D. Goetze u.a. (Hrsg.): Stadt – Land – Militär

Cover
Titel
Stadt – Land – Militär. Militärorganisation – Festungen – Einquartierung – Wahrnehmung: Schweden und seine deutschen Provinzen im 17. und 18. Jahrhundert


Herausgeber
Goetze, Dorothée; Jörn, Nils
Reihe
Schriftenreihe der David-Mevius-Gesellschaft (15)
Erschienen
Hamburg 2022: Verlag Dr. Kovac
Anzahl Seiten
309 S.
Preis
€ 98,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Querengässer, Dresden

Die schwedische Herrschaft in Norddeutschland ist von der Forschung unter verschiedenen Aspekten aufgegriffen worden. An prominenter Stelle beschäftigte sich Maren Lorenz bereits mit Interaktionen des Militärs und der Zivilbevölkerung im späten 17. Jahrhundert.1 Wenn ein Sammelwerk mit einem etwas sperrig, dreifach unterteilten Titel aufwartet, wie im vorliegenden Fall, so weckt dies schnell den Eindruck, dass die Herausgeber versucht hätten, ein heterogenes Potpourri an Einzelbeiträgen unter einen Hut, bzw. zwischen zwei Buchdeckel zu bekommen. „Stadt – Land – Militär“ wirkt in diesem Zusammenhang ebenso raumgreifend, wie „Militärorganisation – Festungen – Einquartierung – Wahrnehmung“, wobei allein die Kombination dieser Schlagwörter, mal Raum, mal Organisation und schließlich subjektive Deutung miteinander vereinend, das scheinbare Problem, eine alle Beiträge einenden thematische Grundlage zu finden, zusätzlich unterstreicht. Die klarste Vorstellung weckt diesbezüglich der dritte Untertitel „Schweden und seine deutschen Provinzen im 17. und 18. Jahrhundert“, doch ein schneller Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, dass auch diese geografische Einordnung durch mehrere Beiträge gesprengt wird.

Derartige Probleme bei einer genauen Titelformulierung spiegeln anschließend das Fehlen eines Roten Fadens wider, der die einzelnen Beiträge zusammenhält und sie einer übergeordneten Erkenntnisabsicht unterwirft. Den wirklich groben Kontext liefert Schweden als militärische Großmacht in der Vormoderne, wobei selbst dieser Rahmen durch den Beitrag von Leonard Dorn über Kriegsgefangene im Siebenjährigen Krieg in dem – nun eben nicht mehr schwedischen, sondern kurhannoverschen – Herzogtum Bremen-Verden und dem Land Hadeln, überschritten wird.

Nichtsdestotrotz vereint der Band durchaus lesenswerte und oftmals gewinnbringende Einzelbeiträge. Andreas Kappelmayer untersucht die Anwerbepraktiken Gustav II. Adolphs im süddeutschen Raum während des Dreißigjährigen Krieges. Der Aufsatz zeigt die Netzwerke auf, die der König, bzw. dessen Schwager Johann Casimir von Pfalz-Zweibrücken (1589–1652) nutzen konnte, um kriegserfahrene, protestantische Söldner aus der ersten Kriegshälfte für schwedische Dienste zu gewinnen. Michael Busch, der sich bereits in seiner Dissertation mit dem schwedischen Indelningsverk (Einteilungswerk) als Mittel der Heeresaufbringung beschäftigt hatte, gibt eine kurze Zusammenfassung hierüber. Allerdings scheint es nach wie vor zweifelhaft, inwiefern die schwedische Heeresreform, die auf Verträgen zwischen Landesherrn und Bauernschaft basieren und somit ein Konsensprodukt darstellen, wirklich dazu geeignet sind, den in der Forschung kritisch betrachteten Absolutismusbegriff zu stützen. Auch bringt der Beitrag keine wirklich neuen Erkenntnisse, ebenso wie Joachim Krügers Aufsatz über den Seekrieg an der südlichen Ostseeküste 1712/13. Hierfür zieht er zwar das Schiffstagebuch des dänischen Linienschiffes DITMARSKEN als bisher nicht ausgewertete Quelle heran, letztendlich neue Erkenntnisse für das eigentliche Thema ergeben sich daraus jedoch kaum. Das spricht nicht zwingend gegen die Beiträge, die gut geschrieben, quellenbasiert und durchaus informativ sind, von ihrer Art aber eher in eine Essaysammlung, als in einen Aufsatzband passen würden.

