C. P. Jones: Between Pagan and Christian

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Titel
Between Pagan and Christian.


Autor(en)
Jones, Christopher P.
Erschienen
Cambridge, Mass. 2014: Harvard University Press
Anzahl Seiten
XV, 207 S.
Preis
$ 39,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Christopher Jones widmet sich einem Gegenstand, der in vielen Publikationen auf die eine oder andere Weise Berücksichtigung findet, in denen es um den Wandel des spätrömischen Reiches geht. Er beteiligt sich freilich nicht an dem Streit über die Qualität des – eher politisch zu verstehenden – heidnisch-christlichen Konflikts am Ende des 4. und zu Beginn des 5. Jahrhunderts1, ihm geht es vielmehr um etwas anderes: die Frage nämlich, welche gemeinsamen Schnittmengen sich bei Paganen und Christen in der Spätantike feststellen lassen, letztlich also um das Problem kultureller Harmonisierung zugunsten der Identitätsfindung und -einordnung religiös unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. Veränderungen auf zahlreichen die Gesellschaft tangierenden Gebieten veranlassten demnach die Nichtchristen wie auch die Christen, sich bei allen Unterschieden zugleich der ihnen gemeinsamen Grundlagen zu vergewissern, und dabei kamen trotz aller Gegensätze auch religiöse Gemeinsamkeiten ins Spiel. So sucht Jones klarzumachen, dass im Zuge der Entfaltung und Ausbreitung des Christentums „between Pagan and Christian“ Grauzonen liegen konnten, welche mittels wechselseitiger Adaptionen, die einer eindeutig heidnischen oder aber christlichen Zuordnung widersprachen, zeitweilig bestimmte Unterschiede zwischen den eigentlich einander ausschließenden Glaubensrichtungen zugunsten kultureller Gemeinsamkeiten verwischten. Indem Jones Beobachtungen dieser Art gesellschaftlich, regional und historisch ein- und zuordnet, leistet er einen nicht unwichtigen Beitrag für das tiefere Verständnis einer Zeit des Übergangs, ohne dabei den Blick auf diese grundsätzlichen Phänomene durch eine allzu dominante Einbindung in die Ereignisgeschichte zu verstellen.

In zehn Kapiteln entwickelt Jones die verschiedenen Aspekte seiner Überlegungen zu den Überschneidungen zwischen pagan und christlich konnotierten und zugleich im antiken Denken verankerten Auffassungen. Zunächst klärt er die verschiedenen Begrifflichkeiten für die „Heiden“ und die mit der griechischen Bezeichnung Hellenes und dem lateinischen Ausdruck pagani verbundenen unterschiedlichen Wege der Entfaltung des Christentums im Osten und im Westen des Römischen Reiches. Die mit den Begriffen verbundenen Assoziationen erleichtern gerade dem heutigen Betrachter wegen ihrer fließenden Unbestimmtheit die Differenzierung zwischen Nichtchristen und Christen in der Antike keineswegs. Stattdessen bieten sie Jones einen Ausgangspunkt, die Wege zu erkunden, „in which Christianity and paganism interpenetrate“ (S. 7).

Die beiden auf die staatlichen Maßnahmen eingehenden Kapitel behandeln Grundzüge des kaiserlichen Umgangs mit Christen und Nichtchristen von der als „the symbolic moment“ und „a sudden and still mysterious conversion“ (S. 9) inhaltlich unbestimmt bleibenden Hinwendung Konstantins zum Christentum im Jahre 312 bis hin zu den antiheidnischen Maßnahmen Justinians und Tiberius’ II. Auf eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen wissenschaftlichen Positionen zur Konstantinischen Wende kommt es Jones dabei nicht an, er zeichnet vielmehr die Grundlinien einer Politik Konstantins nach, die nach Ausweis der Panegyrik und anderer Quellen zwischen paganen und christlichen Auffassungen Brücken des Verständnisses zu bauen schien. Dem entspricht die Beobachtung, dass der Kaiser, unter anderem in seiner Eigenschaft als pontifex maximus, „continued to act much in the style of a pagan emperor“ (S. 18). Eine interessante Überlegung ist die von Jones für Konstantins Reichseinheits- und Religionspolitik postulierte Vorbildhaftigkeit der von der monarchischen Spitze gesteuerten Christianisierung Armeniens und Iberiens sowie der Bedeutung des obersten Gottes Ahuramazda im Selbstverständnis des persischen Königs. Allerdings wird der diesen Ausführungen zugrunde liegende Vergleich nicht mit der Frage nach der universalistischen Ausrichtung dieser Politik Konstantins2 ins Verhältnis gesetzt. Aus Jones’ Fragestellung scheint sich eine Auffassung zu ergeben, die einen erst allmählichen Übergang der Glaubensüberzeugungen Konstantins von einer henotheistischen zu einer monotheistischen Auffassung voraussetzt; expressis verbis ausgesprochen wird dies freilich nicht, Jones lässt vielmehr seine Beobachtungen sprechen, ohne politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Das gilt auch für das Changieren der Nachfolger Konstantins zwischen Indifferenz und Intoleranz in ihrer Haltung gegenüber den nichtchristlichen Kulten und für ihre Bemühungen, die Einheit des Christentums zu wahren.

