Der Charakter des Ersten Weltkriegs als globale militärische Auseinandersetzung ist in der Vergangenheit aufgrund der historiographischen Fokussierung auf den europäischen Kriegsschauplatz in den Hintergrund getreten. Dabei kämpften Mittelmächte und Alliierte auf nahezu allen Kontinenten, beispielsweise in den damaligen deutschen Schutzgebieten und auch in Palästina. Das Unterfangen von Norbert Schwake, Arzt im Hospital der Barmherzigen Brüder in Nazareth und seit 2001 zuständig für den dortigen Soldatenfriedhof, ist daher eine Arbeit, die die „weißen Flecken“ auf der Forschungskarte des Ersten Weltkriegs füllen kann. Jedoch handelt es sich um keine geschichtswissenschaftliche Analyse – mit den Worten des Autors um „kein akademisches 'Paper' mit allen Raffinessen“ (S. 8) –, sondern um ein erinnerungskulturell angelegtes Werk. Das Anliegen ist ein dokumentarisches, denn Ziel war es, „jeden einzelnen der in Israel begrabenen deutschen Soldaten aus seiner Anonymität zu holen“ (S. 8). Ebenso anekdoten- wie faktenreich schildert der Autor die Todesumstände buchstäblich eines jeden deutschen Gefallenen und liefert biographische Informationen zu dessen Familienangehörigen. Es handelt sich dabei um eine durch zahlreiche Details der militärischen Operationen erweiterte Gefallenenliste in Prosa. Schließlich zeigt der Autor, welcher Gefallene wann, wo und unter welchen Umständen bestattet und gegebenenfalls umgebettet wurde. Den Rest der Darstellung widmet er der Gründungsgeschichte des zentralen deutschen Gefallenenfriedhofs in Nazareth.
Im Jahr 1918 befanden sich insgesamt 16.000 deutsche Soldaten in Palästina. Sie waren in Stäben der türkischen Armee, als einfache Soldaten oder als Kommandeure verschiedener Militäreinheiten eingesetzt. Unterstützt wurden sie durch deutsche Fliegereinheiten. Militärisch waren die Kriegsjahre in der Levante ein Fiasko. Für die osmanischen Truppen mit deutscher bzw. österreichischer Beteiligung handelte es sich um einen kontinuierlichen Rückzug, nachdem der Vorstoß auf den Suez-Kanal gescheitert war. Um 1917 befand sich die Frontlinie in Höhe der Stadt Gaza, wo mehrfach heftige Gefechte mit den Briten tobten. Im Dezember 1917 nahmen diese Jerusalem ein, zwei Monate später auch Jericho. Von einem Zusammenbruch der deutsch-türkischen Linien kann allerdings erst im September 1918 gesprochen werden, als die Briten bis nach Amman und Damaskus vordrangen. Der zweite Teil des Buchs widmet sich den Nachkriegsjahren und den Bemühungen, Kriegsgefallene und ihre Gräber zu identifizieren und letztlich einen zentralen Gedenkort in Nazareth einzurichten. Privatleute bzw. deutsche Diplomaten bemühten sich in den 1920er-Jahren gegenüber den Briten um eine würdige Bestattung der deutschen Soldaten. Nach mitunter beschwerlichen Verhandlungen und einer nicht minder komplizierten Realisierungsphase konnte der deutsche Soldatenfriedhof am 30. Juni 1935 eingeweiht werden. Die Veranstaltung wurde von den Nationalsozialisten politisch instrumentalisiert: die Festredner betonten die ritterliche „Gesinnung“ der deutschen Opfer und nutzten die Gelegenheit zu antibritischer Polemik. Selbstredend waren jüdische Palästina-Auswanderer aus Deutschland nicht eingeladen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte der Friedhof zum Standard-Besuchsprogramm bundesdeutscher Politiker in Israel.
Für die weitergehende Analyse des Weltkriegs ist festzuhalten, dass das Thema der deutschen Soldaten(gräber) in Palästina in dreifacher Hinsicht, nämlich geographisch, chronologisch und erinnerungskulturell, überlagert ist: Erstens ist über die Palästina-Front im Gegensatz zum europäischen Kriegsschauplatz wenig bekannt. Zweitens sind die Begebenheiten des Zweiten Weltkriegs um den „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel weit besser erschlossen als die Operationen zwischen 1914 und 1918. Und drittens haben deutsche Gräber in Palästina angesichts des Holocaust-Gedenkens kaum Platz im kollektiven deutschen Gedächtnis.
Welchen Wert hat die nach über neunzig Jahren doch recht spät einsetzende Trauer- und Gedenkarbeit für die Gefallenen? Im Bereich des kommunikativen Gedächtnisses gibt es dafür keinen Raum mehr, da nicht nur die einstigen Überlebenden, sondern wohl auch sämtliche unmittelbaren Angehörigen gestorben sind. Dem Autor scheint es um mehr zu gehen: um die Verankerung positiver soldatischer Werte im kollektiven Gedächtnis. Darauf deuten einige Aussagen hin, die man als positive Umdeutung betrachten kann: so ist von der „Rettung des palästinensischen Judentums durch das deutsche Militär im Ersten Weltkrieg“ (S. 12) die Rede, und der deutsche Oberbefehlshaber Oberst Kreß von Kressenstein erscheint als ziviler Wohltäter, der der „hungernden Bevölkerung [half], indem er ihr aus seinen mit viel Mühe gefüllten Armeemagazinen Getreide verteilen ließ“ (S. 33). Auch wird die Verantwortung der deutschen Militärs beim Armenier-Genozid relativiert. Es trifft zu, dass Deutsche zwar nicht direkt beteiligt waren, jedoch durchaus entsprechende Deportations-Befehle für Armenier ausgegeben bzw. mitgetragen haben, die dann offenbar von Türken ausgeführt wurden.
Schwakes Darstellung, die mit zahlreichen Fotos vorzüglich ausgestattet ist, erlaubt Einblicke in die militärischen Aktionen und in die Kampfesweise. Dabei zeigt sich, dass für den palästinensischen Kriegsschauplatz die Vorstellung vom industriellen Massenkrieg weitgehend zu revidieren ist. Dies schlug sich auch in der Bestattungskultur nieder, die noch nicht die anonymisierte Form wie an der Westfront angenommen hatte. Insbesondere die Flieger pflegten einen Kult der Ritterlichkeit und informierten gegebenenfalls den Gegner mit abgeworfenen Flugblättern über das Schicksal der Gefangenen bzw. Gefallenen. Doch handelte es sich keineswegs um ein Kriegsidyll, auch wenn einige der Fotos dies andeuten möchten. Hitze, Durst und eine harte militärische Auseinandersetzung mit zahlreichen Opfern deuten auch hier das Grauen des Krieges an.
Das Buch liefert detaillierte Informationen über die Kampfhandlungen und das Schicksal der einzelnen Soldaten und zeugt von der Akribie und Sorgfalt des Autors. Will man aber nicht einem heutzutage unangemessenen Gefallenenkult aufsitzen, so muss der Leser sich selbst um eine kritische Distanz zum damaligen Geschehen bemühen.