C. Ottersbach: Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg

Cover
Titel
Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg. Architektur und Selbstdarstellung des reichsfreien Adels und geistlicher Herrschaften zwischen 1450 und 1950


Autor(en)
Ottersbach, Christian
Reihe
Forschungen und Berichte der Bau- und Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg
Erschienen
Ostfildern 2022: Jan Thorbecke Verlag
Anzahl Seiten
584 S., 635 überwiegend farb. Abb.
Preis
€ 79,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anne Sophie Overkamp, Historische Wissenschafts- und Technikforschung, Universität Wuppertal

Der hier besprochene Band zu Schlössern und Gärten in Baden-Württemberg ist das Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprojektes, das vom Landesamt für Denkmalpflege in Stuttgart initiiert und von dem Kunsthistoriker Christian Ottersbach unter Mitarbeit von Claudia Mann und Aline Meukow durchgeführt wurde. Es ist sehr zu begrüßen, dass die Ergebnisse des Projektes, das ursprünglich nur intern dokumentiert werden sollte, nun als eine reich illustrierte Publikation vorliegen. Dieses gibt so auch der breiteren Öffentlichkeit einen umfassenden und wissenschaftlich fundierten Überblick über Schlossanlagen in Baden-Württemberg.

Der Band ist in einen eher darstellenden sowie einen Katalogteil gegliedert und ähnelt damit der kommentierten Neuausgabe des Ansichtenwerks von Alexander Duncker zu Herrenhäusern in Brandenburg und der Niederlausitz.1 Im ersten, mit 350 Seiten deutlich längeren Teil werden definitorische Fragen (Was ist ein Schloss?), eine kurze Einführung in die Adelslandschaft Südwestdeutschlands sowie zentrale Merkmale des Schlossbaus behandelt. Im zweiten Teil folgen dann detaillierte Dossiers mit Lageplänen, Grundrissen und Detailfotos zu fünfunddreißig ausgewählten Schlössern der Untersuchungsregion. Bei diesen Schlössern handelt es ausschließlich um Sitze des Niederadels beziehungsweise kleinerer Reichsgrafen sowie der klösterlichen Herrschaften. Es geht damit um Bauten, die deutlich weniger bekannt und gut erforscht sind als die landesherrlichen Besitzungen. Als Begründung für diesen in der Kunstgeschichte und Denkmalpflege selten gewählten Fokus nennt Ottersbach, dass sich gerade in den deutlich kleineren Schlössern des reichsfreien Adels die „Lebens- und Herrschaftsverhältnisse auf dem Lande zwischen Spätmittelalter und Ende der Monarchie in besonders plastischer Weise“ widerspiegelten (S. 13). Damit nimmt Ottersbach Überlegungen auf, die auch mehrere jüngere Forschungsprojekte charakterisieren, ohne seine Untersuchung jedoch in diesen größeren, aktuellen Forschungskontext zu verorten.2 Als Vergleichsregion zieht er allemal Franken, nicht aber andere Regionen und ihre Rittersitze heran.3

Der darstellende Teil wird mit einem Beitrag von Kurt Andermann, einem ausgewiesenen Kenner des reichsritterschaftlichen Adels und der südwestdeutschen Adelslandschaft, eingeleitet. Der Beitrag gibt einerseits einen Überblick über die großen historischen Linien sowie die Charakteristika der Reichsritterschaft und ordnet andererseits auch gleich das Verhältnis von Adel und Schloss als ein dialektisches ein. Darauf folgt eine konzise Diskussion Ottersbachs zum Begriff Schloss, bei der sowohl historische Definitionen als auch die verschiedenen Bestandteile eines Schlosses und Unterarten von Schlössern Beachtung finden. Bereits in diesem Teil fallen die sorgfältig gewählten Illustrationen auf, die Ottersbachs Schilderung auch für die kunsthistorisch weniger bewanderte Leserschaft am Objekt nachvollziehbar machen. Es folgt ein Kapitel zum Verhältnis von Schloss und Wehrhaftigkeit, das zugleich ein Beitrag ist zu der Debatte um den Wandel von Burg und Schloss sowie der vermeintlichen Bedeutung der Einführung von Feuerwaffen hierfür. Der Autor zeigt vielmehr auf, dass Türme, Scharten und Gräben bis weit ins 18., ja bis ins 19. Jahrhundert konstitutive Elemente des Schlossbaus blieben. Damit gingen auch Kuriositäten wie etwa die Schlüsselscharten auf Schloss Großlaupheim einher, die in eine Betonmauer eingelassen wurden (S. 89).

