Der vorliegende Sammelband beansprucht nicht nur, die semantischen Schichten sowie ideen- und zum Teil auch realgeschichtlichen Kontexte von Souveränität zu erläutern, sondern versteht sich als parteiliche Intervention in den Prozess der, so die Herausgeber, drohenden Zerstörung staatlicher Souveränität in Zeiten von Globalisierung, EU-Integration und transnationalem Terror. Die Herausgeber setzen auf das nationale Gewaltmonopol als „Grundvoraussetzung für jegliche [!] Art menschlicher Freiheit“ (S. 13). Da menschliche Freiheit damit vorweg an das, wenn auch demokratisch interpretierte, Gewaltmonopol gekettet wird, bleibt auch die hellsichtige Frage, die Walter Pauly und Gunter Heiß in ihrem Beitrag stellen, unbeantwortet: „Wo bleibt der Anspruch, ohne Furcht als Individuum unterschieden und frei leben zu können, wenn das Leben des Einzelnen im Zwang überindividueller Zusammenhänge geopfert wird?“ (S. 151f.).
Der Band beginnt mit den ideengeschichtlichen Quellen: Klaus Roth verfolgt die Entstehung der Idee souveräner Staatlichkeit ausgehend von den „hoch- und spätmittelalterlichen Kämpfen zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt“ (S. 23) bis zu Hobbes. Er betont die Spezifik des im 17. Jahrhundert endgültig ausformulierten Konzepts der Souveränität als von Religion emanzipierter, unteilbarer und zeitlich unbegrenzter Herrschaft, die untrennbar mit Staatlichkeit verknüpft sei. Der Staat müsse dabei klar von anderen politischen Ordnungen wie Polis, Ekklesia und Reich abgegrenzt werden.
Claudia Opitz-Belakhal widmet sich den „Ambivalenzen und Widersprüchen“ im Denken Jean Bodins, der vielen als Begründer des modernen Souveränitätsbegriffs gilt. Sie weist dabei auf die problematische Analogisierung von patriarchaler Haus- und politischer Herrschaft hin, die Bodin vornimmt: Das Verhältnis zwischen dem als Monarchen personalisierten Souverän und den Ständen werde der asymmetrischen Vertragsbeziehung von Eheleuten angeglichen. Nicht nur werde politische Herrschaft damit naturalisiert (S. 53), auch bezeichne Bodin „die Stände ganz direkt als ‚Ehefrau‘ des souveränen Fürsten, die ganz ebenso wie die Ehefrau weder das Recht hat, den Fürsten zu nominieren, noch sich aus der fürstlichen Souveränität durch ‚Scheidung‘ zu lösen“ (S. 57f.).
Samuel Salzborn stellt die Frage, wie eine Kritik staatlicher Menschenrechtsverletzungen begründet werden kann, ohne auf externe und umstrittene moralische Standards zurückzugreifen. Seine These lautet, „dass die Infragestellung der Schlüsselnorm der Moderne, der Souveränität, nur dann diskutabel wird, wenn diese Norm selbst verletzt ist“ (S. 62). Dabei bestimmt er Souveränität als Verknüpfung von Gewaltmonopol und Garantie negativer Freiheitsrechte. Weder könne moderne Freiheit ohne dieses Monopol noch jenes ohne seine liberale Zweckbestimmung gedacht werden (S. 63). Wichtig ist Salzborns Hinweis auf innere Grenzen der Gewaltdimension der Souveränität, die mit ihrer Reproduktionsfunktion für eine tauschbasierte Ökonomie zusammenhängen (S. 65f.). Allerdings werden diese normativ recht anspruchslosen Garantien privatautonomer Freiheit der Tauschsubjekte zumindest terminologisch stark mit „der“ Freiheit schlechthin korreliert (S. 77), statt ihre Differenz zu wahrer Freiheit zu betonen. Außerdem wäre zu diskutieren, ob Salzborns Gewährsmänner Machiavelli und Hobbes die ihnen zugeschriebene unbedingte individualistische Staatszweckbestimmung tatsächlich vertreten. In der Garantie privatautonomer Freiheit jedenfalls wird die entscheidende Schnittstelle mit den „meisten“ Menschenrechten gesehen (S. 77), weshalb um dieser Rechte willen ein „Kampf um Souveränität“ gegen den „Antisouveränismus“ (S. 77) geführt werden müsse, da dieser die institutionellen Minimalbedingungen bürgerlicher Freiheit nicht zu sichern vermöge und damit in eine regressive Tendenz zu münden drohe.
Dem Changieren des Souveränitätsbegriffs zwischen Macht- und Rechtstheorie geht der ausgezeichnete Artikel von Pauly/Heiß nach. Souveränität als nichtnormierte Normgebungsmacht (Schmitt), als zur Normgebung befugende Grundnorm (Kelsen) sowie als in ein Geflecht von rechtlichen und außerrechtlichen Verfassungen eingelassene rechtspositivierende Willenseinheit (Heller) werden kritisch analysiert. Dabei werden aus der Perspektive liberaler Rationalitätsansprüche des Individuums autoritäre Strukturen in den Souveränitätsvorstellungen von Schmitt, Isensee, Luhmann, Heller und Häberle herausgearbeitet, vornehmlich die „irrationale Zumutung, Opfer zugunsten überindividueller Einheit erbringen zu müssen“ (S. 160). Allerdings reflektieren die Autoren auch die systematischen Grenzen einer auf „‚die Wahrung der Subjektqualität des Individuums‘“ bezogenen Grundrechtskonzeption. Denn daran „ist nicht nur […] die rechtliche Anerkennung gekoppelt, sondern damit geht auch eine ‚Gemeinschaftsgebundenheit‘ des Individuums’ einher, die sich etwa im militärischen Verteidigungsfall ‚aktualisiert‘, wenn der Staat die Gefährdung von Leben ‚bis hin zum Lebensverlust fordern‘ kann“ (S. 173f.), ohne dass dies als Grundrechtsverstoß interpretiert werden könnte.
