J. Roisman u.a. (Hrsg.): A Companion to Ancient Macedonia

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Titel
A Companion to Ancient Macedonia.


Herausgeber
Roisman, Joseph; Worthington, Ian
Reihe
Blackwell Companions to the Ancient World
Erschienen
Oxford u.a. 2010: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
XXVI, 668, [16] S.
Preis
£ 110,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Kleu, Historisches Institut, Universität zu Köln

Wie bei allen Bänden der Blackwell Companions ist es auch der Anspruch des von Joseph Roisman und Ian Worthington herausgegebenen „Companion to Ancient Macedonia“, sowohl Studierende als auch Expertinnen und Experten anzusprechen, was besonders aufgrund der großen Themenvielfalt des in sieben Sinneinheiten unterteilten Bandes durchaus gelungen ist.

Im Anschluss an ein kurzes Vorwort der Herausgeber (S. XIVf.) stellt Edward M. Anson die einzelnen Beiträge und deren Hauptthesen vor, wobei er auch die Notwendigkeit eines Blackwell-Bandes zum antiken Makedonien thematisiert (S. 3–20). Als Gründe hierfür nennt er die neuen Betrachtungsweisen innerhalb der Forschung, die dem Thema in den letzen 50 Jahren zuteil wurden und nicht zuletzt auf den zahlreichen archäologischen Neufunden basieren; besonders betont wird der Wandel der wissenschaftlichen Wahrnehmung Phillips II. (S. 3 u. S. 8f.). Nicht unbedeutend ist hierbei auch die Aktualität des Themas aufgrund des Streites zwischen Griechenland und der Republik Mazedonien, der seinen Schatten auf mehrere Beiträge wirft und am Ende des Buches eigens behandelt wird.

Es folgt der zweite Abschnitt, der sich mit der antiken Überlieferung zu Makedonien auseinandersetzt. Zunächst stellt P. J. Rhodes die literarischen und epigraphischen Quellen vor (S. 23–40), bevor Karsten Dahmen die numismatischen Zeugnisse präsentiert (S. 41–62). Auch wenn aus dem vorrömischen Makedonien kaum literarische und epigraphische Quellen erhalten sind, verdeutlichen die beiden Beiträge, dass vor allem aufgrund der griechischen und der römischen Überlieferung ausreichend Material zur Verfügung steht, um das antike Makedonien zumindest aus einer Außenperspektive heraus unter vielerlei Blickwinkeln zu untersuchen (S. 39).

Der dritte Teil widmet sich dem Land Makedonien und seinen Bewohnern. Carol G. Thomas führt in die Geographie und Topographie der makedonischen Landschaft ein und hebt hervor, wie grundlegend diese natürlichen Voraussetzungen sind, um die Geschichte Makedoniens in angemessener Form untersuchen zu können (S. 65–80). Johannes Engels wendet sich daraufhin aus ethnischer, politischer, religiöser und kultureller Perspektive der Identität der Makedonen zu und erörtert, inwiefern diese als Griechen zu betrachten sind, sich selbst als Griechen verstanden oder von Griechen und anderen Völkern wie etwa den Persern als solche angesehen wurden (S. 81–98). Am Ende der Untersuchung zieht er das Fazit, dass es sich bei diesen Fragen um äußerst komplexe Problematiken handelt, die weiterer Untersuchungen bedürfen, wobei auch moderne anthropologische, ethnographische und soziologische Erkenntnisse einbezogen werden müssten (S. 97). Jedenfalls seien die Makedonen nach dem Alexanderzug in einem höheren Maße als Griechen wahrgenommen worden als zuvor (S. 87). Sulochana R. Asirvatham konzentriert sich auf die Außenwahrnehmung der Makedonen durch Griechen, Römer, Perser und Ägypter und zeichnet dabei den jeweiligen Wandel des Makedonienbildes dieser Völker nach, der oft auch mit einer Vereinnahmung der Person Alexanders des Großen verbunden ist (S. 99–124).

Im vierten Teil des Bandes folgt eine Darstellung der makedonischen Ereignisgeschichte von den Anfängen bis zur Eingliederung in das Römische Reich mit Beiträgen von Sławomir Sprawski (S. 127–144: The Early Temenid Kings to Alexander I), Joseph Roisman (S. 145–165: Classical Macedonia to Perdiccas III), Sabine Müller (S. 166–185: Philip II), Dawn L. Gilley und Ian Worthington (S. 186–207: Alexander the Great, Macedonia and Asia), Winthrop Lindsay Adams (S. 208–224: Alexander’s Successors to 221 BC), Arthur M. Eckstein (S. 225–250: Macedonia and Rome, 221–146 BC) und John Vanderspoel (S. 251–275: Provincia Macedonia). Diesen Beiträgen ist gemein, dass sie auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes das jeweilige Thema in ansprechender und angemessener Form zusammenfassen.

