Title
Immigration Policy in the Federal Republic of Germany. Negotiating Membership and Remaking the Nation


Author(s)
Klusmeyer, Douglas B.; Papademetriou, Demetrios G.
Published
Oxford 2009: Berghahn Books
Extent
330 S., 17 Tabellen
Price
$ 95.00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Philip Zölls, Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Universität Zürich

Die Untersuchung von Migration(en) in die Bundesrepublik erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Im Mittelpunkt des zeitgeschichtlichen Interesses stehen dabei Analysen der so genannten Gastarbeiterära. Douglas B. Klusmeyer und Demetrios G. Papademetriou ergänzen diese Studien durch eine Untersuchung der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Migration in die Bundesrepublik. Unter Einbeziehung vielfältiger Migrationsbewegungen über einen recht langen Untersuchungszeitraum – von 1945 bis in das Jahr 2005 – versuchen sie die Entstehungsgeschichte des heutigen Migrationsregimes aufzuzeigen. Deutlich wird dabei, dass die Selbstdeklaration der Bundesrepublik als „Nicht-Einwanderungsland“ lange Zeit eine zukunftsweisende Migrationspolitik verhinderte. Die Autoren sprechen von einer Politik der verpassten Chancen (S. 274). Bestimmend für die deutsche Migrationspolitik waren Vorstellungen von (Staats-)Zugehörigkeit und homogener Gesellschaft, die sich in unterschiedlichen Schattierungen vom Kaiserreich bis zu heutigen Debatten um eine „Leitkultur“ wiederfinden lassen.

Das Buch ist in vier Hauptkapitel gegliedert. Nach einer kurzen Einleitung beginnt der empirische Teil mit einer Untersuchung der Rahmenbedingungen des Grundgesetzes für die bundesdeutsche Migrationspolitik. Dazu zählen die Verankerung der Menschenwürde im Grundgesetz, wie sie auch in verschiedenen internationalen Konventionen festgeschrieben wurde, der Föderalismus, der den Bundesländern über den Bundesrat ein großes Mitspracherecht ermöglicht, und die Teilhabe an Leistungen des Wohlfahrtsstaates. In der „ethnonational dimension“ (S. 22) sehen die Autoren die größten Exklusionsmechanismen im Grundgesetz. Die Betonung der nationalen Zugehörigkeit habe illiberale Einbürgerungspolitiken gerechtfertigt und als Barriere gegen eine „positive immigration policy“ gewirkt (ebd.). Klusmeyer und Papademetriou argumentieren, dass sowohl die historische Betrachtung der bundesdeutschen Migrationspolitik als auch deren Veränderung nur möglich sei, wenn man die gesamten Rahmenbedingungen berücksichtige.

Das zweite Kapitel beginnt mit einem Rückblick auf die Geschichte der Aussiedler und deren Integration in die Bundesrepublik. „The rapid and successful integration“ (S. 77) lässt sich nach Ansicht der Autoren auf die vielfältigen Integrationsangebote der Bundesregierung zurückführen, auf die schnelle berufliche Integration sowie auf die Möglichkeiten politischer Artikulation und Partizipation. Diese Integrationsmöglichkeiten standen den angeworbenen „ausländischen Arbeitnehmern“ nicht zur Verfügung, gingen die verschiedenen Bundesregierungen doch von einem nur kurzfristigen Aufenthalt der Migrant/innen in der Bundesrepublik aus. Auch die Begrüßung des millionsten „Gastarbeiters“ 1964 führte zu keiner Veränderung in der Politik; vielmehr wurde die Verfügungsgewalt des Staates gegenüber „ausländischen Arbeitnehmern“ mit dem Ausländergesetz von 1965 nochmals erweitert. Initiativen auf Bundesebene für eine stärkere Integration gab es erst ab Mitte der 1970er-Jahre. Als den ersten Versuch einer zukunftsweisenden Migrationspolitik sehen Klusmeyer und Papademetriou die Einsetzung von Heinz Kühn als Ausländerbeauftragten (1978), dessen Ideen aber nach der Regierungsübernahme unter Helmut Kohl nicht mehr mehrheitsfähig waren. Die Migrationspolitik der Regierung Kohl basierte auf der temporären Integration derjenigen Migrant/innen, die schon in der Bundesrepublik waren, dem Versuch, weitere Migration zu verhindern, sowie finanzieller Unterstützung bei vorzeitiger Rückkehr in die Herkunftsländer.

