R. Haynes (Hrsg.): In the Shadow of Hitler

Cover
Titel
In the Shadow of Hitler. Personalities of the Right in Central and Eastern Europe


Herausgeber
Haynes, Rebecca
Reihe
International Library of Twentieth Century History
Erschienen
London 2011: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
332 S.
Preis
€ 59,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Radu Harald Dinu, Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt

Bis heute hält sich in der historiographischen Literatur hartnäckig das Narrativ, wonach Ostmittel- und Südosteuropa den Nationalsozialisten gleichsam als Wachstafel gedient habe, in die sie ihre bevölkerungs- und rassenpolitischen Ziele förmlich eingezeichnet hätten. Die zahlreichen Initiativen und Handlungsspielräume rechtsautoritärer und faschistischer Akteure aus den jeweiligen Ländern blieben dabei oft unterbelichtet oder gerieten komplett aus dem Blickfeld. Die 18 versammelten Beiträge des vorliegenden Sammelbandes stellen dieser Lesart eine alternative Deutung entgegen und zeichnen den politischen Werdegang und das soziale Umfeld maßgeblicher Protagonisten aus dem rechten politischen Spektrum in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit nach. Da Mussolini noch vor Goebbels und Speer „the fascist master of political baroque“ (S. 13) gewesen sei, wurden auch Persönlichkeiten wie Gabriele D’Annunzio berücksichtigt. Zudem wurde eine Reihe von Aufsätzen in den Band aufgenommen, die sich mit deutschen und österreichischen Schlüsselfiguren wie Theodor Fritsch, Konrad Henlein oder Edmund Glaise von Horstenau auseinandersetzen. Der schillernde Begriff der „politischen Rechten“ biete sich vor allem deshalb als gemeinsamer Nenner an, weil es eine scharfe Trennlinie zwischen konservativ-autoritären und radikal-faschistischen Gruppierungen nie gegeben habe. Obwohl erstere die Nation als Kulturgemeinschaft und letztere als Schicksalsgemeinschaft interpretiert hätten, seien die ideologischen und personellen Übergänge erstaunlich fließend gewesen.

Aus dem breiten Spektrum seien hier einige beachtenswerte Beiträge herausgegriffen. In seinem einleitenden Aufsatz ordnet Roger Griffin die Thematik des Bandes in den historischen Kontext der Zwischenkriegszeit ein und verknüpft sie mit dem Konzept der charismatischen Herrschaft, das für den Faschismus handlungsleitend gewesen sei. Dabei rekurriert er auf die in seiner 2007 erschienenen Monographie „Fascism and Modernism“1 vertretene Hauptthese, wonach der europäische Faschismus als integraler Bestandteil der Moderne und des Modernismus zu verstehen ist. In diesem Sinne deutet er auch den Erfolg rechtsautoritärer und faschistischer Persönlichkeiten als Ausdruck jenes Verlangens, die „Entzauberung“ der modernen Welt durch eine nationale Wiedergeburt rückgängig zu machen.

Der Beitrag des in London lehrenden Historikers Egbert Klautke bietet ein beeindruckendes Portrait des „Altmeisters des deutschen Antisemitismus“ Theodor Fritsch, dessen Werdegang mit dem Aufstieg der Völkischen Bewegung verwoben wird. Fritsch habe zwar die Kontinuität des rassisch begründeten Antisemitismus vom Kaiserreich bis zum Untergang der Weimarer Republik verkörpert, seine Schriften hätten jedoch nur begrenzten Einfluss auf Hitler ausgeübt.

Dejan Djokić, der als ausgewiesener Kenner der jugoslawischen Zeitgeschichte gilt, geht in seinem Beitrag der Frage nach, inwieweit die Politik und Ideologie des jugoslawischen Premierministers Milan Stojadinović (1935 bis 1939) als faschistisch eingestuft werden können. Bereits zu Lebzeiten habe Stojadinović die Aura eines faschistischen Diktators umgeben. Von seinen Anhängern als „vodja“ (Führer) verehrt und seinen politischen Gegnern als „djavo“ (Teufel) verflucht, bemühte sich der Belgrader Regierungschef um eine Verständigung mit dem vormaligen Erzfeind Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland. Wie Djokić überzeugend darlegt, lässt sich Stojadinović’ politisches Erbe jedoch kaum als faschistisch charakterisieren. Seine Annäherung an die Achse Berlin-Rom sei nicht weltanschaulich begründet, sondern dem zunehmenden Desinteresse der westlichen Alliierten an Jugoslawien geschuldet gewesen. Und auch die Entlehnung faschistischer Stilelemente, wie etwa Parteiuniformen oder des „römischen Grußes“, müsse eher als Mimikry denn als jugoslawische Spielart des Faschismus betrachtet werden.

