R. García-Gasco u.a. (Hrsg.): The Theodosian Age

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Titel
The Theodosian Age (A.D. 379–455). Power, Place, Belief and Learning at the End of the Western Empire


Herausgeber
García-Gasco, Rosa; González Sánchez, Sergio; Hernández de la Fuente, David
Reihe
British Archaeological Reports, International Series 2493
Erschienen
Oxford 2013: Archaeopress
Anzahl Seiten
VIII, 261 S.
Preis
£47.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Bei dem zu besprechenden Sammelband zum theodosianischen Zeitalter vor allem im Westen des Römischen Reiches handelt es sich um die Publikation der Ergebnisse eines Kongresses, der 2009 an der Universität von Segovia abgehalten wurde. Unterteilt ist der Band in eine historisch-archäologische und eine philosophisch-literarische Sektion.

María Victoria Escribano Paño (S. 1–7) versucht auf Basis der Gesetze, die an Cynegius als Prätorianerpräfekt adressiert sind oder dieser als quaestor sacri palatii erarbeitete, dessen Einfluss zu ermitteln. Auch wenn die hohe Zahl der Gesetze, die an Cynegius adressiert sind, seine Bedeutung sicherlich bezeugt, wäre es dennoch notwendig gewesen, die einzelnen Gesetze in Relation zur vorherigen Rechtslage zu setzen, um die Möglichkeiten eines Einflusses des Cynegius im Einzelnen genauer zu analysieren: So stellen beispielsweise zwei der drei Gesetze zu den Juden lediglich Bestätigungen früherer Gesetze dar (S. 6f.). Auch stellt sich die Frage, ob man dem Adressaten eines Kaisergesetzes eine wichtige politische Rolle zubilligen kann oder ob dieser lediglich eine entsprechende Anfrage an den Herrscher gestellt hatte bzw. das Gesetz weiterleiten sollte.

Pedro Barceló (S. 9–18) bietet einen Überblick zur Entwicklung christlichen heiligen Raumes (Katakomben und Kultbauten) in den ersten vier nachchristlichen Jahrhunderten. Chantal Bielmann (S. 19–26) arbeitet die Probleme bei der Ermittlung des weiteren Schicksals heidnischer Tempel in der Spätantike und die Bedeutung von Tempelzerstörungen und -nachnutzungen heraus. Denis Sami (S. 27–36) untersucht die Städte Siziliens im 4. und 5. Jahrhundert und weist auf die Bedeutung lokaler Unterschiede, die etwa die Platzierung der Kathedrale betreffen, hin. Die christlichen städtischen Landschaften in Hispanien sind das Thema von Pilar Diarte Blasco (S. 37–43), die aufgrund der Bedeutung der Kontinuität bei der Christianisierung des öffentlichen Raumes einen Transformationsprozess anstelle radikaler Änderungen des Stadtbildes vorzieht.

Jerónimo Sánchez Velasco (S. 45–51) befasst sich mit dem Verhältnis von Christianisierung und religiöser Gewalt in der Baetica der theodosianischen Epoche, wofür er exemplarisch drei Beispiele zerstörter heidnischer Skulpturen begutachtet. Rosa Sanz-Serrano (S. 53–66) untersucht die von ihr als hoch eingeschätzte Bedeutung der Galla Placidia für die Entstehung des Westgotenreiches.1 Fernando López Sánchez (S. 67–72) analysiert die numismatischen Zeugnisse für das Verhältnis zwischen Rom und dem Westgotenreich und stellt fest, dass das Tolosanische Reich im Gegensatz zu den hunnischen Truppen keine Rolle in der Nachfolgekrise nach dem Tod des Honorius spielte. David Álvarez Jiménez (S. 73–84) untersucht die Barbarica conspiratio in Britannien unter Valentinian I. und rekonstruiert Verlauf und Ereignisse auf Basis der archäologischen Zeugnisse und der wenigen relevanten Autoren (Ammianus, Pacatus, Claudian). Problematisch ist allerdings, dass die mögliche, aber nicht gesicherte Einordnung des Pseudo-Hegesippus in die Zeit des Ambrosius ohne jegliche Forschungsdiskussion als gegeben angesehen wird, um diesen dann als Quelle heranzuziehen.2

