T.P. Koltermann: Deutsch-japanische Kulturbegegnung 1933-1945

Titel
Der Untergang des Dritten Reiches im Spiegel der deutsch-japanischen Kulturbegegnung 1933-1945.


Autor(en)
Koltermann, Till Philip
Erschienen
Wiesbaden 2009: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
XII, 240 S.
Preis
€ 52,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Hübner, School of Humanities and Social Sciences, Jacobs University Bremen

Die bisherige Forschung zu den deutsch-japanischen Beziehungen während der NS-Zeit fokussierte maßgeblich auf deren politische, militärische und wirtschaftliche Ebene. Die kulturellen Beziehungen wurden hierbei – mit einigen wenigen Ausnahmen vor allem in den letzten Jahren – wenig beachtet. Das Ziel von Till Philip Koltermanns Monographie ist es daher, diesem Umstand entgegenzuwirken und speziell die Einschätzung von Hitlers Haltung gegenüber Japan einer Revision zu unterziehen. Die Hauptfrage ist also, ob weiterhin von einer reinen Zweckallianz zwischen dem „Dritten Reich“ und Japan gesprochen werden kann, oder ob (wie Koltermann annimmt) nicht doch von einem Bündnis von sich ideologisch nahe stehenden, faschistischen Ländern auszugehen sei (S. 6). Dem – zunächst etwas verwirrenden – Titel folgend wird die Untersuchung des „Untergangs des Dritten Reiches“ mit etwa 30 von insgesamt 240 Seiten relativ stark gewichtet. Zuvor wird aber in den vier vorhergehenden Kapiteln (deutlich mehr, knapp 140 Seiten) auf die „deutsch-japanische Kulturbegegnung“ von 1933 bis 1945 eingegangen. Unter einer Kulturbegegnung wird hier „die Interaktion zwischen kollektiv erfassbaren Innen- respektive Gefühls- und Wahrnehmungswelten, die das Verhältnis von Völkern zueinander bestimmen, verstanden“ (S. 2).

Koltermann befasst sich in diesem Rahmen nicht nur, wie dies in vorherigen Monographien geschah1, mit Literatur und Reiseberichten, sondern auch mit den Aussagen, Taten und Schriften maßgeblicher zeitgenössischer Politiker und Diplomaten. Einzig das noch kaum untersuchte Feld der (Propaganda-)Filme2 bleibt hierbei leider außen vor.

Die kurz gehaltene Einleitung gibt zunächst einen Überblick über Fragestellung und Forschungsstand, hierbei speziell zu dem Problem der recht verbreiteten Sicht eines aufgrund von Rassismus entweder anti-japanisch oder bestenfalls neutral eingestellten Hitlers. Es schließt sich zur weiteren Einführung ein ebenfalls knapper Überblick zur nationalsozialistischen Ostasienpolitik an.

Im ersten Hauptkapitel der Arbeit werden Hitler und dessen Haltung zu Japan ins Visier genommen. Seine teils kritisch-rassistische Sicht des ostasiatischen Kaiserreiches in „Mein Kampf“ findet hier ebenso Erwähnung wie seine sich langsam durchsetzende Einschätzung der Japaner als „heldisches Soldatenvolk“, für das er Bewunderung empfand. Koltermann weist zudem darauf hin, dass Hitler aufgrund der Entfernung keine Interessengegensätze territorialer Art sah und England zwar eher von ihm als Partner begrüßt worden wäre, aber Japan keinesfalls abgelehnt wurde.

Im zweiten Kapitel stehen wiederum der Diktator und das deutsch-japanische Kriegsbündnis im Vordergrund. Koltermann zeigt hier, wie sehr Hitler nicht nur die Gründe des japanischen Kriegseintritts 1941 im Sinne einer Hilfe für Deutschland fehlinterpretierte, sondern auch noch lange Zeit vergeblich einen Angriff Tokyos auf die Sowjetunion für möglich hielt. Grund war jeweils die – allerdings von ihm auch hochgeachtete – japanische Verschwiegenheit. Weiterhin wird auf Hitlers Bewunderung der „japanischen Religion“ (gemeint im Sinne von Staats-Shintō) eingegangen. Ebenso verweist Koltermann auf gemeinsame Elemente in nationalsozialistischer Ideologie und Zen-Buddhismus (Opferbereitschaft, Gehorsam etc.) sowie die Rollen von Karl Haushofer und Erwin Toku Baelz als Verbreiter pro-japanischer Sichtweisen. Zuletzt geht er auf den später vor allem auf U-Booten basierenden Personen- und Materialaustausch ein. Hier wird deutlich, dass Hitler die Kooperation mit Japan viel stärker gewichtete als die deutsche Wirtschaft oder die Kriegsmarine dies taten, um den Krieg – die Kosten ignorierend – zu gewinnen.

Das dritte Kapitel behandelt das Japanbild in NS-Literatur und Propaganda. Es bietet eine gute Übersicht zu den Kulturbeziehungen (Deutsch-Japanische Gesellschaften, Jugendaustausch etc.) und geht auch auf die teils sehr wichtige Rolle von Japanern bei der Beeinflussung des Japanbildes der deutschen Bevölkerung ein. Eingehend behandelt Koltermann in diesem Zusammenhang die unter anderem in Literatur und Zeitungen beschworenen Parallelen zwischen Japan und Deutschland, unter denen erneut Treue und Todesverachtung ins Zentrum gestellt wurden. Hierbei wurde Japan von deutscher Seite teils eine Vorbildfunktion zugeschrieben, die auf japanischer Seite auch zu einem gewissen Überlegenheitsgefühl führte.