Anders als Stojadinović können die in den Beiträgen von Rebecca Haynes, Rory Yeomans und Jovan Byford thematisierten Protagonisten getrost als maßgebliche Repräsentanten des südosteuropäischen Faschismus bezeichnet werden. Corneliu Zelea Codreanu rief 1927 die „Legion Erzengel Michael“ ins Leben und initiierte damit die erste politisch-soziale Massenbewegung in Rumänien. Wie Haynes überzeugend herausarbeitet, habe Codreanu als „frommer Asket“ und „Mann der Aktion“ wie kein Anderer den faschistischen „Neuen Menschen“ personifiziert, während er von seiner Gefolgschaft noch zu Lebzeiten als christlich-orthodoxer Märtyrer verehrt wurde. Am Beispiel von Jure Francetić, des Anführers der berühmt-berüchtigten „Schwarzen Legion“ im „Unabhängigen Staat Kroatien“, beleuchtet Yeomans in ähnlicher Stoßrichtung den religiös überhöhten Toten- und Märtyrerkult im Ustaša-Staat. Die Weltanschauung von Dimitrije Ljotić, der 1935 die faschistische jugoslawische Nationalbewegung ZBOR in Serbien gründete, war ebenfalls durch die Integration christlicher Elemente geprägt. Aufgrund seiner ausgesprochen deutschfreundlichen Haltung vermochten Ljotić und seine Partei jedoch nur einen begrenzten Einfluss auf das politische Geschehen in Serbien auszuüben. Byford widerspricht der revisionistischen Annahme, wonach die Kollaboration und die Judenverfolgung während der Nedić-Regierung (nach September 1941) dem Kalkül gehorchte, größere Repressionen gegen die serbische Bevölkerung abzuwenden. Der virulente Antisemitismus Ljotić’ ließe sich bis in die 1930er-Jahre zurückverfolgen, und auch das Freiwilligenkorps der ZBOR (Srpski dobrovoljački korpus) habe sich bei der Erfassung und Verhaftung der serbischen Juden während der deutschen Militärbesatzung als äußerst willfähriger Helfer der Gestapo und der Sicherheitspolizei erwiesen.

In seinem abschließenden Beitrag behandelt Georg Christoph Berger Waldenegg das Leben und Wirken des österreichischen Nationalsozialisten Edmund Glaise von Horstenau. Glaise gehörte nicht nur dem Kabinett Arthur Seyß-Inquarts an, sondern wurde nach der Zerschlagung Jugoslawiens im April 1941 zum „Deutschen Bevollmächtigten General in Kroatien“ berufen. Zahlreiche ältere Werke porträtierten Glaise immer wieder als einen von humanitären Motiven geleiteten Kritiker des Ustaša-Regimes. Wie Berger Waldenegg zurecht betont, waren Glaises Protestnoten jedoch in erster Linie kriegsstrategischen Erwägungen geschuldet. Die Wehrmachtsführung in Kroatien befürchtete in erster Linie, dass das radikale Vorgehen der Ustaša die Sicherheit der eigenen Truppenkontingente gefährden würde.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass „In the Shadow of Hitler“ ein gelungenes Panorama maßgeblicher Persönlichkeiten der europäischen Rechten vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg entwirft. Hervorzuheben ist vor allem, dass die Beiträge die unterschiedlichen Handlungsspielräume und Initiativen der untersuchten Akteure im Hinblick auf den Nationalsozialismus und den italienischen Faschismus ausloten.

Anmerkung:
1 Roger Griffin, Modernism and Fascism. The Sense of a Beginning under Mussolini and Hitler, Houndmills 2007. Siehe auch Fernando Espositos Rezension in: H-Soz-u-Kult, 19.10.2007, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-4-061> (25.03.2012).

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