Der vorliegende Band fokussiert das Thema Sklaverei und Sklavenhandel im Bilderbuch der Aufklärung und bietet eine informative, profunde Einführung in die Thematik des transatlantischen, des afrikanischen und des muslimischen Menschenhandels, verweist auf wichtige Desiderate in diesem Forschungsfeld und ergänzt diese Ausführungen um 40 ausgewählte Quellen mit Illustrationen, die bereits im 18. Jahrhundert sehr eindrucksvoll auf die Folgen der Kolonialpolitik unter anderem der europäischen Länder und damit einhergehend auf die Vermittlung einer rassistischen Weltsicht verweisen. Mit ihrem Quellenband tragen die Herausgeber auf eine ganz besondere Weise zum gegenwärtig sehr virulenten Kolonialismusdiskurs bei, indem sie auf ein in der Literatur- und Buchforschung nicht omnipräsent vertretenes Publikationsformat, das Bilderbuch, verweisen, das beim Thema Sklavenhandel auf eine ungewöhnlich scharfe Weise diese menschenverachtende Praktik verurteilt. Bereits bei den jüngsten Leserinnen und Lesern wurden diese Bilderbücher, die für die Forderungen nach Gleichberechtigung und Menschenrechten, für die Akzeptanz der Vielfalt von Kulturen warben, zu einem wirkmächtigen Medium der Aufklärung.
Im 18. Jahrhundert fanden erstmals eigens für Kinder und Jugendliche angefertigte Bücher Eingang in den Buchmarkt, spezielle Publikationen, die auf die Bedürfnisse und das Fassungsvermögen der jüngsten Leserinnen und Leser Rücksicht nahmen. Zu einem wirkkräftigen Vermittlungsmedium avancierte in diesem Kontext das Bilderbuch. Das Bilderbuch im 18. Jahrhundert verfolgte eine enzyklopädische Wissensvermittlung in Gestalt eines Sach- und Lehrbuchs. Eines der prominentesten Werke dieses Publikationstypus war das „Bilderbuch für Kinder“ des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch (1747–1822). Ein zentraler Aspekt insbesondere für die Vertreter des Philanthropismus war die Anschaulichkeit von informativ-belehrenden Erzählungen, sodass das Medienformat Bilderbuch zunehmend an Relevanz gewann (S. 7). Das pädagogische Konzept verfolgte einerseits eine sittliche Vervollkommnung der jungen Leserschaft, andererseits eine Einführung in die Realitäten der Ökonomie und Marktinteressen. Ein Grund dafür, warum viele der in diesem Band bereitgestellten Quellen ökonomische Argumentationsmuster im Diskurs über Kolonialismus und Sklavenhandel aufgriffen. Doch erst die Illustration vermochte, so die Ansicht der Autoren, einen starken und nachhaltigen Eindruck bei der jungen Leserschaft zu hinterlassen, ein Merkmal, das dem bloßen Text abgesprochen wurde. Die aus dem Umfeld des Philanthropismus stammenden Kinderbuchautoren zielten auf eine kluge Verflechtung von Information, Belehrung und vergnüglicher Lektüre, flankiert von eindrucksvollen und eindringlichen Illustrationen. Die hohe Qualität der Abbildungen war ein wichtiges Kriterium der pädagogischen Vermittlung und wurde nicht zwangsläufig ökonomischen Überlegungen der Verleger untergeordnet (S. 13–16). Diese engagierten deshalb künstlerisch herausragende Illustratoren und Kupferstecher ihrer Zeit. Obgleich das Bilderbuch für die jüngste Leserschaft Vergnügen und Unterhaltung bieten sollte, galt es auch – so die Programmatik des Philanthropismus – die ungeschönte Lebensrealität, mit der die junge Leserschaft konfrontiert war, zu übermitteln. Grausame Handlungen und Abgründe des menschlichen Handelns in Bilderbüchern aufzubereiten und in packenden Illustrationen zu veranschaulichen war Teil des anspruchsvollen pädagogischen Konzepts. Die durch Illustrationen verstärkte Schockwirkung von schrecklichen Geschehnissen zielte hier auf die sittliche und moralische Läuterung der jungen Leserschaft, den philanthropischen Erziehungsschriftstellern ein legitimer Weg, der Jugend frühzeitig die Übel der Welt deutlich vor Augen zu führen, sie anzuhalten, entschlossen und im Sinne der Aufklärungswerte dagegen vorzugehen. Im Bilderbuch des 18. Jahrhunderts kulminierte somit spannende Unterhaltung, Vergnügen und Schockerfahrung zu einer Art „vergnüglichem Schock“ (S. 16). Auf diese Weise wurde bei den Betrachtern die Faszination am Grauenhaften und Schrecklichen in der Welt geweckt, gleichzeitig eindrücklich auf das empörende Unrecht verwiesen.
