Christian Philipsen untersucht in seiner Studie die Besteuerung des Klerus durch den Mainzer Erzbischof für den Zeitraum vom 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Göttinger Dissertation wurde von Wolfgang Petke betreut, der in den letzten 15 Jahren als Spezialist für das Niederkirchenwesen hervorgetreten ist und einen Kreis von Schülerinnen und Schülern gebildet hat, die in ihren Qualifikationsschriften zahlreiche Aspekte der Pfarrei und des Benefizialwesens im Spätmittelalter untersucht haben.
Philipsens Untersuchung basiert auf den erhaltenen Registern, die für 15 erzbischöfliche Subsidienerhebungen der Jahre 1510 bis 1522 in den beiden nordhessischen Archidiakonaten Fritzlar und Hofgeismar angelegt worden sind. Die Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert, in denen Philipsen im Anschluss an seine Einleitung (1.) zunächst die Quellen vorstellt (2.), danach auf die Abgaben des Klerus im Allgemeinen (3.) und auf die Subsidienbesteuerung im Besonderen (4.) eingeht. Es folgen ein Überblick über die kirchliche Verwaltung der Archidiakonate Fritzlar und Hofgeismar (5.) sowie schließlich ein Kapitel zur Organisation der Subsidienerhebung (6.).
Der Autor hat sich intensiv mit den Quellen auseinandergesetzt (Kapitel 2), er referiert die Überlieferungsgeschichte der Register, gibt eine formale Beschreibung ihres Inhalts und Umfangs und ordnet undatierte Stücke anhand darin genannter Personen zeitlich ein. Sehr instruktiv sind die im Anhang beigegebenen Abbildungen charakteristischer Seiten der Register, die einen guten Eindruck vom Aussehen der Dokumente sowie vom Aufbau der Einträge vermitteln.
In den folgenden beiden Kapiteln wendet sich Philipsen seinem eigentlichen Thema zu, den unterschiedlichen Abgaben, die die Mainzer Ordinarien von ihrem Diözesanklerus einforderten. Vor dem Hintergrund der erzbischöflichen Geldnot differenzierten sich im 14. Jahrhundert die Abgaben, die der Diözesanklerus nach Mainz abführen musste. Zu diesen zählten regelmäßige Leistungen wie die Annaten, die Procuratio (servitium episcopale), das Cathedraticum und das Synodaticum sowie die außerordentlich erhobenen Subsidia charitativa. Aufgrund ihrer Höhe und Häufigkeit hatten die Annaten und Subsidien die größte Bedeutung unter den Abgaben. Die Annaten, an denen die Mainzer Erzbischöfe ein Gewohnheitsrecht erlangt hatten, musste jeder neue Inhaber eines Pfarrbenefiziums bei Amtsantritt aus seinen Pfründeneinkünften zahlen. Ihre Höhe konnte die Hälfte der jährlichen Pfründeneinkünfte erreichen, wurde jedoch vielfach gemindert.
Anders als die übrigen Abgaben, die dem Erzbischof kraft Amtes regulär zustanden, hatte das Subsidium charitativum den Charakter einer Steuer, die dem gesamten Klerus der Diözese in Fällen besonderer Geldnot auferlegt werden konnte. 1233 ist die erste Subsidienbesteuerung im Erzbistum Mainz dokumentiert, und bis 1522 erhoben die Erzbischöfe in unregelmäßigen Abständen 36 weitere Subsidien. Vor allem im 15. Jahrhundert wurden die Abstände, in denen die Ordinarien mit Geldforderungen an den Klerus herantraten, geringer, allein in diesem Jahrhundert wurden 22 Subsidienerhebungen durchgeführt. Da die Subsidien an aktuelle finanzielle Belastungen des Erzbischofs oder des Hochstifts geknüpft waren, spiegeln sie einen Teil der Bischofsgeschichte wieder. Im Erzbistum Mainz dienten die Gelder einerseits dazu, die erzbischöflichen Servitienzahlungen an die römische Kurie zu begleichen, andererseits Unkosten infolge regionaler Auseinandersetzungen (Hussitenkriege, Konflikt mit den hessischen Landgrafen, Mainzer Stiftsfehde), verschiedener Bauvorhaben sowie des Reichsdiensts der Erzbischöfe zu finanzieren. Seit dem 14. Jahrhundert waren die Mainzer Erzbischöfe bei den Subsidienauflagen an die Zustimmung des Domkapitels gebunden. Auch bei der Verwendung der eingezogenen Gelder machte das Domkapitel ein Mitspracherecht geltend. Die Höhe des Subsidiums belief sich bei sämtlichen Erhebungen auf fünf Prozent der jährlichen Benefizieneinkünfte. Damit entsprach sie genau der Marge, die auch die Konstanzer Bischöfe im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Regelfall erhoben.1 Eine Halbierung der Subsidientaxe gewährte der Erzbischof, wenn die Pfründeninhaber gleichzeitig Annaten zu entrichten hatten.
