Ist es möglich, Wetterphänomene wie Hurrikans mit Explosionen von Atombomben zu beeinflussen? Donald Trump soll einen solchen Einsatz über dem Atlantik in seiner ersten Amtszeit als US-Präsident 2019 erwogen haben, um Verwüstungen an der US-amerikanischen Küste zu verhindern. Auch in der internationalen Forschung war die Frage eines möglichen Sekundärnutzens von Atomwaffen nach den ersten Tests und Abwürfen 1945 kurzzeitig ein Thema: Dabei wurde ernsthaft debattiert, ob das Wetter mit Atombomben „bewältigt“ (S. 174) oder gar „kontrolliert“ (S. 175) werden könne. Ab etwa 1950 war in Fachkreisen allerdings klar, dass das Level an Energiefreisetzung selbst aus diesen größten menschlich induzierten Explosionen nicht ausreicht, um in die Kraft natürlicher Wetterereignisse eingreifen zu können, geschweige denn gezielt. Die Erkenntnis, dass solche Naturphänomene zigtausendfach mehr Energieentfaltung bedeuten und Atombomben angesichts dessen nur ein Tropfen auf den heißen Stein wären, war früh Konsens. Nachdem aber Tageszeitungen und auch der US-Kongress das Thema des angeblich atomar beeinflussten Wetters aufgrund von sich häufenden globalen Atombombentests in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre wiederholt aufbrachten, diskutierte die Wissenschaft das bereits geklärte Thema abermals. Der Kern des nun aktualisierten, zum Teil neu erarbeiteten atmosphärenphysikalischen und meteorologischen Wissens änderte sich dabei nicht, bedurfte als Reaktion auf den öffentlichen Diskurs aber einer intensiven Affirmation. Beruhigende Wirkung zeigte sie jedoch nicht, denn trotz aller fehlenden Evidenz für einen Zusammenhang sprachen in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre auch europäische Magazine wie der „Spiegel“ vom „Bombenwetter“ der Gegenwart (S. 189f.). Schweizer Zeitungen befeuerten sogar wissenschaftsskeptische Stimmungen, indem sie die Kompetenz der Forschung bezweifelten, angesichts der Neuartigkeit der atomaren Frage belastbare Aussagen machen zu können.
Solche Entstehungskontexte, Rückkoppelungen und Schleifen, Zirkulationen und Problematisierungen der Wissensproduktion über technische Wetter- und Klimamanipulation verschiedener Art untersucht Manuel Kaiser in seinem reflektierten und anregenden Buch. Es handelt sich um die überarbeitete Fassung seiner Zürcher Dissertationsschrift von 2021. Was Kaiser in der elegant komponierten Einleitung ankündigt – und im Laufe seiner Untersuchung für wichtige Teile einlöst –, ist eine Rekonstruktion des Diskurses um die Modifikation von Wetter und Klima aus wissensgeschichtlicher Perspektive. Dabei nimmt er die internationale Atmosphärenwissenschaft zum Ausgangspunkt; er spürt zum einen den sie beeinflussenden Wissensformationen, zum anderen ihren Popularisierungen nach. Klug eingrenzend, betrachtet Kaiser dabei vor allem die US-amerikanische und die Schweizer Forschung. Wie es in der gegenwärtigen Wissensgeschichte gut geübte Praxis ist, geht es auch hier nicht um das nachträgliche Beurteilen, welches Wissen richtig oder falsch gewesen sein mag, sondern darum, „welche Argumentationsmuster sich zu welchem Zeitpunkt herauskristallisierten“ (S. 19). Kaisers Buch ist damit ein willkommener, vielsagender Beitrag zur aktuell erfreulich schnell wachsenden Literatur über die Kultur- und Wissensgeschichte des Klimas im 19. und 20. Jahrhundert. Die Studie leistet einen Beitrag zur Historisierung gegenwärtiger Debatten und verdeutlicht facettenreich, dass Klimawissen unter anderem von (land-)wirtschaftlichen, militärischen und medialen Kontexten abhing, also vielfältig in die Debatten seiner Zeit eingeschrieben war.