Eine eklatante und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert heftig diskutierte Menschenrechtsverletzung war der Sklavenhandel, sodass dieses Unrecht pädagogisch und visuell aufbereitet zu einem wirkmächtigen Thema im Bilderbuch des 18. Jahrhunderts wurde (S. 17). Während Spanien, Portugal und England bereits im 17. Jahrhundert zu den wichtigen Akteuren im Kolonialismus zählten, setzte sich Deutschland eher theoretisch mit dieser menschenverachtenden Handelssparte auseinander, weil es selbst zu dieser Zeit keine Kolonien besaß. Ein Grund dafür, dass in deutschsprachigen Kinder- und Bilderbüchern die europäischen Kolonialmächte ungewöhnlich offen und scharf für ihr Wirken kritisiert wurden. Der Diskurs über den Sklavenhandel wurde der deutschen Leserschaft hauptsächlich über ABC-Bücher und historische Lehrwerke vermittelt, sämtlich Druckwerke mit einer enormen Verbreitung im deutschen Sprachraum, die oftmals zahlreiche Nachauflagen erlebten. Der jungen Leserschaft wurde vermittelt, dass alle europäischen Länder, auch diejenigen, die keine eigenen Kolonien besaßen, auf ihre Weise im Sklavenhandel involviert waren, von diesem ökonomisch profitierten. So wurde der Konsum von kolonialen Luxusgütern, unter anderem Zucker, angeprangert und die jugendlichen Leserinnen und Leser zum Boykott dieser Kolonialwaren angehalten. Hervorgehoben wurde der kommerzielle Aspekt des Sklavenhandels vor allem in den Handelszentren des Osmanischen Reiches. Den jungen Leserinnen und Lesern wird bei der Betrachtung ihrer Bilderbücher aber vor Augen geführt, dass im Zentrum der Geschichte der Sklaverei der afrikanische Kontinent steht. Die „Kleine Kinderbibliothek“ von Campe erläutert beispielsweise die historischen Kontexte, die zur Sklaverei führten; im „Elementarwerk“ werden die Opfer der afrikanischen Menschenjagd in ungewöhnlich drastischen Bildern dargestellt. Die historischen Diskurse über die Ursachen von Sklaverei und deren Profiteure auch in Europa zielten darauf, bei der jungen Leserschaft Widerstand gegen dieses Unrecht an der Menschheit zu wecken, das hauptsächlich von europäischer Gewinnsucht getragen wurde.
Die Quellensammlung setzt sich aus Textauszügen verschiedener deutschsprachiger Bilderbücher zusammen, die über eine außerordentliche Popularität verfügten, flankiert von Illustrationen und einer umsichtigen Kommentierung der einzelnen Quellen. Es handelt sich um eine selektive Quellensammlung, die – so die Herausgeber – zwar keinesfalls Repräsentativität beansprucht, aber über ihre Zusammenstellung alle Facetten des Sklavenhandels auf allen Kontinenten beschreiben. Die Beispiele reichen vom hinlänglich bekannten Bilderbuch „Orbis Sensualium Pictus“ von Johann Amos Comenius über in dieser Zeit gängigen ABC-Bücher bis hin zu Karl Gottlob Hausius’ „Kleine Bilderschule für die Jugend“ (Leipzig 1797), die vor allem die westindische Inselwelt als Ausgangspunkt und Kerngebiet europäischer Sklaverei anprangert. Die Kritik am Sklavenhandel geht einher mit der Kritik an rassistisch geprägten Charakterisierungen von fremden Völkern und Kulturen. Die hier vorgestellten Quellen demonstrieren äußerst drastisch das Thema Sklaverei, wobei die Autoren die historischen Ausgangsbedingungen für diesen Menschenhandel sehr genau beschreiben, die kommerziellen Interessen der Akteure und Profiteure ungeschönt offenlegen. Geradezu beispielhaft für diese Anforderung war das „Elementarwerk. Ein Vorrath der besten Erkenntnisse zum Lernen, Leeren, Wiederholen und Nachdenken“ von Johann Bernhard Basedow, ein pädagogisches Großprojekt mit über 100 Kupfertafeln, die aus 269 Einzelbildern bestanden (S. 12).
Wichtige Impulse für die Ausbildung des Marktsegments Bilderbuch in Deutschland lieferten die dem Philanthropismus verpflichteten Erziehungsschriftsteller, unter anderem Friedrich Eberhard von Rochow und Joachim Heinrich Campe, letzterer einerseits ein in diesem Feld sehr produktiver Verleger in Braunschweig, andererseits Verfasser unter anderem der fiktiven Reiseerzählung „Robinson der Jüngere“, eine pädagogisch intendierte Bearbeitung des Bestsellers von Daniel Defoe aus dem Jahr 1719.
Den beiden Herausgebern ist es gelungen, ein wichtiges Desiderat im eigentlich gut erforschten 18. Jahrhundert gerade auch im Feld der Kinder- und Jugendbuchforschung auszumachen, die aufgetane Lücke mit aussagekräftigen Quellen in ersten Ansätzen zu füllen und dabei das Forschungspotenzial dieses Themas nachdrücklich zu unterstreichen. Die inhaltliche Zusammenstellung der Quellen folgt nicht der schnellen Verfügbarkeit der zugrunde gelegten Bilderbücher, die Herausgeber durchforsteten in- und ausländische Bibliotheken und Sammlungen, unter anderem in den USA, hier die Joseph Horner Library der 1764 gegründeten German Society und der Library Company in Philadelphia, um ihren Leserinnen und Lesern ein aussagestarkes Quellenkorpus an die Hand zu geben, das in dieser Form bisher nicht zur Verfügung stand. Den Herausgebern des Quellenbands gelingt es somit wichtige Impulse für weiterführende Forschungsfragen im Bereich der Kinderbuch- und Bilderbuchforschung im Zeitalter der Aufklärung aufzuwerfen, beispielsweise die Frage nach der Positionierung der Philanthropen im Kolonialismus ihrer Zeit oder nach der Verbreitung und Wirkkraft des neuen Mediums Bilderbuch; darüber hinaus wird den an diesem Thema interessierten Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre bereitgestellt und nicht zuletzt eignet sich der Quellenband vorzüglich für den Einsatz in der universitären Lehre.
Das Buch ist sehr ansprechend gestaltet, stabiles Hardcover mit einer farbigen Coverillustration, rotes Vorsatzblatt, die Qualität der Abbildungen und Layout und dieses im Verbund mit einem ausgesprochen moderaten Preis.