Eike Faber (S. 85–89) behandelt den foedus von 382 in seiner Bedeutung für die Politik der Ansiedlung von Barbaren. Saúl Martin González (S. 91–98) widmet sich dem missorium des Theodosius und arbeitet dessen Bedeutung als Darstellung eines politischen Ideales heraus, dessen Grundideen etwa von Ambrosius in de obitu Theodosii weiterentwickelt werden. Enrique García Vegas und Jacobo Vázquez Paz (S. 99–122) setzen sich mit der Entwicklung des Siedlungswesens im Guadalquivir-Tal in der Baetica auseinander; entgegen der These Carrs, der von einem Rückgang im 5. und einer partiellen Wiederherstellung im 6. Jahrhundert ausgeht, konstatieren sie nach einem leichten Niedergang im 4. und 5. Jahrhundert einen deutlicheren Rückgang im 6. Jahrhundert. Neil Christie (S. 123–131) stellt die Frage, in welchem Ausmaß ein Einfluss der militärischen Krisen des 5. Jahrhunderts auf die Städte Italiens greifbar ist, wobei er zu dem Schluss kommt, dass die vorhandene Unsicherheit der Bevölkerung, welche die Rolle lokaler Führerfiguren wie des Bischofs aufwertete, oft mehr gefühlt als auf tatsächliche Bedrohungen zurückzuführen war.

Isabel Moreno Ferrero (S. 133–144) analysiert die Charakteristik Theodosius’ I. in der Epitome de Caesaribus3 und arbeitet die subtilen Kontraste, die der anonyme Autor zur Abgrenzung gegenüber den zeitgenössischen Schriftstellern verwendet, und die Abweichungen vom üblichen Modell des bonus imperator heraus. Aitor Blanco-Pérez (S. 145–152) demonstriert die Bedeutung der vierzehnten Rede des Themistios, die er in die erste Hälfte des Jahres 379 datiert, als Quelle für die Zeit nach der Schlacht von Adrianopel; er betont dabei den historischen Wert der meisten Details, die Themistios angibt. Thema von Esteban Moreno Resano (S. 153–160) ist die Christianisierung des Kalenders im Kontext der Religionspolitik von Gratian, Valentinian II. und Theodosius I.; als Grund dieser Veränderung sieht er die Begünstigung der Kirche im Interesse guter Beziehungen an.

Jorge Cuesta Fernández (S. 161–167) befasst sich mit den persecutores in der christlichen Literatur der Spätantike. Hierbei handelt es sich um eine nützliche Zusammenstellung der Stellen aus Melito von Sardes, Tertullian, Laktanz, Eusebios, Sulpicius Severus und Orosius, die allerdings ohne notwendige Differenzierung nur die Verfolgerkaiser aufzählt, ohne auf die Nuancen der einzelnen Darstellungen einzugehen; insbesondere Versuche der Relativierung – beispielsweise die Darstellung Trajans bei Orosius (7,12,3) – wären hier von Interesse. Auch die These, dass die Ausgestaltung des Verfolgerkaisers ihre Grundlagen in der heidnischen Wahrnehmung des Kaisers als senatsfeindlich habe (S. 167), kann nicht überzeugen, zumal Cuesta Fernández ein Gegenargument (einige als senatsfeindlich angesehene Kaiser wie Commodus und Elagabal treten nie als Verfolger auf) selbst benennt. Auch kann bezweifelt werden, dass die Zusammenstellung der Listen der Verfolger durch „random choice“ (S. 167) entstand.

