M. Canepa: Two Eyes of the Earth

Cover
Titel
The Two Eyes of the Earth. Art and Ritual of Kingship between Rome and Sasanian Iran


Autor(en)
Canepa, Matthew P.
Reihe
The Transformation of the Classical Heritage 45
Erschienen
Anzahl Seiten
XX, 425 S.
Preis
$ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Henning Börm, Fachgruppe Geschichte, Universität Konstanz

Im Zuge des gestiegenen Interesses der Forschung an der Spätantike haben auch die Beziehungen des Imperium Romanum zum Neupersischen Reich der Sasaniden (224 bis 651) wachsende Beachtung gefunden. Die persische Sicht auf die Dinge lässt sich aus den westlichen Quellen aber oft nur mühsam ableiten, und die orientalische Literatur stellt die Forschung ihrerseits vor eine Reihe von methodischen Problemen. Umso bedeutsamer sind daher die materiellen Hinterlassenschaften, die im Mittelpunkt der Arbeit des Kunsthistorikers Matthew Canepa stehen. In ihr will er nachzeichnen, wie sich in Rom und Persien zahlreiche Elemente einer universellen herrscherlichen Selbstdarstellung etablierten, mit deren Hilfe beide Monarchien ihre Ansprüche über den eigenen kulturellen Kontext hinaus illustrieren konnten.1 Sinnvoll ist Canepas methodische Prämisse, angesichts der Parallelen keine „complete equivalence for any and every ritual or artistic practice“, sondern Anpassungen und partielle Uminterpretationen der Elemente dieses „common vocabulary“ anzunehmen (S. 3). Etwas problematisch erscheint es allerdings, nicht nur für Persien, sondern auch für das Imperium Romanum von „kingship“ und „kings“ zu sprechen, da dies die Unterschiede und die strukturelle Besonderheit der römischen Monarchie wohl zu sehr herunterspielt – wenngleich dies den spätantiken Quellen entspricht, die in Hinblick auf das Kaisertum durchaus auch von regnum und basileia sprechen.2

Auf die Einleitung folgt eine Art Exposition (S. 7–33), in der vor allem der räumliche Kontext vorgestellt wird, in dem sich zentrale Rituale der römischen und persischen Monarchie abspielten: die Hauptresidenzen Konstantinopel und Ktesiphon. Canepa betont dabei mit Recht die Interdependenz von baulichem Umfeld und Ritualen (S. 15); beides wurde von den Monarchen so gut wie möglich kontrolliert (S. 19). Endziel sei es stets gewesen, die Legitimität des Herrschers gegenüber „usurpers and rivals“ zu betonen (S. 20).3 Zu diesen Rivalen zählt Canepa in erster Linie das Haupt der jeweils anderen Großmacht; über diverse Kanäle sei es daher zu einem kontinuierlichen „agonistic exchange“ gekommen (S. 21f.).

Im folgenden Abschnitt (S. 34–52) behandelt Canepa zunächst die Vorgeschichte der römisch-sasanidischen Beziehungen. Während sich in Rom seit augusteischer Zeit im Rahmen des römisch-parthischen Kontakts Konventionen hinsichtlich der Darstellung der Orientalen entwickelt hätten, die zunächst auch prägend für das Bild der Sasaniden gewesen seien, hätten letztere anfangs auf keine entsprechenden Traditionen zurückgreifen können (S. 39). Canepa mag hier richtig liegen, es sei allerdings zu bedenken gegeben, dass die Quellenlage für das Arsakidenreich so schlecht ist, dass sich zuverlässige Aussagen kaum treffen lassen. Anschließend thematisiert Canepa die alte Streitfrage, wie viel die frühen Sasaniden noch von den Achaimeniden wussten 4; dabei pflichtet er jenen bei, die annehmen, die Sasaniden hätten durchaus „some knowledge“ besessen (S. 42). Nach einem Exkurs zu kaiserlichen wie großköniglichen Bestrebungen, sich durch Bauten und Stadtgründungen selbst zu verewigen (S. 43–46), skizziert Canepa sodann frühe Versuche, die (vermeintliche) Vergangenheit im Rahmen der politischen Konkurrenz zwischen den beiden Reichen zu instrumentalisieren.

Im nächsten Kapitel (S. 53–78) zur langen Herrschaft Šabuhrs I. unterstreicht Canepa, dass gerade aufgrund der anfangs exzeptionell erfolgreichen Kämpfe mit den Römern die Bezugnahme auf die westlichen Nachbarn eine Schlüsselrolle für dessen Selbstdarstellung gespielt habe (S. 56). Römische Elemente seien neben orientalische getreten und reinterpretiert worden (S. 57). Canepa kann diese Hypothese insbesondere anhand der sasanidischen Felsreliefs überzeugend illustrieren. Bemerkenswert ist dabei, dass er aus den klassischen Arbeiten von Andreas Alföldi 5 den Schluss zieht, der Fußfall sei nicht nur nicht nach persischem Vorbild am Kaiserhof eingeführt worden, sondern die Sasaniden hätten hier sogar eine römische Sitte übernommen (S. 64). Ziel dieser Übernahme römischer Elemente sei die Inszenierung persischer Dominanz gewesen; die Aneignung römischer Formen habe der Zurschaustellung von Kriegsbeute entsprochen (S. 66–68). Eine zweite Funktion der Kombination fremder und indigener Motive unter Šabuhr I. sei es gewesen, sich in eine „cross-continental aristocratic common culture“ in hellenistischer Tradition einzuordnen (S. 77).