Das dritte Kapitel knüpft zeitlich an das zweite an und beschreibt die Migrationspolitik als Scharnier im Verhältnis von Innen- und Europapolitik. Dabei werden Bemühungen um eine stärkere Integration Europas und die Übertragung nationalstaatlicher Rechte an europäische Institutionen deutlich. Gleichzeitig bleiben weiterhin nationale Alleingänge in der Migrationspolitik erkennbar, wie es die Autoren am Beispiel der Asylpolitik darstellen. Innenpolitisch reagierte die Regierung Kohl Anfang der 1990er-Jahre auf eine zunehmende Anzahl von Asylanträgen, indem sie mit den Stimmen der SPD 1993 eine Grundgesetzänderung beschloss, die ein Asylgesuch nach Einreise über einen so genannten sicheren Drittstaat in Deutschland unmöglich machte. Eine wirkungsvolle Durchsetzung dieser Politik war aber nur durch bilaterale Verträge über Rückkehrabkommen und eine stärkere Abschottung der gemeinsamen europäischen Außengrenze möglich.

Anders verhielt sich die Bundesregierung in ihrer Politik gegenüber den Spätaussiedlern und bei der Einwanderung von Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. War die Politik gegenüber den jüdischen Einwanderern durch „a mixture of historical, moral, and political considerations“ geprägt (S. 188), kann in der Politik gegenüber den Spätaussiedlern ab Anfang der 1990er-Jahre ein Wandel konstatiert werden. Die Bundesregierung reagierte auf die wachsende Zahl der Aussiedler, indem sie Einbürgerungskriterien verschärfte und eine Höchstquote für die Einwanderung festsetzte. Beim Vergleich der verschiedenen Migrationsbewegungen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass durch eine Kategorisierung und Aufteilung der Migrant/innen eine einheitliche Migrationspolitik verhindert wurde (S. 196).

Im vierten und letzten Kapitel werden die Veränderungen in der Migrationspolitik aufgezeigt, die mit der Regierungsübernahme der rot-grünen Koalition 1998 verbunden waren. Erstmals seit dem Anwerbestopp von 1973 wurden wieder aktiv Migrant/innen für bestimmte Arbeitsbereiche angeworben; zugleich bemühte sich die Regierung Schröder, den Rahmen für eine künftige Migrationspolitik abzustecken. Neu in ihrem Konzept der „managed immigration“ (S. 244) war der Versuch, die Migration an die Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen, sie zu steuern und zu kontrollieren. Zentral war das Bekenntnis zum Einwanderungsland, bei gleichzeitig stärkeren Integrationsförderungen für und -forderungen an die Migrant/innen. Durchsetzen konnte die Regierung ihre Vorstellungen aber nur in abgeschwächter Form, da die Opposition von CDU/CSU das ursprüngliche Gesetz mit ihrer Mehrheit im Bundesrat blockierte. Die Unionsparteien versuchten ihre Vorstellungen einer homogenen Gesellschaft in Debatten über eine deutsche „Leitkultur“ zu reaktivieren und in die deutsche Migrationspolitik einzubringen.

Klusmeyer und Papademetriou präsentieren mit ihrem Buch ein gelungenes Überblicks- und Einstiegswerk zur Migrationsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, das den differenzierteren deutschen Forschungsstand jedoch nicht eingehend berücksichtigt. Dies liegt zum einen an der Form der Überblicksdarstellung, die sich auf bekannte Sekundärliteratur bezieht, zum anderen an der einseitigen Beschreibung der Entstehungsprozesse migrationspolitischer Gesetze und Debatten. Vernachlässigt werden nicht nur Kontroversen innerhalb und zwischen den verschiedenen Ministerien – die Karen Schönwälder eindrucksvoll analysiert hat1 –, sondern auch Proteste und Forderungen von Migrant/innen selbst. Gerade die Einbeziehung einer solchen Akteurs- und Erfahrungsgeschichte der Migration würde die Migrationspolitik als ein dynamischeres Feld erscheinen lassen, und es könnte sichtbar werden, dass die Politik mitunter auch in Reaktion auf migrantische Forderungen handelt.

Anmerkung:
1 Karen Schönwälder, Einwanderung und ethnische Pluralität. Politische Entscheidungen und öffentliche Debatten in Großbritannien und der Bundesrepublik von den 1950er bis zu den 1970er Jahren, Essen 2001 (vgl. Imke Sturm-Martin: Rezension zu: Schönwälder, Karen: Einwanderung und ethnische Pluralität. Politische Entscheidungen und öffentliche Debatten in Grossbritannien und der Bundesrepublik von den 1950er bis zu den 1970er Jahren. Essen 2001, in: H-Soz-u-Kult, 23.02.2004, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-1-200>).

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