Rüdiger Voigt fragt nach dem Verhältnis von Souveränität und Krieg. Neben der inneren Souveränität, die das uneingeschränkte Recht zur Verfassungs-/Gesetzgebung bezeichne, trete die äußere, die im ius ad bellum, der alleinigen und letztverbindlichen Entscheidung über Krieg und Frieden, bestehe (S. 127). Er zeichnet die Entwicklung des Rechts zur Kriegsführung vom Westfälischen Frieden bis zum bellum-iustum-Prinzip des Verbots von Angriffskriegen nach und problematisiert anhand des deutschen Afghanistan-Einsatzes die unklaren Bestimmungen der Kriegsführungsbefugnis: Ist die NATO, der Bundestag, oder, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Lissabon-Abkommen meine, die UNO der Souverän? (S. 127f.). Voigt sieht in der UNO allerdings ein Konzept „abgestufte[r] Souveränität“ (S. 137) angelegt. Allein die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates seien im vollen Sinn als souveräne Staaten verblieben, was in Artikel 39 der UN-Charta auch relativ offen ausgesprochen werde (S. 137). Mit dem Besitz von Atomwaffen trete allerdings ein weiteres Kriterium hinzu, sodass auch Israel, Pakistan, Nordkorea und Indien faktisch als souveräne Staaten zu betrachten seien. Befremdlich an Voigts informativem Aufsatz wirken bisweilen seine politischen Stellungnahmen und Kausalverknüpfungen: So strickt er am Mythos von der Mitverantwortung des Versailler Vertrags für den Zweiten Weltkrieg (S. 135) oder moniert die „ungeheure […] Dreistigkeit“ der USA bei der „Perpetuierung [der] […] ‚nuklearen Zweiklassengesellschaft‘“ (S. 138). Welche Konsequenzen die Aufhebung dieser nuklearen Asymmetrien hätte, wird allerdings nicht thematisiert. Ohnehin verrät Voigt bereits im Editorial und Vorwort des Bandes eine größere Sorge um das Wohl (S. 9) und die kollektive Identität (S. 5) Deutschlands als um analytische Durchdringung der herrschaftsreproduzierenden Effekte von (National-)Staatlichkeit: Die ‚Zweiklassengesellschaft‘ und damit Unfreiheit, die der von ihm als alternativlos favorisierte Nationalstaat am Leben hält, scheint ihm, im Gegensatz zur ‚nuklearen Zweiklassengesellschaft‘, kein Anlass der Kritik zu sein.
Gerhard Scheit erkundet das Verhältnis des Islam, insbesondere der iranischen Revolution, zum bürgerlichen Staats- und Souveränitätskonzept. Seine Grundthese besteht darin, die islamische Herrschaft als Totalitarismus im Sinne Franz Neumanns zu bestimmen: theokratisch legitimierte Polykratie und „reale Dissoziation des Gewaltmonopols“ bis hin zum „permanente[n] Ausnahmezustand“ (S. 194). Das an kapitalistischer Individualisierung hängende Prinzip individueller Rechtsgleichheit sei, obwohl auch in der islamischen Welt der Kapitalismus Einzug gehalten habe, ein Fremdkörper in dessen Konzept despotischer Herrschaftsorganisation ohne reales Gewaltmonopol (S. 195). Die sich auch im Iran permanent reproduzierenden individualisierenden Effekte moderner Vergesellschaftung würden nicht eingestanden und projektiv anhand von Feindbildern, die das Übel verkörpern sollen (USA, Israel, der Westen), bekämpft. Etwas holzschnittartig fallen dabei Scheits Gegenüberstellungen von christlich-politischer Tradition und Islam sowie der verkürzte Bezug auf Hobbes als Theoretiker individualistisch-rationaler Souveränitätskonstruktion aus. Dass auch bei Hobbes hinter dem vermeintlich zu schützenden Individuum und dessen Eigentum die Akkumulationslogik des einzig wirklich geschützten automatischen Subjekts Kapital steckt, wird zwar angedeutet (S. 182), ohne aber die Konsequenzen daraus zu ziehen und die fundamentale Ambivalenz des modernen Souveränitätskonzepts zu thematisieren. Damit entsteht – vielleicht unbeabsichtigt – ein idealisierender Effekt, der aber im Kampf gegen die regressiven ‚antisouveränen‘ Tendenzen möglicherweise gar nicht ungern gesehen wird.
Auch das Verhältnis von Souveränität zu Revolution und Ausnahmezustand ist Thema des Bandes: Ulrich Thiele bemüht die kontraktualistische Philosophie des Als ob, um im per definitionem außerlegalen Wechsel der gesetzgebenden Gewalt eine „überpositivrechtliche Legitimationsbasis“ (S. 106) zu finden, besser: zurechtzukonstruieren, während M. Lemke den Ausnahmezustand am Beispiel der römischen Diktatoren und der Ausrufung des Staatsnotstands im Frankreich des Jahres 2005/6 analysiert. Er konzentriert sich dabei allerdings auf die von Carl Schmitt so genannte ‚kommissarische Diktatur‘, die „normierte Normsuspendierung“ (S. 92), und deren Legitimationsmuster, Mittel und Akteure.
Der vorliegende Band kann als – auch zu Widerspruch herausfordernder – anregender Beitrag zur ideengeschichtlichen Klärung des Souveränitätsbegriffs und zur Gegenwartsdiagnose des Phänomens staatlicher Souveränität begriffen werden.