A. Koller (Hrsg.): Nuntiaturberichte 1578–1581

Titel
Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Abt. 3: 1572–1585.. Bd. 10: Nuntiaturen des Orazio Malaspina und des Ottavio Santacroce. Interim des Cesare Dell'Arena (1578–1581)


Herausgeber
Koller, Alexander
Erschienen
Berlin 2012: de Gruyter
Anzahl Seiten
LXXXVII, 671 S.
Preis
€ 139,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Hanß, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Das Jahr 1581 begann für den Kaiserhofnuntius Orazio Malaspina so abwechslungsreich, wie das vorige Jahr endete. Im Januar schrieb er vier Briefe aus Prag nach Rom (Nr. 254, 255, 257, 260), in denen er über die Ernennung des Prager Erzbischofs, den Tod des Lütticher Bischofs sowie die ständige kaiserliche Gesandtschaft in Rom und die Rolle Savoyens zu deren Besetzung Bericht erstattete. Außerdem thematisierte Malaspina die ihm bekannten Details zur Krankheit Kaiser Rudolfs II. und dessen Heilung, Informationen zu einem gefälschten päpstlichen Breve sowie zu den Land- und Reichstagen in Böhmen und Ungarn. Er schrieb über die finanziellen Probleme der Kaiserinmutter Maria, ihre beabsichtigte Übersiedlung nach Spanien, die geplante Finanzierung durch König Philipp II. und die Fugger (die später tatsächlich über venezianische Banken erfolgte) und die Bemühungen um den Verbleib Marias in Prag. Ebenso berichtete Malaspina in Angelegenheiten des seit Jahren schwelenden Konfliktes um das Reichslehen Borgo Val di Taro, über Erzherzog Ernst und Erzherzogin Elisabeth sowie eine moskowitische Gesandtschaft, die sich auf dem Weg nach Rom befand. Er präsentierte seine Überlegungen zur Schließung einer Liga gegen die Osmanen, schilderte die Zirkulation indizierter Bücher in Konstantinopel und charakterisierte den habsburgischen Gesandten im Osmanischen Reich, Joachim von Zinzendorf zu Goggitsch und Feyregg, der zwar „heretico confessionista“ sei, „ma, per quanto sono informato, non è molto perverso“ (Nr. 255,3).

Dass nun die Vielfalt des diplomatischen Alltags dieses päpstlichen Nuntius’ zugänglich ist, verdankt sich einer im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Rom bearbeiteten Quellenedition. Sie ist Bestandteil eines seit über 100 Jahren andauernden Editionsprojektes: Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert gibt das besagte Institut die archivalisch überlieferte Korrespondenz heraus, die im 16. und 17. Jahrhundert päpstliche Nuntien und Legaten am Kaiserhof und im Reich mit der vatikanischen Segreteria di Stato führten. In der das Pontifikat Gregors XIII. (1572–1585) umfassenden dritten Abteilung ist nun der zehnte Band erschienen, der chronologisch und inhaltlich direkt an den Vorgängerband anknüpft.1

Beide Bände wurden von Alexander Koller bearbeitet, dem stellvertretenden Direktor des DHI, der zahlreiche grundlegende Veröffentlichungen zum frühneuzeitlichen Nuntiaturwesen und zum Verhältnis zwischen Kurie und Kaiserhof vorgelegt hat.2 Die nun erschienene Edition versammelt 346 Dokumente aus der Amtszeit der ordentlichen Kaiserhofnuntien Orazio Malaspina und Ottavio Santacroce, des Sekretärs Camprizio Cornuagli sowie des Sekretärs und Auditors Cesare Dell’Arena aus den Jahren 1578 bis 1581. Darunter befinden sich nicht nur deren Berichte an den Kardinal Tolomeo Gallio, sondern neben dessen Instruktionen auch Hauptinstruktionen und Fakultätenbreven.

Die hohen Editionsstandards dieser Reihe werden im vorliegenden Band erfreulicherweise fortgesetzt: Eine umfangreiche Einleitung führt in die Biographien, Kontexte (u.a. die „famiglia“ des Nuntius) und die in der Korrespondenz behandelten Themen ein und stellt darüber hinaus die Quellen, ihre Überlieferung sowie die Editionskriterien ausführlich vor (IX–LXXXVII). Für die chronologisch abgedruckten Quellen sind Textzeugen und Teildrucke angegeben sowie Dechiffrierungen gekennzeichnet. Die originale Orthographie wurde weitgehend beibehalten. Neben den deutschsprachigen Kopfregesten ermöglichen umfangreiche Sach- und Personenkommentare eine schnelle Orientierung und einen erleichterten Zugriff. Zusätzlich ist ein ausführliches Register mit Stichwörtern zu Orten, Personen und Sachbetreffen angehängt, in dem auch zeitgenössische Bezeichnungen und Schreibungen Berücksichtigung fanden. Über dieses vorbildlich angelegte Register ist sowohl der Zugriff auf die Quellen als auch auf die Nebentexte gewährleistet. Zu betonen ist außerdem, dass nicht nur die im Vatikan aufbewahrten Quellen gesichtet wurden, sondern ausgiebige Recherchen in weiteren Bibliotheken und Archiven in Florenz, Genua, Mailand, Mantua, Modena, Prag, Rom, Simancas, Turin, Venedig und Wien durchgeführt wurden. Dadurch erlangte Alexander Koller zusätzliche Einsichten, welche Einleitung und Kommentar zu besonders aufschlussreichen Darstellungen werden lassen.