In den drei Kapiteln über die jüdische, pagane und christliche Gottesauffassung in ihren Unterschieden, Verbindungslinien, Ähnlichkeiten und die sich aus ihnen ergebenden Verehrungsformen wendet sich Jones gänzlich den Phänomenen zu. Eine wesentliche Ursache für die innere Brüchigkeit des Christentums sieht er in der Suche nach Vereinbarkeit von Monotheismus und trinitarischer Lehre (vgl. S. 46). In Ausführungen über die Haltung zur Bilderverehrung und zum Opfer bietet er erhellende Vergleiche zwischen jüdischen, christlichen und heidnischen Einstellungen.

Ein wichtiges Element der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Positionen und der Einsicht in Gemeinsamkeiten ist der interreligiöse Dialog. Auf christlicher Seite wird dieser durch das weite Feld der apologetischen Literatur vermittelt, entsprechende pagane Stimmen sind weit weniger zahlreich erhalten. Jones bietet eine Auswahl, um die wesentlichen Tendenzen der bis ins 5. und 6. Jahrhundert reichenden Auseinandersetzung mit nichtchristlichen Argumenten gegen das Christentum zu benennen und vorzustellen. Dabei kommen unter anderem die den christlichen und paganen Vertretern gemeinsamen Bildungsgrundlagen zum Tragen; sie ermöglichen letztlich einen christlichen Sieg in der interreligiösen Debatte „by absorption rather than by conquest“ (S. 89). Das notwendige Pendant zu diesem Diskurs und seinem Ende sind die Bemühungen um Konversion zum Christentum. Jones stellt bei diesem Thema an einer Reihe von Beispielen die Anknüpfung an pagane Infrastruktur, Vorstellungen und Praktiken vor, die in christliche Formen überführt wurden, ohne dass die damit verbundenen Einstellungen sofort einer überzeugend christlichen Grundlegung entsprechen mussten. Am christlichen Verständnis von Sünde, Tod und Auferstehung zeigt Jones sowohl Anknüpfungspunkte an pagane Vorstellungen wie auch Schwierigkeiten auf, von diesen Voraussetzungen aus für das Neue an den christlichen Grundlagen wirklich tieferes Verständnis aufzubringen.

Zwei weitere Abschnitte sind den unterschiedlichen Entwicklungen im Westen und im Osten des Römischen Reiches gewidmet. Für den Westen evoziert Jones den Gedanken an einen letzten Kampf des Heidentums im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen Theodosius I. und Eugenius, wenngleich mit einer gewissen Distanz zu dieser Ansicht, ohne allerdings klar eine alternative Sichtweise zu benennen – es sei denn, man sieht diese in seiner Methode repräsentiert. Er diskutiert die Frage nach der Glaubenshaltung prominenter Vertreter der lateinischen Literatur des späten 4. und des 5. Jahrhunderts, vertieft dieses Thema aber nur an Macrobius, den er für einen Vertreter des Paganismus hält.3 Ferner konstatiert er in der Säkularisierung heidnischer Rituale einen „blend of paganism and Christianity“ (S. 120) mit Schlussfolgerungen, die mutatis mutandis gerade auch für die ländlichen Regionen des Westens gegolten hätten. Im Osten sieht Jones den alten Glauben durch die besonders in städtischen Zentren gepflegte griechische Literatur und Philosophie verankert. Getrennt nach den Großräumen Kleinasien, Syrien und Ägypten zeigt er die unterschiedlichen Bedingungen für Veränderungen zugunsten des Christentums auf. Trotz der politischen Zersplitterung im Westen konnte sich das Christentum hier unter der immer deutlicher hervortretenden geistlichen Leitung des Papstes dauerhaft etablieren, der Osten nahm dagegen angesichts der Auseinandersetzungen um den Miaphysitismus und vor allem der Ausbreitung des Islam eine andere Entwicklung.

