In ihrer Studie über bewegte Bilder aus der und über die Umweltbewegung kombinieren Stefan Länzlinger und Thomas Schärer die neuere Umweltgeschichte der Schweiz mit einem Ansatz der Visual History. Sie fragen, welche Rolle Fotografien, Filmen und Fernsehbeiträgen bei der Thematisierung und Skandalisierung von Umweltproblemen von 1940 bis 1990 zukam. Die modernen Umweltbewegungen haben ihre Erfolge nicht zuletzt visuellen Formen des Protests und ihrer medialen Verbreitung zu verdanken, wie die beiden Autoren festhalten. Diese Bilder und Filme sind bislang jedoch nicht systematisch als historische Quellen untersucht worden, sodass ihr gemeinsames Buch eine Forschungslücke schließt.
Für ihre Analyse nutzen Länzlinger und Schärer ein Korpus von 200 Filmen verschiedener Art, wovon sie 40 näher untersuchen. Über die Bildebene hinaus sollen diese Filme Aufschluss geben über die Diskurse, in deren Kontext sie entstanden sind und die sie beeinflusst haben. Die Filme werden in die Themenfelder Energiegewinnung aus Wasserkraft, Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung, Energiegewinnung aus Atomkraft sowie Verkehrswege eingeteilt. Angelehnt an Instrumente der Filmwissenschaft erfolgt die nähere Untersuchung der Filme auf den vier Ebenen Bedingungsrealität, Bezugsrealität, Filmrealität und Wirkungsrealität. Die von den beiden Autoren thematisierten Bewegungen werden in chronologischer Reihenfolge behandelt, wobei jeweils auf die einschlägige Forschungsliteratur verwiesen wird.
Der älteste der untersuchten Filme dokumentierte im Sommer 1942 den Widerstand gegen ein Wasserkraftprojekt im bündnerischen Rheinwald, das große Teile der Ortschaft Splügen unter Wasser gesetzt hätte. Der Filmemacher Bartholomé Schocher erhielt den Auftrag, „das bedrängte Tal vor dem Ertränktwerden zu bewahren“ (S. 16). In seinem Film stellte er Splügen sehr idyllisch dar, rückte traditionelles Handwerk und die vorindustrielle Landwirtschaft ins Zentrum. Nur die abschließende Betonung der „Freiheit“ der Rheinwaldnerinnen und Rheinwaldner als „freies Volk im freien Tal“ deutet auf die Intention des Filmemachers hin. Als Kampagnenfilm wurde „Das Tal der freien Walser“ dann vom Komitee Pro Rheinwald im Winter 1942/43 in Zürich, Baden und Thun aufgeführt. Dahinter standen Gegnerinnen und Gegner des Wasserkraftprojekts aus den betroffenen Gemeinden, die fürchteten, der Bund oder der Kanton könnte angesichts des damaligen Energiemangels eine Konzession gegen den Willen der Gemeindeversammlungen erteilen. Die Bündner Kantonsregierung entschied sich 1944 aber dagegen. Ein Beitrag in der Schweizer Filmwochenschau (SFW) thematisierte diesen Entscheid und verglich die Rheinwaldnerinnen und Rheinwaldner mit den Bewohnern des Wägitals und der Etzel, die im Interesse des Gemeinwohls in den 1930er-Jahren ihr Wohnumfeld aufgegeben hätten. Verglichen mit der erfolgreichen Rheinwalder Opposition sind die Unterkapitel zu den erfolglos bekämpften Projekten Rheinau und Spöl kurz geraten. In deren Umfeld entstand ab 1952 ein kämpferischer Flügel der Naturschutzbewegung, dem der Schweizerische Bund für Naturschutz zu gemäßigt war. Die beiden Konfliktfälle wurden in der Schweizer Filmwochenschau (SFW) mehrfach vorgestellt. Es bleibt jedoch unklar, welche Rolle bewegte Bilder in der politischen Diskussion über die ersten Umwelt-Initiativen gespielt haben.