Ein Verdienst dieser Publikation ist es, Forscherinnen und Forschern Quellen zugänglich zu machen, die für die Geschichte der Beziehungen zwischen der römischen Kurie und dem Kaiserhof von grundsätzlicher Bedeutung sind. Eine weitere wichtige Leistung besteht darin, dass durch Abschriften aus dem Archiv des Deutschen Historischen Instituts Rom (genauer gesagt des Schellhass’schen Nachlasses) Textstellen rekonstruiert werden konnten, die in der Zwischenzeit wegen der voranschreitenden Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Quellen im Original kaum noch lesbar sind (LXXX).3 Drittens ist zu unterstreichen, dass die hier edierten Quellen nicht nur für diplomatie- und kirchengeschichtliche Untersuchungen sowie für Studien zu den Beziehungen zwischen Kurie und Kaiserhof von Bedeutung sind. Da Rudolf II. während der hier behandelten Jahre Prag nicht verließ, waren auch die Nuntien – weisungsbedingt – dazu verpflichtet, in Böhmen zu verweilen. Dementsprechend häufig treten in der zumeist wöchentlichen Korrespondenz böhmische Adlige wie Wilhelm von Rosenberg, Jobst von Rosenberg, Georg Popel von Lobkowitz oder Ladislaus II. Popel von Lobkowitz auf. Neben Böhmen oder dem Osmanischen Reich spielen beispielsweise immer wieder der Basler Talmud-Druck sowie die Vorbereitungen für die Einführung des neuen Kalenders eine Rolle. Insofern die Gründung der Grazer Nuntiatur (deren erster Nuntius, Germanico Malaspina, mit dem Kaiserhofnuntius Orazio Malaspina verwandt war) in den Berichtzeitraum der hier edierten Korrespondenz fiel, ist von zusätzlichem Interesse, wie die innerösterreichischen Angelegenheiten und hier vor allem die Auseinandersetzung mit den Protestanten der Länder Erzherzog Karls behandelt wurden (u.a. XLIV, LXXIIIf.).4

Es ist daher zu hoffen, dass dem Band eine breite Leserschaft vergönnt sein wird.

Anmerkungen:
1 Nuntiaturberichte aus Deutschland. III. Abteilung: 1572–1585. 9. Bd.: Nuntiaturen des Giovanni Delfino und des Bartolomeo Portia (1577–1578), bearb. von Alexander Koller, Tübingen 2003.
2 Jüngst auch Alexander Koller, Imperator und Pontifex. Forschungen zum Verhältnis von Kaiserhof und römischer Kurie im Zeitalter der Konfessionalisierung (1555–1648), Münster 2012. Vgl. hierzu die Rezension von Tobias Daniels, in: H-Soz-u-Kult 10.07.2013, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-3-022> (28.10.13).
3 Karl Schellhass (1862–1942) arbeitete selbst zu den Nuntiaturberichten jener Jahre, wobei sein Schwerpunkt auf der „süddeutschen“ Nuntiatur lag (Bartolomeo Portia, Feliciano Ninguarda). Zum Nachlass vgl. Deutsches Historisches Institut Rom. Archiv, N 4: Karl Schellhass (1862-1942). Erstellt v. Anonymus (ca. 1970). Überarb. v. Karsten Jedlitschka. Rom 2005. <http://194.242.233.150/archiv/xml/inhalt/pdf/N4_Karl_Schellhass.pdf> (28.10.2013).
4 Zur innerösterreichischen Nuntiatur vgl. auch Nuntiatur des Germanico Malaspina. Sendung des Antonio Possevino 1580–1582, bearb. von Johann Rainer (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom. 2. Abt.: Quellen. 2. Reihe: Nuntiaturberichte. Sonderreihe: Grazer Nuntiatur, Bd. 1), Wien 1973 und Nuntiatur des Germanico Malaspina und des Giovanni Andrea Caligari 1582–1587, bearb. von Johann Rainer (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom. 2. Abt.: Quellen. 2. Reihe: Nuntiaturberichte. Sonderreihe: Grazer Nuntiatur, Bd. 2), Wien 1981.

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