Auch wenn sich Jones äußerlich an der historischen Entwicklung orientiert, steht die Historisierung seines Themas nicht im Vordergrund. Die Gesamtdeutung des Verhältnisses von Paganismus und Christentum beruht auf der Annahme, die Konstantinische Wende habe eine Art Nationalisierung des Christentums in Gang gesetzt, so dass die Definition des Paganismus – unter Einschluss als häretisch angesehener Formen des Christentums – von den Vorstellungen und Absichten der Gegner abhängig sei und infolgedessen so lange existiert habe, wie imperialistischen Vorstellungen im Sinne kultureller Überlegenheit Raum gegeben worden sei. Diese Sichtweise ist zugleich auf zeitunabhängige grundsätzliche Mentalitätsdispositionen und die unter bestimmten Umständen durchaus zeitgebundene Indienststellung des Christentums und der Paganismus-Auffassung für übergeordnete Zwecke angelegt. Das ist eine interessante, durch die bis ins 19. Jahrhundert verfolgten Grundlinien durchaus in der anglophonen Kultur verwurzelt wirkende Sicht der Dinge. Ist sie von Jones denn folgerichtig entwickelt?

Gewiss können einige Bedenken formuliert werden, gerade weil „paganism is always a blurred and shifting category that defies neat taxonomies“ (S. 7): Jones’ Betrachtungsweise verschiebt sich allmählich von der Durchdringung christlicher und paganer Praktiken und Denkweisen in der Spätantike in die Richtung einer Zuschreibung des Paganismus durch eine als einzig wahr erkannte Auffassung eines von paganen Relikten „gereinigten“ nachantiken Christentums. Insofern können sich unausgesprochen sehr wohl Elemente einer mit Theodosius I. Ende des 4. Jahrhunderts anzusetzenden Zäsur in der Religionspolitik bemerkbar machen. Dieser Weg wird zwar hier und da mit bestimmten Namen verbunden, nicht aber im eigentlichen Sinne politisch eingebunden, mit der Geschichte der Zeit enger verknüpft und auf diese Weise mit klar nachvollziehbaren Begründungen versehen. Jones’ Vorgehen wirkt daher hier und anderwärts eklektizistisch. Auffälligerweise operiert Jones an keiner Stelle mit dem Begriff „Synkretismus“; trotz vielfach festgestellter gegenseitiger Durchdringung paganer und christlicher Vorstellungen und Praktiken hält er die Begriffe strikt voneinander getrennt. Eine solche saubere Unterscheidung benötigt er für die in der Übergangszeit zum Mittelalter immer wichtiger werdende Zuschreibung von Vorstellungen und Praktiken als pagan bzw. christlich zu Zwecken der Einbeziehung und Ausgrenzung. Dabei vermisst man allerdings Elemente der Historisierung des Weges von der wechselseitigen Durchdringung des Paganismus und des Christentums hin zur gegenseitigen Abgrenzung und der damit verbundenen grundsätzlichen Veränderungen gerade auch über religiöse Interna hinaus. Die Frage etwa, ob die Askese-Bewegung dabei eine besondere Rolle spielte, wird nicht gestellt; eine explizite Antwort auf die Frage nach der Qualität der christlichen Wende – eher „Christian Revolution“ (so S. XV) oder „evolution of Christianity“ (so S. 6)? – unterbleibt. Das Fehlen eines Literaturverzeichnisses mag zwar die zentrale Bedeutung der Quellen für Jones’ Untersuchungsgang unterstreichen, zeugt aber auch von der an vielen Stellen ausbleibenden oder – in Anmerkungen – nur angedeuteten Auseinandersetzung mit Positionen der Literatur, die auch Jones’ Einstellungen und die ihnen zugrunde liegenden Urteile hätten in klarerem Licht erscheinen lassen. Ungeachtet dieser Bedenken liefert Jones im Kleinen wie im Großen interessante Einblicke und Einsichten, auch wenn man sich für die Verknüpfung der Einzelheiten mit der zugrunde liegenden Idee eine noch überzeugendere Argumentationsstrategie hätte wünschen können.

Anmerkungen:

1 Vgl. hierzu Alan Cameron, The Last Pagans of Rome, Oxford 2011.
2 Vgl. Klaus M. Girardet, Der Kaiser und sein Gott. Das Christentum im Denken und in der Religionspolitik Konstantins des Großen, Berlin 2010, S. 158–163.
3 Wohl angeregt durch die gegenteilige Einschätzung von Robert Kaster in dessen neuer Macrobius-Edition. Vgl. Robert A. Kaster (Hrsg.), Macrobius, Saturnalia, Cambridge, Mass. 2011.

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