Der fünfte Abschnitt untersucht daran anschließend das Verhältnis Makedoniens zu seinen Nachbarn: William S. Greenwalt beginnt hier mit einer Analyse der makedonischen Interaktionen mit Illyrien und Epiros (S. 279–305), während sich Denver Graninger Thessalien zuwendet (S. 306–325) und Marek Jan Olbrycht die makedonisch-persischen Beziehungen behandelt (S. 342–369). Durch regelmäßige Verweise auf die Beiträge des vierten Abschnitts gelingt es den Autoren weitestgehend, Wiederholungen zu vermeiden. Die wohl eleganteste Lösung findet diesbezüglich Zosia Archibald, die sich bei ihrer Untersuchung des Verhältnisses zwischen Thrakien und Makedonien auf sozio-ökonomische Aspekte konzentriert und die Ereignisgeschichte dementsprechend nur am Rande berührt (S. 326–341).

Im sechsten Teil des Bandes werden nun politische, gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Fragen erörtert. Carol J. King untersucht zunächst das makedonische Königtum und weitere politische Institutionen, wobei zwischen dem Zeitraum bis zum Regierungsantritt Philipps II., den Regierungen Philipps und Alexanders III. und schließlich der Phase nach Alexander unterschieden wird (S. 373–391). Noriko Sawada stellt anschließend soziale Bräuche und Institutionen in Bezug auf die makedonische Führungsschicht vor und thematisiert dabei die Symposien am königlichen Hof, die Jagd und die königlichen Pagen (S. 392–408). Im nächsten Beitrag widmet sich Elizabeth Carney den makedonischen Frauen, womit aufgrund der Quellenlage primär die Angehörigen der Oberschicht gemeint sind, und untersucht deren Stellung unter der Herrschaft der Argeaden, in der Übergangsphase von etwa 316 bis etwa 277/76 v.Chr., in der antigonidischen Zeit und schließlich in der römischen Periode, wobei sie unter anderem aufzeigt, dass Frauen zur Zeit der Antigoniden weit weniger aktiv in Erscheinung traten als unter den Argeaden (S. 409–427).

Paul Christesen und Sarah C. Murray führen daraufhin in die makedonische Religion ein und legen dabei ihren Schwerpunkt auf Aspekte, die die Makedonen in religiöser Hinsicht von den – aus Sicht der Autoren – übrigen Griechen unterschieden (S. 428–445). Auch hier stellt die Quellenlage die Forschung vor zahlreiche Probleme, sodass Christesen und Murray trotz einiger interessanter Feststellungen davor warnen, aus der fragmentarischen Überlieferung zu weitreichende Schlüsse zu ziehen. Daher regen sie eine ausführlichere Untersuchung zur makedonischen Religion an und verweisen darauf, dass näher erforscht werden müsste, inwiefern charakteristische Unterschiede zur griechischen Religion auf eine starke Beeinflussung der frühen Makedonen durch nahöstliche Kulte zurückzuführen sind (S. 443f.). Nicholas Victor Sekunda beschäftigt sich mit der makedonischen Armee; zunächst stellt er die militärische Organisation in den einzelnen historischen Phasen bis zur antigonidischen Dynastie vor und wendet sich dann den makedonischen Soldaten zu (S. 446–471). Es folgt ein von Paul Millett verfasster Beitrag zur politischen Ökonomie Makedoniens (S. 472–504). Millett spricht von „political economy“, da er die makedonischen Wirtschaftsprozesse als sehr tief in einen von der „warrior society“ des Königreiches vorgegebenen Rahmen eingebettet betrachtet; intensiver noch als im klassischen Athen sei die Wirtschaft an ihren gesellschaftspolitischen Rahmen gekoppelt gewesen (S. 475). Grundsätzlich bemüht sich der Autor, den Mangel an wirtschaftstheoretischen Überlegungen, den er in den bisherigen Untersuchungen zur makedonischen Wirtschaft feststellt, zumindest ansatzweise auszugleichen, ohne den wirtschaftswissenschaftlichen Laien damit zu überfordern.

