar. Mit der Frage, zu welchem Zweck und mit welchen Methoden die Leichen verstorbener Könige konserviert worden sind, betritt er im Grunde bekanntes Terrain.2 Dennoch gelingen ihm in Details die bisherige Forschung ergänzende Einblicke insbesondere in Bezug auf die Verbreitung und Umsetzung der invasiven Einbalsamierung (somit nach zuvor erfolgter Entnahme der Innereien).

Die abschließende dritte Sektion (fünf Beiträge, S. 187–272) stellt Studien über den Tod einzelner Könige in den Mittelpunkt. Neben Heinrich VII., Robert von Anjou, Karl V. von Frankreich und Friedrich III. begegnet mit Chlodwig der einzig dem Frühmittelalter zuzuweisende Protagonist. Alle Beiträge untersuchen die Konstitutionsbedingungen der die einzelnen Todesfälle überliefernden historiographischen Zeugnisse, stehen dabei vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen. Anne-Marie Helvetius etwa begegnet dem altbekannten Problem mangelnder Überlieferung zum Tod Chlodwigs, fokussiert sich aber auf die schon zuvor deutlich gemachte Orientierung dessen am oströmischen Kaiser Konstantin. Diese Identifizierung mit Konstantin kann sie anhand der von Chlodwig in Paris errichteten Basilika untermauern. Zahlreicher Überlieferung steht dagegen Hans-Joachim Schmidt gegenüber, die den plötzlichen Tod Heinrichs VII. mal infolge einer Krankheit, mal als heimtückischen Mord bewertet. Schmidt seziert die einzelnen Stellen und kann Intention und Abfassungsumstände benennen.

Insgesamt enthält der Band 13 jeweils für sich genommen gute Spezialstudien (einzig der erste Beitrag von Bojcov weist übergreifenden Charakter auf), die allerdings zum Gesamtkonzept des Bandes jeweils nur in Teilen Anschlussfähigkeit zeigen und untereinander keinerlei Querbezüge herstellen – obwohl dies an vielen Stellen durchaus möglich gewesen wäre, zu nennen wären hierbei nur die sich in Einzelaspekten wiederholenden Beiträge zur Iberischen Halbinsel oder zu Alexander dem Großen. Grundwissen zu Vorstellungen von Sterben und Tod im Mittelalter wird nur beiläufig erwähnt, vielmehr an vielen Stellen eher stillschweigend vorausgesetzt, Vorkenntnisse sind daher empfehlenswert. Dennoch bietet der Band ein breites Panorama herrscherlichen Sterbens im Mittelalter ab, das die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Umgang mit diesem Thema zeitlich, geographisch und gattungsspezifisch exemplarisch aufzuzeigen vermag.

Anmerkungen:
1 Vgl. Manuel Kamenzin, Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150–1349) (Mittelalter-Forschungen 64), Ostfildern 2020; Mike Janßen, Wie das Leben so der Tod. Sterbedarstellungen von Kaisern und Königen in der Historiographie des früheren Mittelalters (Studien zu Macht und Herrschaft 4), Göttingen 2021.
2 Vgl. etwa Romedio Schmitz-Esser, Der Leichnam im Mittelalter. Einbalsamierung, Verbrennung und die kulturelle Konstruktion des toten Körpers (Mittelalter-Forschungen 48), Ostfildern 2016.

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