Des Weiteren würdigt der Autor in einzelnen Kapiteln Memoria und Standesbewusstsein als bedeutende Impulsgeber des adeligen Schlossbaus, die Entwicklungslinien der Gartenkunst und Ausstattung der Schlossgärten sowie die adelige Lebenswelt auf Schlössern. Positiv hervorzuheben ist gerade bei dem letzten Kapitel, dass nicht nur die Ausstattung der herrschaftlichen Räume, ihre wandfeste Dekoration und die darin umgesetzten Bildprogramme Beachtung finden, sondern ebenso die Verwaltungsräume (Kanzleien, Archive und Registraturen), die Wirtschafts- und Versorgungsräume, die Quartiere der Dienstboten wie auch die agrarwirtschaftlichen Außengebäude der Schlossanlage in die Darstellung mit einbezogen werden. Ganz im Sinne des eingangs formulierten Anspruchs finden darüber hinaus auch die herrschaftlichen Verwaltungsbauten im Dorf, herrschaftliche Betriebe wie Mühlen oder Ziegelhütten sowie die Schlosskapellen und Pfarrkirchen und die darin befindlichen Grabmäler und Grüfte Berücksichtigung. Ottersbach würdigt somit die untersuchten Schlösser in einem umfassenden Sinne, die ihrer Bedeutung als herrschaftlichem und wirtschaftlichem Mittelpunkt auf dem Land vollständig Rechnung trägt.

Etwas stärker kunsthistorisch ausgerichtet ist der etwas unglücklich platzierte, weil dazwischenliegende Abschnitt, der sich mit den Entwicklungslinien des Schlossbaus in Südwestdeutschland vom Spätmittelalter bis in die Moderne beschäftigt und versucht, für verschiedene Zeitabschnitte Typologien zu bilden. So wird die Zeit von 1450 bis 1634 (eigentlich bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs) als ein Abschnitt unter dem Schlagwort „Renaissance“ gefasst, in dem Schlossbau von Innovationen geprägt gewesen sei und sich die „Vieltürmigkeit“ als zentrales Gestaltungselement herausgebildet hätte. Zugleich sei der Schlossbau jedoch so vielfältig und inhomogen gewesen, dass es sich fast verbiete, „eine Typologie des Schlossbaus für die Zeit zwischen 1450 bis 1650 aufzustellen“ (S. 111). Die nur auf wenigen Seiten abgehandelte Epoche des sogenannten Frühbarocks (1648–1698) war in Südwestdeutschland von Krieg und Not geprägt, sodass nur wenig gebaut wurde und eher das Beharren auf dem Althergebrachten im Vordergrund stand. Im 18. Jahrhundert wurden dann die landesherrlichen Schlossbauten gerade für die Raumfolge stilbildend und der ritterschaftliche Adel suchte bei Neu- sowie Umbauten Achsensymmetrie, repräsentative Treppenhäuser und Mansardendächer in den eigenen Häusern zu verwirklichen; es kam nachgerade zu einer Hochkonjunktur des Schlossbaus. Für das 19. und 20. Jahrhundert schließlich zeigt der Autor auf, wie auch in Südwestdeutschland Architekturmoden wie Historismus, Burgenromantik und Reformstil Bahn brachen, zugleich aber auch manches Schloss sich zu einer Bierbrauerei wandelte oder von bürgerlichen Besitzern neofeudal überformt wurde. Eine Typologie eines genuin südwestdeutschen Schlossbaustils lässt sich somit nicht ausmachen. Hierzu trug nicht zuletzt bei, dass sich die Adligen bei ihren Bauvorhaben häufig an ihrem Dienstherrn (das heißt nicht zuletzt an Preußen und Habsburg) und nicht so sehr an ihrem Lehnsherrn orientierten (S. 101).