In den folgenden zwei Hauptkapiteln gehen Länzlinger und Schärer auf die Debatten um die verschmutzten Umweltmedien Wasser und Luft ein. Die Gewässerverschmutzung wurde ab den späten 1940er-Jahren diskutiert. Die Schweizerische Vereinigung für Gewässerschutz produzierte 1952 den Film „Wasser in Gefahr“, der die Folgen eines sorglosen Umgangs mit Wasser aufzeigt sowie eine saubere Kehrichtentsorgung und den Bau von Abwasserkläranlagen propagiert. Diese Lobbygruppe um ETH-Professor Otto Jaag ließ den Film im Beiprogramm von Kinos zeigen. 1953 stimmte eine deutliche Mehrheit der abstimmenden Schweizer dem Gewässerschutzartikel in der Verfassung zu. Allerdings bot die Gesetzgebung keine griffigen Maßnahmen, um die Lage der Seen und Flüssen zu verbessern. Ganz im Gegenteil nahm die Verschmutzung weiter zu. Dies wurde etwa in „La Suisse s’interroge“ während der Expo ’64 in Lausanne einem großen Publikum vor Augen geführt. Der Titel „Fortschritt I – nach uns die Wüste“ eines 22-minütigen Films aus dem Jahr 1966 zeigt, dass damals die Fortschrittseuphorie der Nachkriegszeit und der Glaube an die technische Lösbarkeit jeden Problems zu erodieren begann. In einem lehrreichen Teilkapitel gehen die Autoren auf Beiträge im Fernsehen ein, die ab 1962 die Wasserverschmutzung und ihre sichtbaren Folgen in den Fokus rückten. Interessant ist ihre Erkenntnis, dass häufig dieselben Bildmotive zu sehen waren: auf dem Waser schwimmender Abfall, Schaumbildung, übermäßiges Algenwachstum, verdreckte Schwäne, tote Fische und amtliche Badeverbotstafeln. An die Stelle der nüchternen Expertise von Biologen und Techniker trat zunehmend ein alarmistischer Tonfall. Die Gewässer- und Luftverschmutzung wurde zum Sinnbild einer überbordenden Konsumgesellschaft kurz vor der Apokalypse. Die Mühlen der Schweizer Politik mahlten allerdings gewohnt langsam: Nach der Annahme eines Umweltschutzartikels im Juni 1971 folgte eine Verschärfung des Gewässerschutzgesetzes. Das neue Umweltschutzgesetz ließ bis zum Jahr 1985 auf sich warten. Ein möglicher Grund sehen die beiden Autoren darin, dass die Luftverschmutzung weniger gut sichtbar war. Erst das Waldsterben schien zu zeigen, wohin verdreckte Luft führen kann. Auf diese Debatte der frühen 1980er-Jahre gehen Länzlinger und Schärer jedoch kaum ein. Stattdessen behandeln sie relativ ausführlich den „Fluorkrieg“, die Bewegungen im Fricktal und im Wallis gegen zwei Werke der Alusuisse. Das ist zwar interessant, deckt aber nur einen Teilaspekt der allmählichen Verbesserung der Lufthygiene dank Grenzwerten, Filter- und Katalysatorenpflicht und der Verlagerung umweltschädlicher Produktionsweisen ab.
Die spektakulärste Umweltbewegung entzündete sich an den Plänen für leistungsstarke Atomkraftwerke, nachdem in Beznau und Mühleberg seit 1969 insgesamt drei Reaktoren in Betrieb gegangen waren. Der Verlauf der Auseinandersetzung ist gut dokumentiert: Das geplante Atomkraftwerk in Kaiseraugst wurde nach der Besetzung im Frühjahr 1975 nicht realisiert, wobei das endgültige Aus erst 1989 folgte. Die ebenfalls bekämpften Werke in Gösgen und Leibstadt wurden hingegen realisiert. Mit einer Reihe von Volksinitiativen gelang es der Anti-AKW-Bewegung, das Thema stark zu politisieren. Mit dem Ja zum zehnjährigen Moratorium für weitere AKW-Pläne im September 1990 gelang ein vorläufiger Sieg über die Elektrizitätswirtschaft und die Mitte-rechts-Parteien. Länzlinger und Schärer deuten an, dass die Anti-AKW-Bewegung gerade in jener Zeit ihren Höhepunkt erreichte, als das Fernsehen zum Massenmedium wurde. Journalistinnen und Journalisten der elektronischen Medien waren interessiert an guten Bildern. Sie fragten etwa nach der Marschroute von Protestkundgebungen und berichteten sehr häufig über direkte Aktionen. Viele Berichte bemühten sich zwar um Ausgewogenheit, doch die Bilder der lebhaften Stimmung bei den Gegnerinnen und Gegnern kontrastierten auffällig mit den AKW-Befürwortern in grauen Anzügen. In kurzen Teilkapiteln gehen die Autoren in der Folge auf mehrere Filmproduktionen ein, die von Aktivisten erstellt wurden. Thematisch wird der Fokus über die Aktionen gegen AKW-Projekte ausgeweitet auf Proteste gegen die Endlagerungspläne der Nagra. „Atomic Rometsch“ etwa dokumentierte 1984 in Form eines Videogames den Verlauf der Anti-AKW-Bewegung. Diese Filme weisen eine große Vielfalt von Techniken, Motiven und Herangehensweisen auf.
In ihrer lesenswerten Studie zeigen Länzlinger und Schärer auf, dass die Akteure der Schweizer Naturschutz- und Umweltbewegung früh auf audiovisuelle Medien setzten. Die Produktion eines Kampagnenfilms war anfänglich allerdings teuer für die Schweizerische Vereinigung für Gewässerschutz, Pro Natura, WWF Schweiz und andere Verbände. Eine wichtige Rolle spielten die Beiträge des Schweizer Fernsehens, wobei den Redaktionen einzelner Sendegefäße oft vorgeworfen wurde, mit den Anliegen der Umweltbewegungen zu sympathisieren. Wollten die ersten „Umweltfilme“ vor allem die Problematiken rund um die menschliche Lebens- und Produktionsweise und ihre Folgen für die Umwelt visualisieren, so haben spätere Filme verstärkt darauf gezielt, eine Forderung zu unterstützen, möglichst viele Stimmbürgerinnen und -bürger zu überzeugen und an das Publikum zu appellieren. Die große Leistung der besprochenen Studie besteht in der beachtlichen Zahl von Filmen und Fernsehbeiträgen, die sie einbezieht. Gelungen ist auch die Zuordnung zu den fünf Teildiskursen der Umweltdebatte und die chronologische Ordnung, die an manchen Stellen neue Querbezüge und Zusammenhänge aufzeigt. Für das große Bild, den Verlauf der wichtigsten Auseinandersetzungen im Bereich der Umweltpolitik in der Schweiz, ist diese Studie ein sehr wertvoller Beitrag. Sie ergänzt die bisher veröffentlichte Fachliteratur zu einzelnen Konflikten wie Rheinau oder Kaiseraugst um eine zusätzliche Dimension.