In der vorliegenden, 2008 an der Universität München abgeschlossenen Dissertation stellt Georg Strack mit dem Nürnberger Klerikerjuristen Thomas Pirckheimer einen typischen Vertreter einer neuen Gelehrtenschicht vor, die auf der Grundlage einer in Italien erworbenen akademischen Bildung im 15. Jahrhundert als „gelehrte Räte“ an den Schaltstellen der deutschen Fürstentümer und Städte den Prozess der Machtverdichtung wesentlich mitbestimmten. Da Pirckheimer auch zu den frühesten Vertretern des deutschen Frühhumanismus gehörte, verspricht das Buch auch Aufschlüsse über die sozialhistorische Bedeutung dieses neuen Gelehrtentypus für den im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts verstärkt einsetzenden Bildungs- und Kulturtransfer von Italien nach Deutschland.
In seiner Einleitung (S. 12–20) stellt Strack die Lebensbeschreibung Thomas Pirckheimers in den Kontext einer seit den 1960er-Jahren neu etablierten sozialhistorischen Forschungsrichtung, die Biografien als Bausteine einer „Mikro-Historie“ (S. 13) versteht, mit deren Hilfe sich die Strukturen spätmittelalterlicher Territorialisierungspolitik besser begreifen lassen. Ein besonderes Augenmerk richtet Strack in diesem Zusammenhang auf die professionelle Seite der frühhumanistischen Interessen des Juristen und Diplomaten Pirckheimer, vor allem darauf, inwieweit sich hier verallgemeinernde Aussagen zum Einfluss der gelehrten Räte auf die soziopolitische Geschichte Deutschlands im Spätmittelalter treffen lassen.
Strack ordnet sein Quellenmaterial, das er in einer staunenswerten Fülle gesichtet und ausgewertet hat, zunächst in zwei biografische Kapitel. In dem kleineren, „Familie und Studium“ (S. 21–53), beschreibt er die Herkunft Pirckheimers aus einer Familie, die in Nürnberg gegen Ende des 14. Jahrhunderts mit Finanz- und Handelsgeschäften zu Geld und einem bemerkenswerten politischen Aufstieg kam, seit den 1420er-Jahren dann aber wegen Handels- und Finanzkrisen auf Tätigkeiten im Ratsdienst der Städte und Fürsten zu setzen begann. Diese interessante Neuprägung der Interessen setzt bereits bei Thomas’ Vater Franz Pirckheimer ein und schlägt bei dessen Sohn vollends durch, der sich nicht nur damit begnügte, von 1433 bis 1439 mit Leipzig und Erfurt in zwei akademischen Zentren Deutschlands zu studieren, sondern in Padua, Perugia und Pavia (1441–1447) mit einer juristischen Ausbildung zielgerichtet eine Karriere als gelehrter Fürstendiener ansteuerte. Eine zähe, letztlich aber erfolgreiche Auseinandersetzung Pirckheimers mit einer italienischen Fraktion um das Rektorat in Perugia zeugt von einem neuen Bildungs- und damit Selbstbewusstsein des deutschen Scholaren in Italien.
Mit der Promotion zum Doktor beider Rechte standen Thomas Pirckheimer bei seiner Rückkehr nach Deutschland mehrere berufliche Möglichkeiten offen. Er entschied sich für eine „Karriere als gelehrter Rat“ in Diensten der Herzöge von Bayern (München und Landshut), des Pfalzgrafen bei Rhein sowie der Reichsstädte Nürnberg und Regensburg. Strack beschreibt die Lebens- und Berufsstationen Pirckheimers in dem wesentlich größeren der beiden biografischen Kapitel (S. 54–187) und reichert dieses mit drei nützlichen Zwischenresümees zum „Beginn seiner Ratskarriere (1447–58)“ (S. 95f.), zum Thema „Aufstieg an der Kurie und Erfolge als gelehrter Rat (1458–61)“ (S. 139–141) sowie zu den – zu Recht separat behandelten – „Pfründen, Klientelbeziehungen und Einkommen“ (S. 187) an. Bei der Beschreibung der Ratstätigkeit Pirckheimers arbeitet Strack diesen als Juristen mit einem erstaunlich breiten Arbeitsspektrum heraus, das ihn als praktizierenden Gerichtsjuristen, als Rechtsgutachter und Diplomaten sowie als kirchenpolitischen Interessensvertreter an der Kurie ausweist, der vor allem in Pfründenangelegenheiten die Tätigkeiten der Prokuratoren seiner Dienstherren durch gute Verbindungen nach Rom zu unterstützen wusste. Zur Durchsetzung der ihm aufgetragenen Anliegen nutzte Pirckheimer bereits zu Beginn seiner Ratskarriere ein Netz aus Klientelverbindungen, das er teils durch Familienbeziehungen, teils beim Studium in Italien geknüpft hatte und das ihn bereits in den 1450er-Jahren zu den höchsten kirchenpolitischen Schaltstellen an der Kurie führte, etwa zu den Kardinälen Nikolaus von Kues, Juan de Carvajal und Enea Silvio Piccolomini (seit 1458 Papst Pius II.). Diplomatisch geschickt versuchte Pirckheimer dabei, seine eigene Karriere und Versorgung als Kleriker nicht mit den Interessen seiner Auftraggeber oder Förderer kollidieren zu lassen. So trat er in einigen Fällen sogar von einträglichen Pfründen zurück, wenn ihm das politisch opportun erschien, so etwa in Augsburg und Kelheim. Nach der Teilnahme am Fürstentag von Mantua (1458) zeichnete sich mit einigen Rückschlägen zu Beginn der 1460er-Jahre das Ende von Pirckheimers Ratskarriere ab, die ihn 1463/64 zum Rückzug nach Regensburg zwang. Dort konnte er nur noch gelegentlich seine Verbindungen zur Kurie für juristische Tätigkeiten vor Ort nutzen und wurde immer stärker in Konflikte mit den bayerischen Herzögen getrieben, so dass ihm der offizielle Entzug seines Ratstitels 1471 kurz vor seinem Tod (1473) nicht erspart blieb. Immerhin erlaubte ihm eine beachtliche Kumulation kirchlicher Pfründen und Pensionen, trotz einer gewissen Depression in den frühen 1460er-Jahren, in seiner späten Zeit in Regensburg ein standesgemäßes Leben, das zumindest auf wirtschaftlicher Seite seiner einstigen Bedeutung als gelehrter Rat entsprach.
Dem Thema „Thomas Pirckheimer und der Frühe Humanismus“ nähert sich Strack gegen Ende seiner Studie in einem eigenen Kapitel (S. 188–260). Er geht dabei aus von der humanistischen Sammelhandschrift London, British Library, Cod. Arundel 138, deren Faszikel von Pirckheimer nach der kodikologischen Analyse während seiner Studienjahre in Padua und Pavia 1441–1447 teils geschrieben, teils erworben und in der Folge annotiert und erweitert wurden. Strack zieht für eine Einschätzung der Bedeutung dieser Textsammlung für die frühhumanistische Prägung Pirckheimers nicht nur die einschlägigen Verfasserkreise heran (Cicero, Guarino Veronese, Leonardo Bruni, Antonio Beccadelli, Poggio Bracciolini sowie weitere lokale Größen aus Pavia und Padua), sondern analysiert – ausgehend vom verbindenden rhetorischen Element der Schriften – auch die oratorische Praxis an der Universität und in diplomatischen Missionen, für die Pirckheimer in den Schriften seiner Sammlung eine theoretische Grundlage und praktische Muster finden konnte. Abgerundet wird das Kapitel durch einen Blick auf die reichhaltigen Kontakte mit anderen Frühhumanisten in Deutschland, die nicht durchwegs Pirckheimers kirchenpolitische Klientelverbindungen, sondern auch gemeinsame Interessen für die studia humanitatis widerspiegeln.
Mit einem instruktiven Kapitel „Ergebnisse und Ausblick“ (S. 261–267) fasst Strack die Ergebnisse seiner mustergültigen biografischen Studie wohltuend knapp und konzise zusammen. In einem Anhang (S. 268–298) ediert er zusätzlich dreizehn Quellen, von denen bislang nur eine (Nr. 2, S. 270f.) im Druck vorlag, und erschließt diese mit nützlichen Kommentaren zu Personen, Orten, Literaturstellen und Sachen, wobei er auch auf deren Erwähnung im Fließtext hinweist. Drei Tabellen (S. 299–301) geben Aufschluss zu den Textzeugnissen wichtiger humanistischer Leitautoren in Sammelhandschriften verschiedener deutscher Frühhumanisten (neben Thomas Pirckheimer auch Johannes Zeller, Johannes Heller, Hans Pirckheimer, Albrecht von Eyb, Johannes Gossolt) und ermöglichen so eine erste Einschätzung von Pirckheimers frühhumanistischem Profil (S. 299–301). Ein Abkürzungsverzeichnis (S. 302–304), Listen der „Archiv- und Bibliotheksbestände“, das heißt der nach den heutigen Besitzorten sortierten ungedruckten Quellen (S. 305–308), sowie zu den gedruckten Quellen und Hilfsmitteln (S. 308–317), eine imposante Liste der benutzten Forschungsliteratur (S. 318–369) sowie ein nützliches Namens- und ein Ortsregister (S. 370–383; die beigegebenen prosopografischen Schlagworte zu historischen Personen allerdings ohne Lebensdaten) erleichtern die Suche nach relevanten Informationen im Fließtext und runden das Buch zu einer detailreichen und verständlich geschriebenen historischen Studie ab.
Insgesamt zeichnet sich Strack bei der Darstellung des Lebens und Wirkens Thomas Pirckheimers durch einen souveränen Umgang mit den Quellen und der Forschungsliteratur aus. Vor dem Hintergrund der Ratskarriere des Nürnberger Juristen entfaltet er auf diese Weise ein faszinierendes und detailreiches Spektrum, das eine Fülle interessanter Beobachtungen zum Funktionieren herrschaftlicher Politik im 15. Jahrhundert in Süddeutschland ermöglicht und auf methodisch ähnlich verantwortungsvoll gestaltete Studien hoffen lässt.