Die Analyse basiert auf einem heterogenen Quellenkorpus: Es umfasst meteorologische und klimatologische Fachliteratur, Archivalien zu Wettermanipulationsversuchen aus dem Staatsarchiv Zürich und dem Bundesarchiv Bern, Forschungsberichte, populärwissenschaftliche Publikationen, Presseberichte sowie am Rande auch literarische Texte. Während Fachzeitschriften und wissenschaftliche Monografien dem Autor zur Untersuchung der Wissensproduktionen dienen, werden die restlichen Quellen herangezogen, um Wissenszirkulationen und öffentliche Debatten zu analysieren.
Kaiser gliedert seine Darstellung chronologisch. Dabei leistet er mehr als sein Untertitel verspricht: Während dieser nur auf das 20. Jahrhundert verweist, hat Kaiser sich auch mit den Debatten des 19. Jahrhunderts beschäftigt. Im ersten inhaltlichen, mit „Genealogien (ca. 1800–1945)“ überschriebenen Teil, der auf 80 Seiten mehr als ein Kontextkapitel ist, beleuchtet Kaiser ältere Ansätze zur Wetter- und Klimabeeinflussung. Er untersucht sowohl vormoderne Praktiken wie das Hagelschießen als auch die Verwissenschaftlichung dieser Bemühungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Er analysiert den Übergang von mythisch-religiösen zu technisch-naturwissenschaftlichen Konzepten und zeigt, wie diese Entwicklungen den menschlichen Umgang mit Naturphänomenen und die Vision einer kontrollierbaren Umwelt geprägt haben. Das Kapitel verdeutlicht, dass die ursprüngliche, vom mittelalterlichen Wetterzauber inspirierte Überzeugung, das Wetter gezielt beeinflussen zu können, im Laufe des 19. Jahrhunderts durch wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Entwicklungen einer differenzierteren, kritischeren Sichtweise wich, die die Grenzen und Unsicherheiten solcher Eingriffe offenlegte: „Die meisten Atmosphärenwissenschaftler [der 1930er-Jahre] grenzten sich von der Wetterbeeinflussung ab und hielten sie für ein Betätigungsfeld von ‚Scharlatanen‘ und Außenseitern.“ (S. 69) Von hier aus stellt Kaiser dar, wie die technologische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Steuerung kurzfristiger Wetterphänomene in umfassendere Überlegungen zur Kontrolle und Gestaltung langfristiger Klimaprozesse überging. Für das frühe 20. Jahrhundert hält er „eine bemerkenswerte Häufung an Plänen und Erzählungen“ fest, die „die Klimabeeinflussung in verschiedenen Varianten durchspielten“ (S. 121).
Der Fokus der Untersuchung liegt auf der Zeit von 1945 bis 1980. Vor dem „Epilog (ca. 1980–2023)“ sind ihm die beiden Hauptkapitel „Etablierung (ca. 1945–1960)“ und „Verhandlungen (ca. 1960–1980)“ auf 110 bzw. 160 Seiten gewidmet. In ihnen stellt Kaiser auf eine enge Verbindung des Wetter- und Klimamanipulationsdiskurses mit den Dynamiken des Kalten Krieges ab, der dort eingeflochten wird, wo es nötig ist, ohne das eigentliche Thema der Untersuchung zu verdecken. Die Kapitel analysieren die Entwicklung und die Grenzen der Wetter- und Klimabeeinflussung sowie die gesellschaftlichen und rechtlichen Debatten darüber. Zuerst wird die Etablierung der Forschung durch Experimente und technologische Innovationen beschrieben, wie Feldversuche und Computermodelle, die auch die Bereitstellung neuer Wetterdaten und die Verbesserung ihrer Analyse einschlossen; es folgen die damit verbundenen Herausforderungen und Grenzen. Danach geht es um die gesellschaftlichen und politischen Implikationen, von der militärischen Nutzung über Umweltbedenken bis zu internationalen Regelungen. Beide Kapitel beleuchten die Spannungsfelder zwischen wissenschaftlicher Machbarkeit, ethischen Fragen und gesellschaftlicher Akzeptanz in der Wetter- und Klimamodifikation.