Enn Küng nimmt den militärischen Beitrag Revals für das schwedische Militär im 16. und 17. Jahrhundert in Blick und zeigt damit ein weiteres Mal die Rolle städtischer Aufgebote für das Militärwesen der Vormoderne auf.

Co-Herausgeber Nils Jörn untersucht die Rolle schwedischer Soldaten als „wahre Helfer Justizias“ in Wismar und betont die Bedeutung des Militärs als innere Ordnungsmacht. Dies gelingt ihm gut, allerdings fehlt es dem Beitrag an der nötigen historischen Kontextualisierung, denn ein solcher Einsatz des Militärs war in der Frühen Neuzeit keineswegs unüblich. Anhand der Biografie des dänischen Festungskommandanten von Stralsund 1715–1721, Gerhard Christian von Stöcken, zeigt Martin Meier auf, dass diesem allgemein gut erforschten Themenfeld durchaus neue Facetten abgewonnen werden können.2 Bezeichnend ist allerdings auch hier, dass der schwedische Bezug ebenso fallen gelassen wird, wie im folgenden Beitrag von Stefan Kroll, der das Bild des „barbarischen Russen“ in deutschsprachigen Flugschriften aus der Zeit des Großen Nordischen Krieges gekonnt kritisch hinterfragt und dabei Motive und Stilmittel dieser Stigmatisierung herausarbeitet.

Dorothée Goetze untersucht in ihrem Beitrag das Schicksal von 600 in Kriegsgefangenschaft geratenen schwedischen Matrosen, die vom dänischen König an die Republik Venedig verkauft worden waren, aber in großer Zahl auf dem Weg an die Adria desertierten und anschließend versuchten, in ihre Heimat zurückzugelangen. Dabei zeigt sich, welchen Aufwand die Rückführung der vor allem in Hessen untergekommenen Seeleute bereitete, an deren Schicksal sogar der Landgraf Anteil nahm. Nachdem folgenden, inhaltlich gelungenen, aber ebenfalls im Band deplatziert wirkenden, Beitrag von Dorn über Kriegsgefangene im Siebenjährigen Krieg, folgt ein abschließender Aufsatz von Robert Oldach, der schwedische und britische Militärjustiz im Ancien Regime vergleicht. Oldach fokussiert sich vor allem auf die Organisation der Prozessführung und kann aufzeigen, dass diese auf Regimentsebene in Schweden bereits viel stärker reglementiert war, als in Großbritannien.

Bei aller Kritik vereint der Band letztlich durchweg gelungene Beiträge, die informativ, mal mit mehr, mal mit weniger Erkenntniswert zu lesen sind. Dass diese nicht durch einen Roten Faden zusammengehalten werden und der Band keinen wirklich geschlossenen Themenkomplex behandelt, den der Titelsalat vielleicht bei dem ein oder anderen Leser doch zu suggerieren vermag, ist bedauerlich, schmälert aber nicht die Leistung der einzelnen Beitragenden.

Anmerkungen:
1 Maren Lorenz, Das Rad der Gewalt. Militär und Zivilbevölkerung in Norddeutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg (1650–1700), Köln 2007. Für das 18. Jahrhundert vgl.: Robert Oldach, Stadt und Festung Stralsund. Die schwedische Militärpräsenz in Schwedisch-Pommern 1721–1807, Köln 2018.
2 Hier vor allem die von Meier selbst vorgelegte Arbeit: Martin Meier, Vorpommern nördlich der Peene unter dänischer Verwaltung 1715–1721, München 2008.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension