Titel
Pedagogy of Democracy. Feminism and the Cold War in the U.S. Occupation of Japan


Autor(en)
Koikari, Mire
Erschienen
Philadelphia 2009: Temple University Press
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
€ 24,37
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Robert Kramm, Faculty of Social Science, Waseda University Tokio

Schon seit einigen Jahren rücken in der Forschung zum Kalten Krieg dessen kulturelle Dimensionen immer mehr in den Mittelpunkt. Rhetoriken der Bedrohung und der Eindämmung oder neue, idealisierte Formen des sozialen und politischen Lebens, die früher oft nur als Nebeneffekte der „eigentlichen“ Ereignisse erachtet wurden, bieten wichtige Ansatzmöglichkeiten, die globalen Verflechtungen und Machtverhältnisse des Kalten Krieges zu erfassen. Dazu zählen auch die von Mire Koikari untersuchten geschlechtspolitischen Reformprogramme während der US-Okkupation Japans zwischen 1945 und 1952, einer frühen Phase des Kalten Krieges. Diskurse über Reformen und damit verbundene Praktiken – wie die Gleichstellung der Frau und die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Frauen – seien, so Koikari, bisher nicht als integraler Bestandteil der militärischen Besatzung und der US-Eindämmungspolitik in Japan herausgearbeitet worden. Tatsächlich aber seien sie eng mit den Dynamiken des Kalten Krieges verwoben (S. 5). Diese Lücke will Koikari unter Berücksichtigung bisheriger Arbeiten zur US-Okkupation Japans, kulturwissenschaftlicher Perspektiven auf den Kalten Krieg sowie feministischer Ansätze der postcolonial studies interdisziplinär schließen.

Die US-Okkupation Japans wies kulturelle Differenzierungsmuster auf, wie sie häufig für koloniale Konfrontationen herausgestellt worden sind. Eine zentrale Figur war oft die nach „rassischen“ und geschlechtlichen Kriterien konstruierte „eingeborene Frau“, die zum Zielobjekt einer – in diesem Fall US-amerikanischen – Zivilisierungs- bzw. Demokratisierungsmission wurde. Dabei wird der US-Okkupation Japans oft bescheinigt, die Befreiung der japanischen Frau vom so genannten „feudalistischen Chauvinismus“ durch die (verfassungs-)rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau und die Einführung des Frauenwahlrechts durchgesetzt zu haben. In diesem bisher (auch von feministischen Studien) kaum hinterfragten Narrativ sind die Handlungskompetenzen meist klar geregelt: aus demokratischer Überzeugung und mit Unterstützung „weißer“ Besatzerinnen verhalfen der amerikanische Oberkommandierende, General MacArthur, und andere männliche Angehörige der militärischen Elite den passiven Japanerinnen zur politischen Partizipation.

Koikari bricht mit dieser Meistererzählung auf verschiedenen Ebenen. Sie bezeichnet die Besatzerinnen, die die japanischen Frauen zu Demokratie und Antikommunismus, Häuslichkeit und heterosexueller Normativität erziehen sollten, selbst als Agentinnen US-amerikanischer Hegemonie im Kalten Krieg und räumt ihnen wesentlich mehr Handlungsraum ein als den männlichen Eliten. Gleichzeitig störten US-Frauen aber auch die idealisierte Ordnung des Kalten Krieges. Denn gerade durch ihre politischen Aktivitäten brachen sie mit dem Ideal der weiblichen Häuslichkeit und schufen bei der Interaktion mit japanischen Frauen „weibliche homosoziale Räume“, die Irritationen und Ängste bei den männlichen Besatzern hervorriefen (S. 80/81). Diese Formen von (Cold War) imperial feminism nimmt Koikari in theoretischer Anlehnung an Autorinnen wie Anne McClintock, Amy Kaplan und Joan W. Scott unter den Analysekategorien Gender, race, Klasse, Sexualität, Nationalismus und Empire in den Blick (S. 28).

Koikari bewältigt den thematischen Einstieg in ihre Kapitel meist mithilfe autobiographischer Texte von US-Frauen, die für die Besatzungsadministration arbeiteten. Kapitel 2 beginnt mit Beate Sirota Gordon, die als russische Jüdin während des Zweiten Weltkriegs aus Europa nach Japan floh, von dort in die USA immigrierte und als Mitarbeiterin der Civil Information and Education Section nach Japan „zurückkehrte“. Gordon verfügte über Landeserfahrung und Japanischkenntnisse, hatte jedoch kein Jurastudium absolviert. Dennoch erhielt sie den Auftrag, die Frauenrechtsartikel der revidierten Verfassung Japans zu verfassen, und wird seither als Befreierin der japanischen Frau gefeiert. Koikari beschreibt Gordons Rolle jedoch als ambivalent: Einerseits wirkte Gordon als „Komplizin“ des US-amerikanischen Imperialismus, die sich als „weiße“ Frau den japanischen Frauen überlegen fühlte. Andererseits positionierte sie sich als selbst erklärte Grenzgängerin und Japankennerin in einer differenzierten Haltung gegenüber den Besatzern und zog wegen deren Unkenntnis in Bezug auf Japan die Erfolgsaussichten der Reformierungsmission in Zweifel. Dadurch stellte Gordon die Besatzungspolitik generell in Frage und destabilisierte sie darüber hinaus, indem sie beispielsweise zur rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter die Weimarer Reichsverfassung von 1919 sowie die Verfassung der Sowjetunion von 1936 als Vorlagen heranzog (S. 35).