Das fünfte Kapitel (S. 79–99) ist zweigeteilt: Auf eine etwas oberflächliche Darstellung der schrittweisen Überwindung der römischen „Reichskrise“ – beachtenswert ist die leider kaum begründete Hypothese, Aurelian habe Palmyra als „Ersatz-Persien“ inszeniert (S. 82f.) – folgt eine überzeugende Analyse des Galeriusbogens in Thessaloniki (S. 83–99). Canepa interpretiert dieses Monument als Antwort auf die frühsasanidischen Triumphreliefs, in der nun statt des Großkönigs der Kaiser als Sieger erscheine (S. 91). Insbesondere die Abbildung eines Reiterduells zwischen dem Caesar Galerius und dem Großkönig Narseh greife bewusst auf die sasanidische Ikonographie zurück und reinterpretiere sie ebenso, wie es Šabuhr I. mit römischen Elementen getan hatte (S. 93f.).

Im sechsten Kapitel (S. 100–121) behandelt Canepa die Entwicklung ab dem 4. Jahrhundert, als die beiden Großreiche nach 387 für 115 Jahre in eine nur selten unterbrochene Friedensphase eintraten. Canepa kann zeigen, dass die Triumph- und Siegessymbolik auf beiden Seiten zwar gebräuchlich blieb, aber weniger konkret wurde (S. 107), während zugleich in beiden Reichen der sakrale Anspruch der Monarchie zunehmend in den Vordergrund getreten sei. Im folgenden Abschnitt (S. 122–153) bietet Canepa eine insgesamt souveräne Darstellung des spätantiken diplomatischen Protokolls, wenngleich man ihm gewiss nicht in jeder Einzelheit folgen mag. Zweifellos zuzustimmen ist Canepa sicher darin, dass die Entwicklung des elaborierten spätantiken Hofzeremoniells wesentlich vom intensiven diplomatischen Kontakt zwischen Römern und Persern geprägt wurde und es zu einer zunehmenden Angleichung kam (S. 150).

Das achte Kapitel (S. 154–187) versucht, diese Angleichung auch in der Bildkunst nachzuzeichnen, wobei Canepa die Bedeutung gerade mobiler Gegenstände – Schmuck und Toreutik – betont, die im Rahmen von Gabentausch für eine Verbreitung der jeweiligen Bildprogramme gesorgt hätten. Mit Recht verweist er auch auf die Bedeutung von Inszenierungen wie dem Auftritt des Kaisers im Circus (S. 167–174).6 Das neunte Kapitel (S. 188–223) behandelt zunächst die Entwicklung royaler Insignien. Canepa äußert hier die Vermutung, der Nimbus sei im Kušan-Reich entwickelt und zunächst von den Römern, dann von den Sasaniden aufgegriffen worden (S. 193–196). Die Übernahme ornamentaler Elemente illustriert Canepa insbesondere am Beispiel der Hagia Sophia und der heute zerstörten Polyeuktoskirche in Konstantinopel sowie des Reliefs Chusros II. in Taq-i Bustan. Er vermutet dabei eine schubweise Übernahme von Motiven im Rahmen bestimmter Moden. In einem kurzen Epilog (S. 224f.) betont er nochmals die Spuren, die diese Phase der intensiven gegenseitigen Beeinflussung und der Ausprägung einer universellen Formensprache hinterlassen habe. Im Anschluss an die ausführlichen Endnoten (S. 227–336) finden sich Quellenverzeichnis, Bibliographie und Index.

Canepas Kenntnis des Materials ist umfassend, seine Analyse zumal der bildlichen Quellen kann in der Regel überzeugen. Etwas weniger souverän ist die Handhabung der literarischen Überlieferung.7 Die Bibliographie ist umfangreich und enthält auch abgelegene Titel, zeigt andererseits aber auch einige überraschende Lücken. So fehlen der grundlegende Beitrag von de Jong zum sasanidischen Hofzeremoniell, Trampedachs Aufsatz zum oströmischen Krönungsritual, Hausers Artikel zum Problem des „Orientalismus“ oder Hartmanns Überblick zum römisch-persischen Kulturkontakt.8 In die nicht-englischen Titel haben sich diverse Fehler eingeschlichen; gravierende Versehen wie die Zuschreibung von Fergus Millars „A study of Cassius Dio“ an Marijan Molé (S. 384) bleiben aber Ausnahmen.

