W. Haefs (Hrsg): Nationalsozialismus und Exilliteratur (1933-1945)

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Title
Nationalsozialismus und Exilliteratur (1933-1945).


Editor(s)
Haefs, Wilhelm
Series
Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 9
Published
München 2009: Carl Hanser Verlag
Extent
702 S.
Price
€ 68,00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Hubert Woltering, Münster

Mit „Nationalsozialismus und Exil 1933-1945“ ist der neunte und letzte Band der auf zwölf Bände angelegten „Sozialgeschichte der deutschen Literatur“ erschienen. Bereits 1979 erschien der erste Band dieser Reihe, die insgesamt die Zeit vom späten Mittelalter bis 1992 abdeckt. Für die Zeit des Nationalsozialismus, mit zeitlichen Abstechern in die Nachkriegsjahre, bietet der in Halle lehrende Germanist Wilhelm Haefs einen breiten Einblick ins Thema.

Das Buch ist kein Handbuch im eigentlichen Sinne; vielmehr versammelt es Aufsätze zu den unterschiedlichen Bereichen der Sozialgeschichte der Literatur dieser Zeit. In den achtzehn Artikeln des Bandes (inklusive der Einleitung ins Thema) werden alle Bereiche der zeitgenössischen Literaturgeschichte beleuchtet. In der Bandbreite der Artikel-Themen spiegelt sich auch das weite Spektrum der Autoren wider. Neben naturgemäß vielen Wissenschaftlern (zum Beispiel Literatur-, Kultur- oder Buchwissenschaftlern, Historikern, Bibliothekaren oder Philosophen) erstellten auch im Mediengeschäft Tätige (zum Beispiel Lektoren oder Redakteure) in vertrauten Forschungsfeldern der Literaturpolitik des Nationalsozialismus ihre Beiträge. In ihren Aufsätzen thematisieren sie sowohl die Facetten des Literaturschaffens im nationalsozialistischen Deutschland, als auch die Tätigkeit deutscher Exil-Literaten. Es lässt sich aber keine absolute Trennung zwischen beiden Bereichen in den Beiträgen herstellen.

Die Artikel, die sich mit bestimmten Literatur-Genres (neben dem historischen Roman sind dies Texte für Drama und Theater, die Lyrik, die autobiographische Literatur, das Essay, der Hörfunk, Film und Kino) oder Themen (etwa „Literatur und Krieg“, „Blut und Maschine“) befassen, stellen meist neben ihrer Bedeutung im Herrschaftssystem des Nationalsozialismus auch ihre Wirkung und Ausprägung im Exil dar. Die anderen Artikel beschreiben im Schwerpunkt die politische Dimension von Literatur im Dritten Reich. Betrachtet wird die Vereinnahmung von Literatur als Herrschaftsinstrument, etwa im Fall der deutschen Klassik, oder auch die Symbolik bestimmter Aktionen (zum Beispiel der NS-Bücherverbrennung) unter dem Dach einer gelenkten Literaturpolitik. Drei Artikel thematisieren die Kehrseite dieser Medaille: das Exil deutscher Literatur-Schaffender.

Die etwa 50 Seiten umfassende Einleitung Wilhelm Haefs‘ bildet die Klammer des Sammelbandes. Dabei betont der Herausgeber, dass der Band beabsichtigt, die Wechselwirkung von nationalsozialistisch gesteuerter, zumindest beeinflusster und im Exil entstandener Literatur auf eine vielschichtige Weise zu berücksichtigen. Zum Ziel des Bandes wird daher erklärt, „im Blick auf verschiedene Konzepte, der Literatursoziologie Bourdieus und der Feldtheorie, der Institutionen- und Öffentlichkeitstheorie, medientheoretischer Konzepte sowie im Einzelfall der Diskursanalyse von Symbolsystemen und der Systemtheorie, eine Beschreibung und Analyse von Strukturen und Funktionen der literarischen Kommunikation im Nationalsozialismus zu leisten“ (S. 10). Hervorgehoben wird von Haefs nicht nur, dass es notwendig sei, sich von bisher üblichen Forschungsweisen zu lösen, sondern auch der zeitlichen Periodisierung des Forschungsbereiches auf 1933 bis 1945 nicht unkritisch zu folgen. So nennt Haefs als Beispiel alternative Zeiträume von 1930 bis 1960 oder auch die 1920er- bis 1950er-Jahre. Bisher sei dies aber zu selten erfolgt. Die Verknüpfung allgemeiner historischer und literaturhistorischer Methodik sei Haefs zufolge nur bedingt zulässig. Zusammenfassend beschreibt er das kulturpolitische Umfeld, in dem sich die Entstehung der Literatur dieser Jahre abspielt. Diese Einordnung verschafft dem Leser einen guten Überblick über Zusammenhänge, die in den späteren Aufsätzen dann vertieft werden. Dies gilt auch für die Beschreibung der Situation der Exil-Literatur dieser Zeit.

Ein Sammelband bietet immer die Möglichkeit, unterschiedliche Stimmen und Positionen zu einer Thematik zu Wort kommen zu lassen. Das schafft in der Regel eine größere Bandbreite als bei einem Werk, für das ein Autor allein verantwortlich zeichnet. Es erschwert jedoch – und das ist hier wohl der Fall – die Schaffung eines einheitlichen Registers zum Gesamtband. So taucht beispielsweise im umfangreichen Personenregister der Name Hölderlin nicht auf, obwohl ein zweiseitiger Abschnitt eines Aufsatzes von diesem Lyriker handelt. Der ausführliche Anmerkungsapparat, das umfassende und weiterführende Literaturverzeichnis und das detaillierte Inhaltsverzeichnis zu jedem Aufsatz am Ende des Bandes lassen über diesen „Ausreißer“ jedoch hinwegsehen.

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