Den Abschluss des sechsten Teiles bilden zwei Beiträge zur makedonischen Kunst: Craig I. Hardiman beginnt mit einer Analyse der klassischen Kunst bis 221 v.Chr. (S. 505–521) und unterstreicht dabei die besondere Schwierigkeit zu definieren, was konkret unter makedonischer Kunst zu verstehen ist, da zahlreiche uns namentlich bekannte Künstler am makedonischen Hof Griechen waren und trotz verschiedener individueller Innovationen letztlich Werke im klassischen hellenischen Stil schufen. Durch den Alexanderzug stellt sich für Hardiman zusätzlich die Frage, ob wir bei ptolemaiischer, seleukidischer und pergamenischer Kunst ebenfalls von makedonischer Kunst sprechen müssen. Schließlich kommt er zu dem Schluss: „The beginnings of Macedonia as a locus of Hellenic art and as a disseminator of this art might be the most ‚Macedonian‘ element of its ‚Classical‘ period“ (S. 520). Erstaunlicherweise fällt es ab dem Jahr 221 v.Chr. leichter, von makedonischer Kunst zu sprechen, wie der Beitrag von Rachel Kousser belegt, die sie von eben diesem Jahr bis 337 n.Chr. behandelt (S. 522–542). Kousser stellt fest, dass die makedonische Kunst bis zur Herrschaft des Augustus traditionell hellenistisch geprägt blieb und auch danach eher als hybrid und kosmopolitisch, denn als römisch zu bezeichnen ist. Hinsichtlich der Spätantike konzentriert sich die Autorin schließlich primär auf die Bautätigkeit des Tetrarchen Galerius in Thessaloniki.

Der siebte und letzte Abschnitt des Buches trägt den Titel „After Rome“ und beginnt mit einem Beitrag von Carolyn S. Snively, die das Makedonien der Spätantike thematisiert (S. 545–571). Hierbei handelt es sich um keine chronologische Darstellung wie bei den Beiträgen des vierten Teils, sondern um thematische Untersuchungen zu konkreten Aspekten wie der Quellenlage, den Grenzen der Provinz, der Rolle Thessalonikis, den politischen, militärischen und ökonomischen Entwicklungen, dem Christentum sowie den Städten, Dörfern und Befestigungsanlagen. Zu guter Letzt bietet der Anthropologe Loring M. Danforth einen Überblick über den Konflikt zwischen dem heutigen Griechenland und der Republik Mazedonien, wobei er kenntnisreich über Inhalt und Umstände des Streites aufklärt (S. 572–598). Nicht zu Unrecht bezeichnet Edward M. Anson diese Thematik als „the most controversial and certainly the most impassioned“ (S. 13) des gesamten Buches. Im Wesentlichen kann man den Beitrag dahingehend zusammenfassen, dass kein Staat das Recht hat, sich in die Namensgebung eines anderen Staates einzumischen und dass grundsätzlich nicht auf der Basis weit zurückliegender Ereignisse argumentiert werden sollte.

Der Band wird abgerundet durch eine ausführliche Bibliographie (S. 599–650) und einen Index (S. 651–668). Zusätzlich befindet sich am Ende eines jeden Beitrages ein kurzes bibliographisches Essay zum Thema, in dem die vorgestellte Literatur kommentiert wird. Zu begrüßen sind außerdem die zehn Karten zu Beginn des Buches und die vier in die Texte eingearbeiteten Abbildungen, wobei man einzig kritisieren könnte, dass keine der Karten die Jahre zwischen 323 und 169 v.Chr. widerspiegelt. Besonders hervorzuheben sind schließlich die 28 Farbphotographien von Münzen, Bauwerken, Landschaften und Kunstwerken, die in den Beiträgen Erwähnung finden.

Die hier vorgestellten 27 Beiträge beleuchten die Geschichte des antiken Makedoniens aus vielerlei Perspektiven und sind daher auch für Expertinnen und Experten durchaus als Gewinn zu betrachten, wobei es sich von selbst versteht, dass die renommierten Autorinnen und Autoren des Bandes gelegentlich Meinungen vertreten, die man durchaus diskutieren kann; auch wird innerhalb des Companion nicht immer eine übereinstimmende Meinung zu jedem Thema gefunden. Wie bereits zuvor bemerkt, erweist es sich als äußerst angenehm, dass durch zahlreiche Querverweise zwischen den Beiträgen Wiederholungen weitestgehend vermieden werden. Die Verständlichkeit der Beiträge für Studierende wird durch eine konsequente Transkription griechischer Begriffe in das lateinische Alphabet sowie die regelmäßige Erläuterung von Fachtermini gewährleistet. Insgesamt betrachtet ist der „Companion to Ancient Macedonia“ aufgrund seiner thematischen Breite sehr zu empfehlen und bietet mancherlei Anregung für weitere Forschungsarbeiten.

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