G. Heinrich: Friedrich II. von Preußen

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Titel
Friedrich II. von Preußen. Leistung und Leben eines großen Königs


Autor(en)
Heinrich, Gerd
Erschienen
Anzahl Seiten
VIII, 504 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Ulbert, Langues Etrangères Appliquées, Université de Bretagne-Sud

Gerd Heinrich beginnt seine Friedrichbiographie mit den hellsichtigen Worten: „Gute und weniger gute Bücher über Friedrich den Großen gab es und gibt es zuhauf“ (S. III). Es sei hier gleich vorweggenommen, dass Heinrichs Buch erstaunlicherweise nicht in die erste Kategorie fällt. Die Überraschung rührt daher, dass es sich bei dem Autor um einen Veteranen der brandenburgischen Landesgeschichte und ausgewiesenen Kenner des frühneuzeitlichen Preußens handelt, der sich seit Mitte der 1970er-Jahre intensiv mit der Person Friedrichs beschäftigt.

Das Buch ist in 23 Kapitel unterteilt. Hinzu kommt noch ein Anhang mit einer sehr gelungenen Zeittafel (S. 401-465) und sehr schönen Aufmarschkarten der wichtigsten Schlachten. Zehn Kapitel werden von der Chronologie geleitet, die 13 übrigen sind thematisch orientiert und bunt mit der ersten Kategorie vermischt. Der Umfang der Kapitel ist sehr unterschiedlich: die kürzesten zählen nicht mehr als sechs, das längste 83 Seiten. Unausgewogen ist aber nicht nur der formale Aufbau der Arbeit. Auch inhaltlich fehlt es ihr an Gleichmaß. So werden diverse Schlachten, vor allem jene des Siebenjährigen Kriegs, in allen Einzelheiten beschrieben, andere Aspekte des Lebens Friedrichs jedoch allenfalls gestreift. So wird über eine gesamte Seite die Geschichte vom mutigen Fahnenjunker erzählt (S. 140), man erfährt aber nur wenig Greifbares über das Verhältnis zwischen Friedrich und seinem Vater. Auch über die Katte-Affäre sollte der Leser bereits informiert sein, bevor er Heinrichs Buch zur Hand nimmt, denn diesen Vorkommnissen – für Friedrichs Leben oft als prägend interpretiert – wird gerade einmal ein Absatz gewidmet (S. 8). Ähnlich kursorisch werden eine ganze Reihe von Themen abgehandelt, so etwa die Vorgeschichte des Ersten Schlesischen Kriegs (S. 27f.) oder das preußische Steuerwesen (S. 298f.).

Aber nicht nur wegen dieser Auslassungen kann das Buch nur schwerlich als Einführung in das Thema herhalten. Auch Heinrichs Umgang mit den kontrovers diskutierten Aspekten Friedrichs lässt dies nicht zu. Anstatt sachlich das Für und Wider einer Frage darzustellen und dann seine eigene Antwort zu erläutern, beschränkt sich Heinrich darauf, seine Standpunkte als selbstverständliche Wahrheiten zu präsentieren. Ihm vermutlich ungelegene Sichtweisen verschweigt er, und deren Vertreter überzieht er – eben weil er deren Argumentation verschweigt – mit für den Leser unverständlicher Häme. So werden all jene „Histörchen-Fabrikanten“, die Friedrich „eine abartige Veranlagung“ (S. 115) zu unterstellen wagten, als „laszive Schandmäuler“ (S. 116) abgekanzelt. Schon zu Beginn des Buches hatte Heinrich das Thema (auch dort, ohne die mutmaßliche Homosexualität Friedrichs beim Namen zu nennen) ohne jegliche Angaben von Belegen mit folgender Worten vom Tisch gewischt: „Hinterhältige Diffamierungen (Voltaire) sind bereits von Zeitgenossen und seriösen Historikern widerlegt worden und bedürfen keiner psychosomatischen Aufwärmung“ (S. 14). Auch die These, der König sei „Frauenfeind“ gewesen, sieht Heinrich als Produkt einer „erbärmlichen Klatschhistorie“ (S. 115f.). Überhaupt lässt der Autor keine Gelegenheit aus, andere Preußenforscher mehr oder minder herablassend zurechtzuweisen, so etwa Otto Büsch (S. 27), Theodor Schieder (S. 111, 365), Jean-Paul Bled (S. 166), Johannes Kunisch (S. 60, 231, 335), Christopher Duffy (S. 152) und Ulrich Scheuner (S. 255). Gerd Heinrich erklärt nicht, er kommentiert. Belehren will er vor allem die Fachkollegen, allen voran jene Kritiker „des Königs, die ihn in den Überresten vernichtet sehen wollten“ (S. III).

