Cover
Titel
Grundkurs Fernsehanalyse.


Herausgeber
Faulstich, Werner
Reihe
UTB Bachelor-Bibliothek
Erschienen
München 2008: UTB
Anzahl Seiten
237 S.
Preis
€ 18,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Großmann, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Der Bolognaprozess erfährt zehn Jahre nach seinem Beginn eine kritische Debatte in der Öffentlichkeit. Auch im akademischen Buchmarkt hat die Umstellung der Studiengänge ihre Spuren hinterlassen, insbesondere dort, wo für Studenten der neu konzipierten Bachelor-Studiengänge geschrieben wird. Auch der „Grundkurs Fernsehanalyse“ ist in der Reihe „UTB Bachelor-Bibliothek“ erschienen, was für den Verfasser offenbar Einschränkungen bedeutet hat. Werner Faulstich ist einer der bekanntesten Medienwissenschaftler Deutschlands mit einer beeindruckenden Forschungs- und Publikationsbilanz. Doch der Versuch des Verlages, diese geballte Kompetenz auf engsten Raum zu begrenzen, hinterlässt eine Reihe von Ambivalenzen.

Der „Grundkurs Fernsehanalyse“ will eine auffällige Leerstelle in der Literatur für Anfänger ohne medienwissenschaftliche Grundkenntnisse füllen. Faulstichs Ziel ist dabei, „Fragestellungen, Kategorien, Methoden und bisherige Befunde der Fernsehanalyse auf eine Weise aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen, die ihre unmittelbare Anwendung im Transfer auf das aktuelle Programmangebot erlaubt.“ (S. 8) Genauer gesagt geht es um ein „besseres analytisches Verständnis von aktuellen Fernsehsendungen anhand der Verfahren und Ergebnisse der Untersuchung früherer Sendungen.“ (S. 8) Mit diesem medienwissenschaftlichen, stark auf die Fernsehinhalte fokussierten Zugang grenzt sich Faulstich von zwei anderen Einführungen in das Thema ab. Während Klaus Plakes „Handbuch Fernsehforschung“ eher historisch-theoretisch sowie kommunikationswissenschaftlich angelegt ist 1, argumentiert Knut Hickethier für gemeinsame Methoden der Film- und Fernsehanalyse 2, was Werner Faulstich aus medientheoretischer Sicht ablehnt. Für ihn funktioniert der Kinofilm anders als eine Fernsehsendung, die in ein Gesamtprogramm eingebettet ist. Dies gelte auch für Kinofilme im Fernsehen. (S. 131f.)

Faulstichs Kartografie der Forschungsfelder umfasst drei Teile. Beginnend mit seiner Definition von Fernsehen als „ein institutionalisiertes System um einen organisierten Kommunikationskanal von spezifischem Leistungsvermögen mit gesellschaftlicher Dominanz“ (S. 10) führt Faulstich in „Fernsehen als Gegenstand der Analyse“ ein. Dabei werden die mehreren möglichen Untersuchungsebenen – angefangen von der Medienanalyse, der Kommunikationsanalyse bis zur Produktanalyse – mit ihren vielfältigen Unteraspekten vollständig, aber nur sehr knapp umrissen. Die enorme inhaltliche Dichte und die Fülle unverzichtbarer Fachbegriffe, die allerdings oft unerklärt bleiben müssen, dürfte für Anfänger im medienwissenschaftlichen Bereich eine gewisse Herausforderung darstellen. Sehr hilfreich sind dagegen die ausführlichen Literaturhinweise jeweils direkt im Anschluss an die Unterkapitel. Hier finden sich auch Titel der im Buch ausgeklammerten Bereiche, wie z. B. der sozialwissenschaftlich ausgerichteten kommunikationswissenschaftlichen Forschung.