Javier Martínez (S. 169–173) untersucht die Bedeutung platonischer Ideen im Christentum am Beispiel des Augustinus und zeigt deren Einfluss auf christliche Lebensformen und Askese. Jesús de Garay (S. 175–182) demonstriert die Bedeutung des Proklos im Platonismus der Renaissance, wobei er sich auf Pletho und Marsilio Ficino konzentriert. Sergi Grau (S. 183–189) hebt am Beispiel des Diogenes Laertios die Tendenz der griechischen religiösen und biographischen Tradition hervor, Philosophen mit anderen historischen Charakteren als ‚göttliche Männer‘ darzustellen. Laura Miguélez-Cavero (S. 191–195) widmet sich der „rhetoric of novely“ (also den rhetorischen Elementen, die sich mit dem Neuen befassen) im zweiten Prooemium des Nonnos von Panopolis. Rosa García-Gasco Villarrubia (S. 197–204) befasst sich mit der Theurgie, ihrer Definition, Herkunft und Bedeutung in Neuplatonismus und in der nachtheodosianischen Literatur. José Guillermo Montes Cala (S. 205–222) weist auf die Hervorhebung des Schreibens in Prosa statt in Poesie als Element der Selbstdarstellung bei Himerios hin. David Hernández de la Fuente (S. 223–228) bietet einen stark gerafften Überblick zur Rezeption des Aelius Aristides von der Spätantike bis zur Renaissance. Die Bibliographie (S. 229–261) findet sich gebündelt am Ende des Bandes.

Das Problem des Bandes ist nicht die Qualität der (meist lesenswerten) einzelnen Aufsätze, sondern sein Gesamtbild, das eher an eine facettenreiche Festschrift erinnert: Auch wenn die Aufsätze weitgehend dem gegebenen Oberthema folgen, ist insbesondere in der philosophisch-literarischen Sektion die Tendenz festzustellen, Themen zu behandeln, die nur noch am Rande mit der theodosianischen Epoche zu tun haben. Umgekehrt bleiben wichtige Aspekte der Epoche wie der Codex Theodosianus als zentrales Dokument fast vollkommen unberücksichtigt. Weiterhin fällt auf, dass antike Namen auch in englischsprachigen Texten und Zusammenfassungen oft in der spanischen Fassung auftreten und allgemein wiederholt verschrieben werden.4 „The Theodosian Age“ ist somit ein insgesamt nützlicher Band mit vielen anregenden Beiträgen zu sehr unterschiedlichen ereignisgeschichtlichen, religionsgeschichtlichen, archäologischen und literarischen Aspekten, der aber kein Gesamtbild einer Epoche vorstellt.

Anmerkungen:
1 Wohl nicht mehr rechtzeitig zugänglich wurde Hagith Sivan, Galla Placidia, Oxford 2011.
2 Einen Überblick zum Hegesippus-Problem bietet Markus Sehlmeyer, Geschichtsbilder für Pagane und Christen, Berlin 2009, S. 293f. Álvarez Jiménez scheint zudem Pacatus und Claudian zu vermengen, wenn er S. 80 von den „later laudatory works of the same poet“ (S. 80) spricht (richtig dann aber S. 81).
3 Vgl. dazu auch (von Moreno Ferrero übergangen) Daniela Motta, Il sogno dell’ascesa al trono di Teodosio nell’ „Epitome de Caesaribus“, in: Hormos 9 (2007), S. 245–259.
4 Folgendes fiel auf: S. 3 „vicarious“ statt „vicarius“; S. 5 und 6 „praetor prefect“ statt „praetorian prefect“; S. 29 „Firmius“ und „Gildus“ statt „Firmus“ und „Gildo“; S. 31 „Jiustinian“ statt „Justinian“; S. 53 (Zusammenfassung) „Gala Placidia“ und „Autulfus“ statt „Galla Placidia“ und „Athaulf(us)“; S. 80 „Simaco“ statt „Symmachus“; S. 161 „Gracian“, „Arrianism“, „Cirprianus“ und „Jeronimus“ statt „Gratian“, „Arianism“, „Cyprian(us)“ und „Jerome“ (oder „Hieronymus“); S. 164 „Dyonysius“ statt „Dionysius“; S. 211 „Quellensforschung“ statt „Quellenforschung“; S. 223 (Zusammenfassung) „Recepcion“ statt „Reception“. S. 53, Anm. 1 lies „Ensslin 1950“ statt „Ensslin 1910“. Jovian wurde am 27. Juni Kaiser, nicht am 6. Juni (S. 147, Anm. 20).

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