Das vierte Kapitel geht chronologisch, vor allem SD-Berichte nutzend, auf die Haltung der deutschen Bevölkerung ein. Deren Interesse an Japan stieg im Verlauf des „Dritten Reiches“ an, und speziell nach dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion wurde ein japanisches Eingreifen erwartet. Der Kriegseintritt gegen die USA und die japanischen Anfangserfolge wurden mit Begeisterung aufgenommen. Die Achtung ging allerdings so weit, dass eine gewisse Furcht vor der geistig-seelischen Überlegenheit des ostasiatischen Verbündeten aufkam und so die Rhetorik der „Gelben Gefahr“ ein kurzes Wiederaufleben feierte. Hervorstechend ist im Rahmen dieser Überschätzung Japans auch das Mitte 1943 aufgekommene Gerücht, dass Japan „Todesflieger“ senden könne, die bei der Eroberung Großbritanniens helfen würden (S. 147).

Das letzte Kapitel beschreibt den deutschen Untergang. Ein Perspektivenwechsel hin zu Japan ist hierfür zwar unumgänglich, wirkt allerdings nach den vorausgegangenen Kapiteln auch etwas verwunderlich und fragwürdig. Denn zuvor war Koltermann kaum auf die japanische Seite (und wenn, wie auf S. 2 ohne weitere Begründung angekündigt, ohne japanische Quellen) und das japanische Deutschlandbild eingegangen.

In japanischen Zeitungen wurde die deutsche Propaganda eines Hitlerschen Heldentodes auf dem Schlachtfeld verbreitet und die Nachrufe waren durchaus positiv. Allerdings geht Koltermann davon aus, im Sinne der ideologischen Nähe zwischen Hitler und Japan, dass auch Meldungen über Hitlers Selbstmord im Sinne von seppuku (rituelle Selbsttötung, unter anderem um der Gefangennahme zu entgehen) akzeptiert worden wären. Die deutsche Kapitulation wiederum wurde sehr negativ bewertet. Allerdings hatte aus japanischer Sicht bereits der 20. Juli erwiesen, dass in Deutschland der Wille, gegebenenfalls bis zur völligen Vernichtung weiterzukämpfen, kaum vorhanden war. Sie diente daher als Abschreckungsbeispiel, um die japanische Kampfmoral und Aufopferungsbereitschaft (Kamikaze, Kaiten etc.) zu stärken.

Einige von Koltermanns Thesen sind etwas problematisch. Die Behauptung, es hätte vor 1942 lediglich einen Versuch gegeben, die Benutzung von Ausdrücken wie „Gelbe Gefahr“ oder zumindest deren negativ konnotierte Verwendung zu unterdrücken (unter anderem S. 7, Fußnote 13) ist in dieser Form nicht zutreffend. Es gab mehrfach Presseanweisungen, solche Terminologie zu unterlassen – einzelne Journalisten kooperierten hierbei jedoch offensichtlich schlichtweg nicht 3. Dies stärkt allerdings wiederum Koltermanns Grundthese, dass man sich im „Dritten Reich“ um ein positives Japanbild bemühte.

Seiner Darstellung legt Koltermann, sieht man von einigen auch im Anhang wiedergegebenen Artikeln aus japanischen Zeitungen zum Untergang ab, fast durchweg edierte deutsche Quellen zugrunde. Ob sich aus japanischem und unveröffentlichtem deutschen Material weitere Erkenntnisse gewinnen lassen, was sehr anzunehmen ist, bleibt daher weiteren Studien überlassen. Etwas ins Auge stechend ist noch die Anzahl von Tippfehlern. Ein besseres Lektorat vor Drucklegung wäre wünschenswert gewesen.

Insgesamt hat Koltermann ein sehr interessantes Buch verfasst, das nicht nur die verstreuten Erkenntnisse zu den deutsch-japanischen Kulturbeziehungen und zum Japanbild Hitlers und der Deutschen zusammenfasst und durch die Neuinterpretation von schon bekannten Quellen neue Erkenntnisse schafft, sondern auch weitere Denkanstöße gibt. Einige Punkte (unter anderem Filme, japanisches Deutschlandbild vor dem Untergang etc.) bleiben allerdings offen. Es ist zu hoffen, dass die Beschäftigung mit diesem – bei Hitler auch für die Erklärung von dessen politisch-militärischen Entscheidungen relevanten – Thema durch Koltermanns Monographie weiter angeregt wird.

Anmerkungen:
1 Vgl. vor allem: Chun-Shik Kim, Ostasien zwischen Angst und Bewunderung. Das populäre deutsche Ostasienbild der 1930er und 40er Jahre in Reiseberichten aus dem japanischen Imperium, Hamburg 2001; Bill Maltarich, Samurai and Supermen. National Socialist Views of Japan, Oxford 2005.
2 Vgl. unter anderem: Janine Hansen, Celluloid Competition. German-Japanese Film Relations, 1929-45, in: Roel Vande Winkel / David Welch (Hrsg.), Cinema and the Swastika. The International Expansion of the Third Reich Cinema, New York 2007, S. 187-197; Janine Hansen, Arnold Fancks "Die Tochter des Samurai". Nationalsozialistische Propaganda und japanische Filmpolitik, Wiesbaden 1997.
3 Vgl. für die seit 1933 periodisch wiederkehrenden Aufrufe gegen Ausdrücke wie „Gelbe Gefahr“ die entsprechenden Presseanweisungen in: Hans Bohrmann / Gabriele Toepser-Ziegert (Hrsg.), NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Edition und Dokumentation, 7 Bde., München 1984-2001.

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