Im Anschluss an diese quellennah und anschaulich erarbeiteten Darstellungen der Klerusbesteuerung gibt Philipsen einen Überblick über die kirchliche Verwaltung der Archidiakonate Fritzlar und Hofgeismar. Das Archidiakonat Fritzlar war in neun Erzpriestersprengel (sedes) unterteilt und umfasste 212 Pfarrkirchen. Der Kleinarchidiakonat Hofgeismar bestand nur aus einer sedes mit 42 Pfarreien. Zwei Karten im Anhang illustrieren die Verwaltungsgliederung beider Archidiakonate. Die Archidiakone übten einerseits richterliche Funktionen aus und waren andererseits an der Investitur der Pfarrer und Altaristen in ihren Pfründenbesitz beteiligt.
Die Ausführungen zur Verwaltungsgliederung der Archidiakonate an dieser Stelle überraschen. Dem mit der Regionalgeschichte nicht vertrauten Leser bleibt bis zu diesem Kapitel unklar, welche Größe und Bedeutung das Archidiakonat Fritzlar besaß und wie sich das Archidiakonat Hofgeismar zu diesem verhielt. Erst ab Seite 171 wird der Sachverhalt erläutert. Derart grundlegende Informationen hätte man eher am Anfang der Untersuchung erwartet. Ebenso überraschend ist auch die in diesem Kapitel recht umfassend dargestellte Pfründenbesetzung durch die Archidiakone. Hier bleibt fraglich, welchen Bezug Philipsen zwischen der Besteuerung des Klerus und der Besetzung der Pfarrpfründen knüpft, außer jenem, dass die Archidiakone bei beiden beteiligt waren.
Im letzten Kapitel kommt Philipsen wieder auf sein eigentliches Thema zurück, indem er die Organisation der Subsidienerhebung vorstellt. Für die Eintreibung der Gelder waren Haupt- und Subkollektoren verantwortlich. Zum Gremium der Hauptkollektoren, das aus Stiftsklerikern bestand, gehörten als Kontrollinstanzen immer auch zwei Mitglieder des Domkapitels. Die Subkollektoren waren mit dem eigentlichen Erhebungsgeschäft betraut, sie nahmen die Gelder in Empfang und führten die Register. Die Subkollektoren entstammten ebenfalls dem regionalen Stiftsklerus (St. Peter in Fritzlar). Philipsen beschreibt detailliert den Ablauf der Kollekte und gibt einen lebendigen Einblick in das erzbischöfliche Sammelgeschäft.
Die Arbeit von Christian Philipsen reiht sich in die seit Jahren florierende Forschung zum Thema Pfarrei im späten Mittelalter ein.2 Sie bietet einen sorgfältig aus den Quellen erarbeiteten Einblick in die Abgabenforderung der Mainzer Erzbischöfe gegenüber dem Diözesan-, insbesondere dem Pfarrklerus in zwei nordhessischen Archidiakonaten. Damit steht die Studie an der Seite der von Enno Bünz vorgelegten Untersuchungen zu den thüringischen Archidiakonaten des Erzbistums.3 Christian Philipsen zeigt, dass die Auswertung der auf den ersten Blick spröde erscheinenden seriellen Quellen der bischöflichen Finanzverwaltung lohnend ist, weil sie die finanziellen Verhältnisse der Bischöfe und des Diözesanklerus offen legt.
Anmerkungen:
1 Sabine Arend, Zwischen Bischof und Gemeinde. Pfarrbenefizien im Bistum Konstanz vor der Reformation, Leinfelden-Echterdingen 2003, S. 151–163.
2 Wolfgang Petke, Die Pfarrei. Ein Institut von langer Dauer als Forschungsaufgabe, in: Enno Bünz / Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (Hrsg.), Klerus, Kirche, Frömmigkeit im mittelalterlichen Schleswig-Holstein, Neumünster 2006, S. 17–49. Vgl. Jan Rüdiger: Rezension zu: Bünz, Enno; Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim (Hrsg.): Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Schleswig-Holstein. Neumünster 2006, in: H-Soz-u-Kult, 06.12.2006, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-4-178> (09.01.2011). Arnd Reitemeier, Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters. Politik, Wirtschaft und Verwaltung, Stuttgart 2005, sowie die Rezension hierzu von Enno Bünz: Rezension zu: Reitemeier, Arnd: Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters. Politk, Wirtschaft und Verwaltung. Stuttgart 2005, in: H-Soz-u-Kult, 23.05.2007, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-2-108> (09.01.2011). Siehe auch die bei Philipsen, S. 2 Anm. 4f. angeführten Studien. Außerdem sei hingewiesen auf: Die Pfarrei im Spätmittelalter, Frühjahrstagung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte e. V., Insel Reichenau, 31. März bis 3. April 2009, vgl. den Tagungsbericht von Clemens Joos: Tagungsbericht Die Pfarrei im späten Mittelalter. 31.03.2009-03.04.2009, Reichenau, in: H-Soz-u-Kult, 16.06.2009, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2642> (09.01.2011).
3 Enno Bünz, Bistumsfinanzen und Klerusbesteuerung als Problem der vorreformatorischen Kirche. Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506, Köln 2005, vgl. die Rezension hierzu von Sabine Arend: Rezension zu: Bünz, Enno: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506. Köln 2005, in: H-Soz-u-Kult, 26.04.2006, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-2-064> (09.01.2011); ders., Der niedere Klerus im spätmittelalterlichen Thüringen. Studien zur Kirchenverfassung, Klerusbesteuerung, Pfarrgeistlichkeit und Pfründenmarkt im thüringischen Teil des Erzbistums Mainz, Habilitationsschrift Jena, masch. 1999.