Public History ist momentan vielleicht der einzige Wachstumsbereich innerhalb der Geschichtsfakultäten nordamerikanischer Universitäten. Aber auch an immer mehr deutschen Universitäten wird ein praxisorientiertes Geschichtsstudium angeboten. Innerhalb des Deutschen Historikerverbandes hat sich vor zwei Jahren eine Arbeitsgruppe Angewandte Geschichte gegründet. International ist ebenfalls ein Wachstum von Public History an Hochschulen zu verzeichnen. Doch weiterhin sind die Vereinigten Staaten, wo dieses Feld schon lange etabliert ist, führend. Und so lohnt sich der Blick über den Ozean, wo Denise D. Meringolo mit "Museums, Monuments, and National Parks" die lange akzeptierte Gründungsgeschichte von Public History in den USA einer Revision unterzogen hat.
Diese begann, so war bislang der Konsens, in den frühen 1970er-Jahren, als die akademische Ausbildung von Historiker/innen auch aufgrund eines schrumpfenden Stellenmarktes in die Krise kam. An der University of California in Santa Barbara entstand 1975 der erste Studiengang in Applied History, dem bald zahlreiche weitere folgten, und hier prägte Robert Kelley auch den Begriff "Public History". Absolventen sollten künftig, so die Idee, Berufsperspektiven außerhalb der Universitäten finden, in Museen, Unternehmen, bei der Regierung und anderswo. Die universitäre Ausbildung in Public History umfasst heute Bereiche wie Museumsstudien, Oral History, Denkmalschutz, Archivlehre und Digital History. 1979 wurde mit dem "National Council on Public History" (NCPH) eine erste Interessenvertretung gegründet, die heute mit eigener Zeitschrift (The Public Historian) und als Mitgliederorganisation Museumsangestellte, Geschichtsagenturen, Archivare, Firmenhistoriker, Filmemacher, Oral Historians, Professoren, Lehrer und andere umfasst.
Meringolo, die das Public History-Programm der University of Maryland in Baltimore County leitet, verlegt die Anfänge der Professionalisierung des Feldes ins späte 19. und frühe 20. Jahrhundert und von den Universitäten in den National Park Service (NPS) sowie – zu einem geringeren Anteil – in die Museen der Smithsonian Institution. Wichtige Weichenstellungen für eine neue Rolle des Staates (staatliche Interventionen, rechtliche Rahmenbedingungen, Institutionsbildung) wurden im und in Folge des Amerikanischen Bürgerkriegs getroffen. Entscheidend für die Entwicklung von Public History sollte dann im August 1916 die Gründung des NPS werden. Durch Kongressbeschluss war er nun für die bis dahin 15 Parks und 22 "national monuments" verantwortlich. Das bedeutete sie zu erhalten und zugänglich zu machen. Im Rahmen des New Deal wurden 1933 dann auch die Parks und Monumente in der Hauptstadt Washington sowie die bis dahin vom Kriegsministerium verwalteten Schlachtfelder des Bürgerkriegs an den Park Service übertragen. Damit zementierte Präsident Franklin D. Roosevelt die zentrale Rolle des NPS bei der öffentlichen Interpretation der amerikanischen Geschichte. Aus einer engen Kooperation mit dem Smithsonian war da schon längst auch eine Konkurrenz auf dem Gebiet der historischen Archäologie geworden, wie Meringolo eindrücklich zeigt.
Zu den Aufgaben des NPS gehörte zunehmend das Sammeln und Ausstellen von Objekten und deren Interpretation, nun aber am historischen Ort, statt weit entfernt in Washington. Zu den berühmten Landschaftsparks im Westen der USA kamen mehr und mehr national bedeutende "Erinnerungsorte" auch im Süden des Landes und an der dichter besiedelten Ostküste.
