D. Bloxham u.a. (Hrsg.): Oxford Handbook of Genocide Studies

Cover
Titel
The Oxford Handbook of Genocide Studies.


Herausgeber
Bloxham, Donald; Moses, Dirk A.
Reihe
Oxford Handbooks
Erschienen
Anzahl Seiten
675 S.
Preis
€ 105,95
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Boris Barth, Universität Konstanz

Nachdem 2005 in den USA bereits eine umfangreiche dreibändige „Encyclopedia of genocide and crimes against humantiy“ erschienen ist, hat Oxford University Press nun ein voluminöses Werk herausgegeben, in dem 32 Autoren beanspruchen, die gesamte moderne Forschung zum Thema Genocide darzulegen. Konzeptionell steht das Buch in einer angloamerikanischen Tradition, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat und in der der Genozid-Begriff inflationär gebraucht wird: So ziemlich jede Form von staatlicher und nicht-staatlicher Grausamkeit und Gewalt wird unter dem Terminus Genozid abgehandelt, und die jeweiligen Autoren benutzen auch unterschiedliche, zum Teil allerdings recht ausgefeilte theoretische und methodische Ansätze. Der Rezensent hat schon mehrfach an anderer Stelle bezweifelt, dass eine derart ausgedehnte Verwendung des Genozid-Begriffes sinnvoll ist, weil er zu einer grenzenlosen Beliebigkeit führt. So wird auch in diesem Buch die Zerstörung Trojas, der Einzug der antiken Juden in das Heilige Land, allerlei mittelalterliche Massaker und Zerstörungsphantasien, der scramble for Africa und vieles mehr, darunter eher nebenbei auch der Holocaust, unter dem Genozid- Begriff subsummiert. Warum eigentlich nicht? Man kann die Geschichte der Menschheit durchaus als die Geschichte endloser Genozide schreiben. Allerdings fragt man sich, ob dadurch irgendein Erkenntnisgewinn zu erzielen ist außer derjenige, dass Menschen stets mit großem Engagement andere Menschen, vorzugsweise schwächere, totgeschlagen haben – aber das ist ja auch spätestens seit Homer gut bekannt.

Diese grundsätzliche Kritik an der Konzeption schließt allerdings nicht aus, dass sich einige ausgezeichnete Beiträge in dem Buch finden, auch wenn nicht alle Aufsätze hier angemessen gewürdigt werden können. Hervorragend ist die detaillierte Darstellung von Dirk Moses über die Entstehung von Lemkins Genozidkonzept. Lesenswert ist ferner der wie üblich gewohnt souveräne Beitrag von William A. Schabas über die juristische Herangehensweise an das Problem, und derjenige von Dan Stone über die Problematik der traumatischen Erinnerungskulturen. Zumindest zum Nachdenken regt der Aufsatz von Mark Levene an, der künftige Gefahren von Massenmord aufzeichnet, und positiv ist insgesamt das Bemühen um eine interdisziplinäre Perspektive, auch wenn diese nicht immer miteinander verzahnt wird. Benjamin Liebermans Aufsatz über die Tragweite des Konzeptes der ethnischen Säuberungen besticht durch ein präzises historisches Problembewusstsein und kann als Einführung in das Thema empfohlen werden. Schließlich umreißt Elisa von Joeden-Forgey mit der Gender-Frage ein immer noch stark vernachlässigtes Feld, und sie kann vor allem zeigen, dass im Bereich der sexuell aufgeladenen, oft ritualisierten Massengewalt gegen Frauen noch ein enormer Forschungsbedarf besteht.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass der Band einige sehr lesenswerte und weiterführende Aufsätze enthält, deren Lektüre für jeden verpflichtend ist, der sich mit dem Thema von Massengewalt befasst. Zugleich aber ist fraglich, ob die Anwendung des Genozid-Konzeptes in dieser Breite und Allgemeinheit wirklich sinnvoll oder weiterführend ist.

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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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