Canepa hat ein wichtiges Werk vorgelegt, das die Ergebnisse insbesondere der europäischen Forschung der letzten Jahre versammelt und auch jenen zugänglich macht, die nur noch englischsprachige Literatur rezipieren. Experten bietet der Band zwar abseits mancher Detailbeobachtungen eher wenige Überraschungen. Als handbuchartige Synthese füllt er aber eine Lücke, da er sich im Unterschied zu den Bänden von Dignas und Winter sowie Greatrex und Lieu 9 ganz auf den kulturellen Austausch konzentriert. Durch die synoptische Zusammenstellung und die Betonung der Parallelen, die zugleich die Unterschiede nicht unter den Tisch fallen lässt, entfaltet Canepas Darstellung eine große Suggestionskraft, auch wenn die Reflexion der Phänomene und ihrer Bedingungen mitunter noch etwas oberflächlich bleibt.

Es gelingt Canepa zu zeigen, dass die herrscherliche (und auch die aristokratische) Repräsentation im Imperium Romanum und im Neupersischen Reich nicht ohne einen Blick auf die jeweils andere Großmacht verstanden werden kann. Mitunter allerdings verengt sich der Blick dabei etwas zu sehr auf das römisch-persische Verhältnis. So beschäftigt sich Canepa beispielsweise recht ausführlich mit Diadem und Nimbus, die beide in Rom und Persien erscheinen, nicht aber mit dem Ritual der Torques-Krönung, für das es im Orient keine Entsprechung gab.10 Die besondere Bedeutung, die den römisch-sasanidischen Kontakten zukam, kann aber nicht bezweifelt werden: Das „common vocabulary“ der monarchischen Selbstdarstellung strahlte bis ins europäische Mittelalter aus. Jedem Althistoriker, der sich mit der spätantiken Monarchie befasst, sei die Lektüre des Bandes daher ans Herz gelegt.

Anmerkungen:
1 Canepa spricht nur von „Romans“, da er den entscheidenden Bruch mit römischen Traditionen erst für das 7. Jahrhundert konstatiert (S. 228f.) – eine Position, die ich teile.
2 Vgl. etwa Prosp. Tiro ad ann. 450 (regnum) oder Euseb. vit. Const. 21,2 (basileia).
3 Diesen Legitimationsdruck, der auf Kaiser und Perserkönig lastete, setzt Canepa als gegeben voraus, ohne auf mögliche Ursachen einzugehen. Meines Erachtens spielt hier vor allem das prekäre Verhältnis zwischen Monarch und Aristokratie eine wichtige Rolle; vgl. Henning Börm, Herrscher und Eliten in der Spätantike, in: Josef Wiesehöfer u.a. (Hrsg.), Commutatio et contentio, Düsseldorf 2010, S. 159–198.
4 Vgl. zur Diskussion Philip Huyse, La revendication de territoires achéménides par les Sassanides: une réalité historique?; in: ders. (Hrsg.), Iran. Questions et connaissances, Bd. 1: Études sur l’Iran ancien, Paris 2002, S. 294–308.
5 Vgl. Frank Kolb, Herrscherideologie in der Spätantike, Berlin 2001, S. 171–175.
6 Bedeutsam ist hier der Auftritt Chusros I., der 540 in Apameia in kaiserlicher Pose ludi circensis abhielt; anders als Canepa annimmt (S. 312), ist dies durchaus schon gesehen worden. Vgl. Henning Börm, Der Perserkönig im Imperium Romanum, in: Chiron 36 (2006), S. 299–328.
7 Auffällig sind Fehler bei Namen spätrömischer Autoren; so wird aus Aurelius Victor einmal „Aurelius Victory“ (S. 327), aus Theophylakt Simokates einmal „Theophylakt of Simokatta“ (S. 200) und aus Agathias von Myrina durchgängig „Agathius“. Aus Coripps Panegyricus auf Justin II. macht Canepa eine Rede des Kaisers (S. 103).
8 Albert de Jong, Sub Specie Maiestatis. Reflections on Sasanian Court Rituals, in: Michael Stausberg (Hrsg.), Zoroastrian Ritual in Context, Leiden 2004, S. 345–366; Kai Trampedach, Kaiserwechsel und Krönungsritual im Konstantinopel des 5. und 6. Jahrhunderts, in: Marion Steinicke u.a. (Hrsg.), Investitur- und Krönungsrituale, Köln 2005, S. 275–290; Stefan R. Hauser, Art. „Orientalismus“, in: Der Neue Pauly 15/1, Stuttgart 2001, S. 1233–1243; Udo Hartmann, Wege des Wissens. Formen des Gedankenaustauschs und der kulturellen Beeinflussung zwischen dem spätantiken Rom und dem Sāsānidenreich; in: Robert Rollinger u.a. (Hrsg.), Getrennte Wege?, Frankfurt am Main 2007, S. 50–107.
9 Beate Dignas / Engelbert Winter, Rome and Persia in Late Antiquity, Cambridge 2007; Geoffrey Greatrex / Samuel N. C. Lieu, The Roman Eastern frontier and the Persian Wars, Bd. 2: AD 363–630, London 2002.
10 Vgl. Wilhelm Enßlin, Zur Torqueskrönung und Schilderhebung bei der Kaiserwahl, in: Klio 35 (1942), S. 268–298. Die „barbarischen“ Wurzeln dieses Rituals bezweifelt Guy Halsall, Barbarian Migrations and the Roman West 376–568, Cambridge 2007, S. 104f.

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