Ambivalenzen entstanden auch durch die Aktivitäten japanischer Frauen selbst, die von Koikari in Kapitel 3 behandelt werden. So setzten sich beispielsweise japanische Frauen der Mittel- und Oberschicht für Frauenrechte ein, indem sie Diskussionsrunden organisierten und Petitionen verfassten. Solche Gruppen wurden von US-Frauen wie Carmen Johnson und Ethel Weed in Trainingsseminaren in der Ideologie des ‚American way of life‘ geschult, die jedoch keine einseitige Indoktrination von US-amerikanischen Werten und Normen darstellten. Japanische Frauen begannen schnell, mit und ohne Unterstützung ihrer „Lehrerinnen“ Kritik am US-Demokratiemodell zu äußern, das wegen ,race‘- und geschlechtsbasierten Ungleichheiten in den USA selbst nicht nach Japan importiert werden könne. Damit setzten sich die Frauen nicht nur über die Grenzen der ihnen zugewiesenen, eingeschränkten Öffentlichkeit hinweg, sondern formulierten Zweifel an der Gültigkeit des universellen Ideals US-amerikanischer Demokratie (S. 106).

Kapitel 4 und 5 heben die Aktivitäten japanischer Frauen in den Gender-Reformen noch stärker hervor. Koikari macht hier stärker als in den vorangegangenen Kapiteln die Verschränkungen von Gender, Klasse, Sexualität und Nationalismus im besatzungszeitlichen Diskurs deutlich. So beschreibt sie in Kapitel 4, wie japanische Aktivistinnen, die sich bereits kurz nach Kriegsende massiv in der linken Arbeiterbewegung engagierten, in Konflikt und Komplizenschaft mit den Frauen der Mittel- und Oberschicht gerieten. Aktivistinnen wie Nosaka Ryô nutzten die von den Besatzerinnen und Besatzern initiierte Öffentlichkeit, um ihr Ideal der sowjetischen Frau zu propagieren, die im Gegensatz zur mittelständischen US-Frau beispielsweise keine Diskriminierung am Arbeitsplatz erfahre (S. 122). In Konflikten mit männlichen Aktivisten präsentierten sie sich jedoch, ähnlich wie die Frauen der Mittel- und Oberschicht, als „reine“ und „respektable“ Frauen Japans. Damit reproduzierten sie einerseits klassenspezifische Unterschiede zwischen sich und „unrespektablen“ Frauen (insbesondere Prostituierten). Andererseits ermöglichte dieser Wunsch nach „Respektabilität“ (sexueller Heteronormativität, Häuslichkeit, usw.) die Fortsetzung eines nationalistischen Sexualitätsdiskurses, der an vorkriegszeitliche Debatten um die „weise Mutter und gute Hausfrau“ anknüpfte. Dabei schuf der Wunsch nach Klassenunterschieden einen Raum, in dem japanischer Nationalismus, der sonst von der Besatzungsadministration zensiert war, das Kriegsende überdauern konnte.

Wie Kapitel 5 zeigt, war die Idealisierung des (weiblichen) heterosexuellen Körpers nach 1945 besonders durch die vermeintliche Bedrohung durch Geschlechtskrankheiten geprägt (S. 160f.). Frauen der japanischen Unterschichten – insbesondere Prostituierte – wurden stigmatisiert, weil sie angeblich massiv Geschlechtskrankheiten verbreiteten. Sie stellten in den Augen der Besatzungsadministration eine Bedrohung für das (hauptsächlich männliche) Besatzungspersonal dar, dessen soldatische Männlichkeit und antikommunistische Kampfkraft vermeintlich durch die Infektion mit Geschlechtskrankheiten geschwächt wurde. Daher spiegeln die Kampagnen gegen Geschlechtskrankheiten und die „zwanghafte Sorge um Krankheit und Reinheit ... deutlich den Kontext von antikommunistischer Eindämmung während des Kalten Krieges“ (S. 187). Bei der Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten entstand jedoch ein komplexes Zusammenspiel von japanischen und US-amerikanischen Akteursgruppen, die auch innerhalb der Besatzungsadministration für Uneinstimmigkeiten sorgten.

Überzeugend zeigt Koikari, dass japanische Frauen gerade nicht passive Rezipientinnen der US-Demokratisierungsprogramme waren, sondern einerseits in ihrer Komplizenschaft an imperiale Diskurse um Nation, Häuslichkeit und Körperlichkeit anknüpften, dabei andererseits die US-amerikanischen Ideale des Kalten Krieges störten und reproduzierten. Besonders durch die Verbindung eines diskursanalytischen und eines akteursorientierten Ansatzes kann Koikari die Mehrdeutigkeiten, Konflikte und Kooperationen in den geschlechtspolitischen Reformen herausarbeiten und eine komplexe Geschichte der Besatzungszeit schreiben. Leider sind Koikaris Argumente und Formulierungen oft redundant. Dabei bestehen gleichzeitig Lücken, weil bestimmte Begrifflichkeiten zwar mantraartig wiederholt, aber nicht ausreichend kontextualisiert werden. Zwar positioniert Koikari ihre Arbeit innerhalb gender-orientierter Forschungsarbeiten, jedoch könnten die Bezüge zu den einschlägigen Studien zu Sexualität, Prostitution, Militarismus und Empire in Ostasien, wesentlich deutlicher gemacht werden. Ihr Argument des imperialen Erbes Japans bei den Gender-Reformen und der Regulierung von Prostitution sollte ebenfalls erweitert werden. Koikaris „frische“ Arbeit zur US-Okkupation Japans im Kontext des Kalten Krieges ist jedoch eine lang ersehnte Studie zur Besatzungszeit, die gerade durch die interdisziplinäre Perspektive nicht nur innerhalb der Japanstudien gelesen werden sollte.

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