Das Kapitel zur „Etablierung“, in dem unter anderem die Diskussion über die Wetterwirkung von Atomwaffen rekonstruiert wird, ist das stärkste des Buches. Anhand konkreter Beispiele schildert Kaiser breit die Unsicherheiten, Sackgassen und Konflikte in der Geschichte der Wetter- und Klimabeeinflussung. So war das Projekt „Cirrus“, das 1947 in den USA als militärische Auftragsforschung von General Electric initiiert wurde, eines der ersten groß angelegten Experimente zur Wolkenmodifikation. Es scheiterte jedoch aufgrund fehlender methodischer Standards und mangelnder Nachweise für die Wirksamkeit. Auch die Aktivitäten des amerikanischen Meteorologen Irving P. Krick, der besonders in den 1940er- und 1950er-Jahren mit ambitionierten Vorhersagen und umstrittenen Methoden zur Wettermodifikation arbeitete, zeigten die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Innovation und unrealistischen Erwartungen. Krick entwickelte Vorhersagetechniken, die auf historischen Wetterdaten basierten, und versuchte diese für militärische, landwirtschaftliche und kommerzielle Zwecke nutzbar zu machen. Sein Unternehmen lieferte detaillierte Prognosen, die Krick aggressiv vermarktete. Er schloss lukrative Verträge mit Kunden ab, was seine Position als eine Art Pionier im kommerziellen Wetterdienst stärkte, jedoch auch die Zweifel an der wissenschaftlichen Substanz seiner Ansätze verschärfte. Während Krick selbst seine Methoden als effektiv und innovativ anpries, wurden sie in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zunehmend kritisch gesehen. Viele Meteorologen warfen ihm vor, dass seine Ansätze, insbesondere seine Behauptungen über die Steuerung von Wetterereignissen, mangelhaft belegt und methodisch unzureichend seien. Es sind solche Ambivalenzen, die Kaiser klar herausarbeitet und komplex analysiert.
Die Grenzen der Untersuchung liegen in der verkürzten Wahrnehmung der öffentlichen Debatten, auch wenn deren Interpretation durchaus als Ziel in der Einleitung formuliert wird (S. 14). Kaiser betrachtet primär wissenschaftliche Publikationen wie „Science“ und „Nature“, aber auch populärwissenschaftliche Zeitschriften wie „Scientific American“ oder „Bild der Wissenschaft“. Anders als in der Einleitung angekündigt, kommen die „größere[n] historische[n] Zusammenhänge“ (S. 13) damit leider nicht überall in den Blick. Allgemeine Tages- und Wochenzeitungen spielen nur sporadisch eine Rolle – und dann eher anekdotisch. Solche Zeitungen werden lediglich in die Darstellung „integriert“ (S. 37), nicht im selben Maße untersucht wie die Fachpresse. Man hätte sich dieselbe Ausführlichkeit und Akribie, die Kaiser an den Wissenschaftsdiskurs anlegt, auch für die Analyse anderer Quellen gewünscht. Im Ergebnis bietet das Buch eher eine Wissensgeschichte der Meteorologie und Klimatologie als eine umfassendere Perspektive auf das Klimawandelwissen des Kalten Krieges. Für Letzteres wäre mehr Aufmerksamkeit für die die Wissenschaft umgebende wie ermöglichende Gesellschaft nötig gewesen. Offen bleibt daher zum Beispiel, wie allgemeine Medien wissenschaftliches Wissen um Wetter- und Klimamanipulationen aufgriffen, in welche Kontexte sie es wie stellten, wie sie es dabei veränderten und welche Rückwirkungen dies auf die wissenschaftliche Diskussion hatte.
Liest man Manuel Kaisers gut geschriebenes Buch aber als die wirtschaftlich, politisch, rechtlich und ökologisch erweiterte Technik- und Forschungsgeschichte, die es im Kern ist, tut man das mit Gewinn. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des Klimawandelwissens der vergangenen 200 Jahre, der daran erinnert, wie komplex und oft zeitgebunden solches Wissen war. Nicht zuletzt fordert es dazu auf, diese Komplexitäten weiter zu erforschen, auch in Bezug auf populäres Klimawissen.