In diesen thematisch orientierten Kapiteln wird immer wieder auf die im anschließenden Katalogteil im Einzelnen gewürdigten Schlösser Bezug genommen. Wo sie im Fließtext erwähnt werden, sind sie gefettet hervorgehoben, sodass bei Bedarf auch noch das ausführlichere Dossier hinzugezogen werden kann. In den Dossiers wird das jeweilige Schloss jeweils kurz verortet – dem Katalogteil ist auch eine Karte beigegeben, auf der alle behandelten Schlösser verzeichnet sind –, in seiner äußeren Erscheinung beschrieben und architekturhistorisch eingeordnet. Angaben zu den verschiedenen Besitzerfamilien, Kunsthandwerkern, die am Schlossbau und der Ausstattung mitgewirkt haben, sowie ein Hinweis auf hervorstechende Merkmale, teils auch auf den Erhaltungszustand runden die Dossiers ab. Die Grundrisszeichnungen und vielen Detailfotos, gerade auch von der wandfesten Ausstattung, sind besonders hervorzuheben, da die Gebäude sich vielfach noch in Privatbesitz befinden und nicht öffentlich zugänglich sind. Die Auswahl der fünfunddreißig Bauten ist gut getroffen und vermittelt einen reichhaltigen Eindruck von der Vielfalt sowie langen Dauer der südwestdeutschen Schlösserlandschaft. Die den jeweiligen Dossiers beigegebenen Literatur- und vor allem auch Archivangaben laden zudem dazu ein, selbstständig weiterzuforschen.

Alles in allem kann der Band als gelungen gelten, da er einen umfassenden Eindruck der nicht landesherrlichen Schlossbauten sowie ihrer Bedeutung für die Adels- und Kulturlandschaft Südwestdeutschlands bis heute vermittelt. Es ist allerdings kein Buch, das man in einem Rutsch durchliest. Dies liegt nicht nur an der Trennung des Buches in einen darstellenden und einen Katalogteil sowie den sich daraus ergebenden Wiederholungen, sondern auch an den fehlenden Überleitungen zwischen den einzelnen thematischen Kapiteln. Diese stehen vielmehr für sich allein, bieten dabei aber eine sinnvolle Hinführung auf den jeweils behandelten Teilaspekt des übergeordneten Themas Architektur und Selbstdarstellung des reichsfreien Adels. Der Band mit seinen ausführlichen Dossiers macht aber auf jeden Fall deutlich, welch große Bandbreite an Gebäuden als Schloss gelten kann und erweitert so unser Wissen um einen spezifischen Gebäudetyp der europäischen Neuzeit.

Anmerkungen:
1 Peter-Michael Hahn / Hellmut Lorenz (Hrsg.), Herrenhäuser in Brandenburg und in der Niederlausitz. Kommentierten Neuausgabe des Ansichtenwerks von Alexander Duncker (1857–1883), 2 Bde., Berlin 2000.
2 Vgl. etwa das Projekt „Landhäuser im Wandel“ an der Universität Tübingen und die dazugehörige Online-Ausstellung, https://www.landhäuser-im-wandel.de (09.01.2025) sowie das an der Universität Göttingen durchgeführte Forschungsprojekt zu den Calenberger Rittergütern, https://www.uni-goettingen.de/de/650235.html (09.01.2025).
3 Vgl. etwa die schon ältere Arbeit Rudolf vom Bruch, Die Rittersitze des Fürstentums Osnabrück, 2. Neudr. der Ausg. Osnabrück 1930, Osnabrück 1982; Armgard von Reden-Dohna (Hrsg.), Die Rittersitze des vormaligen Fürstentums Hildesheim, Göttingen 1995.

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