Ebenso befremdlich wie die wiederholten Ausfälle gegen Fachkollegen sind einige ganz eigenwillige Erklärungsmodelle Heinrichs. Dabei erscheint vor allem die Bedeutung, die Heinrich der Genealogie zumisst, als sonderbar. „Friedrichs rationalistische Genialität und seine in der Vorherrschaft französischen Geisteslebens begründeten Interessen“ waren nicht der Anziehungskraft der französischen Kultur oder einer Reaktion auf die Erziehung des Vaters geschuldet, sondern seien vielmehr darauf zurückzuführen, dass „fast ein Fünftel der Vorfahren Franzosen oder jedenfalls romanischer Herkunft gewesen sind“ (S. 5).

Doch nicht nur inhaltlich bleibt das Buch blass, auch handwerklich weist es Mängel auf. So werden etwa Zitate nur unregelmäßig belegt (u.a. S. 51, 88, 89, 92, 93, 111, 115, 133, 154, 175, 199f., 209f., 225, 295, 300, 315f., 322). Zudem werden immer wieder Wörter kursiv gesetzt, ohne dass erklärt würde, was damit angezeigt oder worauf damit verwiesen werden soll. Dem besseren Verständnis hätte ferner gedient werden können, wenn zeitgenössische Maßeinheiten in metrische umgerechnet worden wären (so z.B. S. 205, 275).

Es sei noch kurz auf den Stil Heinrichs eingegangen. Sein Satzbau ist umständlich, ein Substantiv nur selten ohne Adjektiv gebraucht und die Sprache antiquiert: „das frische Reis am Mannesstamm“ (S. 4), „Studenten, die am Abend der Huldigung einen prächtigen Fackelzug darbrachten“ (S. 25), „die mit den Spitzen der blitzenden Bajonette vollendeten Tatsachen“ (S. 33), „mit Treibsand-Deserteuren ließen sich keine Schlachten schlagen“ (S. 130), „Truppen-Körper mit hergelaufenen Leuten, um nicht zu sagen: Kriegsgurgeln auffüllen“ (S. 131) usw. Heinrich orientiert sich an der Sprache Reinhold Kosers, des einzigen Friedrich-Biographen, den der Autor zu dulden scheint (S. 65, 75), ohne sie jedoch auch nur annähernd zu erreichen.

Laut Klappentext ist es Heinrichs Ansinnen, Friedrich mit „größtmögliche[r] Objektivität“ und mit einem „von moralischen und ideologischen Fragestellungen seiner Zeit möglichst unabhängigen Blick“ zu beschreiben. Gleichzeitig räumt er in seinem Vorwort jedoch ein, „daß man in London oder Köln ein anderes Friedrich-Bild entwirft als in Berlin oder in Breslau“ (S. III). Folgt man dieser Katalogisierung, dann ist Heinrichs Entwurf zweifelsohne aus Berliner Sicht entstanden. Denn Kritik am König findet sich hier so gut wie keine. Nur seiner Wirtschafts- und Handelspolitik bescheinigt Heinrich „einige Schwächen“ (S. 301). Was die Person Friedrichs betrifft, so mangelte es ihm an nichts, allenfalls an „Menschenbeobachtung“ (S. 294). Letztlich entsteht keine objektive, ausgewogene Beschreibung, die „den König von den Schlacken zeitgeschichtlicher Betrachtungsweise“ (S. III) befreit, sondern ein Buch mit hagiographischen Zügen.

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