Der eindeutige Schwerpunkt des Buches und das medienwissenschaftliche Hauptinteresse des Autors liegt auf Fernsehen als Programm und Fernsehanalyse als Produkt- bzw. Sendungsanalyse. Entsprechend breiten Raum nimmt daher die Behandlung von 17 Genres des aktuellen Fernsehprogramms ein, wobei sich der Bogen von Quizsendungen über Fernsehnachrichten und Werbesendungen bis zu religiösen Sendungen wie das „Wort zum Sonntag“ spannt. Faulstich analysiert die Programmgenres konsequent anhand von fünf Analysekategorien, was eine Basis für Vergleiche schafft. Zu den in der Praxis bewährten Kategorien der Fernsehanalyse zählt Faulstich neben den Subgenres die Themen und Objekte einer Sendung, die Rollen und Figuren, die Bauformen und Stilmerkmale sowie die impliziten Normen und Werte.

Insbesondere bei dieser fünften Kategorie entlang der vielen Genres fällt die Lust Faulstichs zu kritischen, mitunter bissigen Kommentaren zum Fernsehen der Gegenwart auf. In den meisten Fällen gerät dies inspirierend, doch an einigen Stellen fallen die kritischen Bemerkungen zu kurz aus und hinterlassen eine Reihe von offenen Fragen. So schreibt Faulstich über die Ideologie und Werte von Sportsendungen: „Vom Miterleben des Erfolgs bzw. der Trauer über die Niederlage auf der Grundlage einer weitgehenden Identifikation bis zu den Fehlhandlungen fanatischer Hooligans scheint es oft kein sehr großer Schritt zu sein. Dass der Leistungsvergleich sich auch im gesamtnationalen Bewusstsein als Statussymbol niederschlagen kann, hat bekanntlich nicht nur zu Tätlichkeiten gegenüber Migranten oder mindestens gegenüber den Schiedsrichtern, sondern auch schon zu kriegerischen Auseinandersetzungen von Armeen geführt.“ (S. 77) Für eine derart starke These bleibt Faulstich nähere Erläuterungen und auch Belege schuldig. Eine direkte Verbindung von Sportsendungen im Fernsehen mit ihren zweifellos vorhandenen Identifikationsstimuli zu inner- und zwischengesellschaftlichen Gewaltphänomenen zu ziehen, dürfte aus der Sicht mehrerer Wissenschaftsdisziplinen höchst problematisch sein und sollte Studienanfängern nicht unbedingt zugemutet werden.

Der dritte Teil des Grundkurses umfasst vier Skizzen exemplarischer Sendungsanalysen. Diese ausführlichen Analysen einer Unterhaltungsshow, mehrerer Nachrichtensendungen, mehrerer Episoden von Fernsehserien sowie einer Hybridsendung im „Living History“-Format veranschaulichen die Möglichkeiten und Methoden der im Buch vorgestellten Fernsehanalyse. Was bei der Besprechung der einzelnen Genres sehr knapp ausfällt, holt Faulstich hier exemplarisch nach. Für den angesprochenen Anfänger dürfte daher besonders dieses Kapitel überaus hilfreich sein, denn es bietet nachvollziehbare Kriterien sowie ein Muster in Form des Sequenzprotokolls für eigene kleine Fernsehanalysen an. Zudem schärft es den kritischen Blick für Fernsehsendungen als Konstruktionen sowie für die Hintergründe und Intentionen der Fernsehmacher.

Der „Grundkurs Fernsehanalyse“ füllt tatsächlich eine Leerstelle im Buchmarkt. Dem Ansinnen Werner Faulstichs, eine praxisnahe Einführung zu schreiben, die mit einer Fülle von Literaturhinweisen und einen Aufriss der Forschungsebenen Orientierung in einem komplexen Wissenschaftsfeld bietet, hätte der Verlag einige Seiten mehr zugestehen können. Es mag zwar sein, dass Bachelorstudenten mit bekanntlich vollen Stundenplänen dicke Bücher eher meiden. Doch ist ihnen auch nicht damit geholfen, wenn die für sie konzipierten Einführungen aus Platzgründen an Klarheit und Prägnanz einbüßen.

Anmerkungen:
1 Klaus Plake, Handbuch Fernsehforschung. Befunde und Perspektiven, Wiesbaden 2004.
2 Knut Hickethier, Film- und Fernsehanalyse, 4. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2007.

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