Die Gründung der "History Division" des National Park Service Anfang der 1930er-Jahre war dann in mehrfacher Hinsicht ein Meilenstein. Die historische Forschung wurde fest etabliert und es boten sich Arbeitsstellen für Historiker/innen, welche die historische Interpretation der Orte für eine stark anwachsende interessierte Öffentlichkeit erarbeiteten und präsentierten. Die nun einheitlich als "National Historic Sites" deklarierten Orte sollten nicht nur auf Ereignisse von besonderer Bedeutung in der Geschichte der USA verweisen: "Our historical areas," so das Educational Advisory Board des Park Service im Jahre 1938, "will become a series of great exhibits, which, taken in their entirety, will constitute a series of illustrations of the outstanding events and great basic themes of American history, re-creating some of the color, the pageantry and the dignity of our national past" (S. 139). Diese nationalpatriotische, die amerikanische Geschichte als positive Geschichte des Fortschritts zelebrierende Interpretation sollte seit den 1960er-Jahren zunehmend in die Kritik geraten.
In ihrer mit dem Buchpreis des nordamerikanischen Verbandes National Council on Public History ausgezeichneten Studie entwirft Denise Meringolo eine überzeugende alternative Geschichte der Professionalisierung von Public History in den USA, die weit vor der Gründung entsprechender Studiengänge an amerikanischen Hochschulen seit Mitte der 1970er-Jahre begann. Sie zeigt, wie sich Public History besonders aus dem National Park Service heraus entwickelt hat und betont die Bedeutung von beim Staat angestellten Historiker/innen in diesem Prozess: "[Public History] evolved, consciously and unconsciously, through trial and error as government workers began to put history to work for the public" (XXVI). Die Historiker/innen konnten dabei auf den Erfolgen der Naturschützer aufbauen, denen die Entstehung des Nationalparksystem zu verdanken ist. Es gelang ihnen, die öffentliche Relevanz von "Geschichte" zu etablieren, "as a strategy for the expansion of the public landscape, management of protected places, and a source of meaning and value" (S. 166).
Leider, und dies ist einer der Schwachpunkte des Buches, endet ihre historische Analyse in den 1930er-Jahren. Sie nimmt den Aufstieg von Public History als universitärer Ausbildung – bei dem der National Park Service eine bestenfalls marginale Rolle gespielt hat, wenn man von den Beschäftigungsmöglichkeiten für Universitätsabsolventen absieht – nur im Eingangskapitel in den Blick. Statt dessen folgt ein zwar durchaus lesenswertes Kapitel über die Frage: "Whom Do We Serve? Public History and the Question of Authority". Doch das erscheint nicht als logische Fortführung ihrer ausführlichen Genealogie von Public History.
Ein weiterer Schwachpunkt liegt in der fast gänzlich nationalhistorischen Perspektive. Meringolo wirft keinen Blick über den nationalen Tellerrand. Das hat zum einen die Konsequenz, dass der Begriff "Public History" zu eng aus einem amerikanischen Kontext gedacht und diskutiert wird. Zum anderen erscheint der National Park Service wie ein nationales Biotop. Meringolo kritisiert zurecht die American Historical Association, den amerikanischen Historikerverband, der einer praxis- und öffentlichkeitsorientierten Geschichte, die zudem wichtige Wurzeln in der Lokal- und Regionalgeschichte hatte, lange eher ablehnend gegenüberstand. Aber gab es, anders als in der akademischen Geschichtswissenschaft oder auch auf dem Gebiet der Völkerkunde, bei Public History keinerlei internationalen Austausch, keine "Importe" europäischer Ideen und Methoden? Ist die USA ein Sonderfall, geschah diese Entwicklung früher oder später als anderswo?
Meringolos "Museums, Monuments, and National Parks" ist ein in weiten Teilen überzeugender Versuch, die Geschichte der Professionalisierung von Public History in den USA zeitlich und personell neu zu verorten. Dabei füllt sie noch nicht alle Lücken, aber das deutet ja auch der Untertitel des Buches an, der mit "Toward a New Genealogy of Public History" betont, dass hier noch kein abschließendes Ergebnis präsentiert wird, sondern das Buch auch als Anstoß für weitere Forschungen verstanden werden soll.