Egal, ob in den Weiten der digitalen Welt, in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen oder in den Massenmedien, die fotografischen Artefakte des Zweiten Weltkriegs und vor allem die im offiziellen Auftrag erstellten Fotografien der wehrmachtsinternen „Propagandakompanien“ (PK) beanspruchen eine ungebrochene Präsenz. Häufig ist die Verwendung und Rezeption dieser Fotografien dabei allerdings noch von einer gewissen Naivität geprägt. Allzu oft werden die PK-Fotografien als scheinbar objektive Quellen über den Krieg und nicht als Teil der modernen Kriegführung selbst betrachtet.1
Dieses Problem aufgreifend hat das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst vom 12. November 2014 bis zum 8. Februar 2015 eine umfassende Sonderausstellung zu Werk und Person des prominenten PK- und Nachkriegsfotografen Benno Wundshammer (1914–1986) veranstaltet. Durch die Ausstellung und den zu besprechenden Begleitband sollte angeregt werden, die PK-Fotografien zu hinterfragen und sie vor ihrem Entstehungskontext bzw. dem Arbeitszusammenhang des Bildautors besser verstehen zu lernen. Der zweisprachige (dt./russ.) Band bietet dazu in drei fundierten Beiträgen und 97 Abbildungen Einblicke in Arbeit und Persönlichkeit des Fotografen und erläutert deren jeweilige Hintergründe.
Alexander Zöller gibt in seinem Beitrag zunächst einen informierten und kompakten Überblick über die Tätigkeit eines „Bildberichters“ in einer PK sowie über die allgemeinen Strukturen und Mechanismen innerhalb der Kompanien. Der Einsatz der Wehrmachtsfotografen in den PKs sei als ein „Novum“ (S. 16) in der Geschichte der Kriegsberichterstattung anzusehen, das in seinen Auswirkungen auf die Berichterstattung auch weit über die moderne Erscheinung der „Embedded Journalists“ (S. 16) hinausgehe. Dazu gibt Zöller mit seiner knappen Darstellung der Geschichte und Entwicklung der PKs im Hinblick auf Zweck, Organisation, Lenkung, Personal, Arbeitsbedingungen und Ergebnisse einen guten Einblick in jenes „Geflecht von Steuerungsmechanismen“2 (Bernd Boll), das die PKs kennzeichnete und die Arbeit der PK-Fotografen konkret mitbestimmt hat. Hierdurch wird verdeutlicht, wie stark Image und Wirklichkeit der PK-Berichterstattung, also die scheinbar objektive Authentizität und der propagandistische Grundauftrag, auseinanderklafften.
Eine Schlüsselrolle bei der konkreten Ausgestaltung der Rohstoffe der visuellen Kriegspropaganda kam natürlich den Bildautoren selbst zu, wobei, nach Zöller, „das System der Nachzensur bedingte, dass den Bildberichtern bei der Wahl ihrer Motive keine rigiden Verbote auferlegt werden mussten. Die PK-Fotografen besaßen daher“ im Rahmen sonstiger Weisungen und Gebote „nicht unerhebliche Freiheiten bei der Entscheidung, wie und was sie fotografierten“ (S. 22). Zöller verweist dazu auf interessante Einzelfälle, wie etwa den PK-Fotografen Franz Peter Weixler, der offenbar aus eigenem Antrieb Fotografien des Massakers deutscher Truppen im Dorf Kondomari auf Kreta erstellte und später verbotenerweise verbreitete. Die allermeisten PK-Fotografen identifizierten oder arrangierten sich in dieser Situation allerdings mit ihrem Propagandaauftrag und erfüllten diesen den Wünschen und Erwartungen von Wehrmacht und Propagandaministerium entsprechend.
Sebastian Kindler widmet sich in seinem Beitrag nun direkt der Person des (PK-)Fotografen Benno Wundshammer und besonders seinem Umgang mit dieser Situation. Auf Grundlage einer intensiven Durchsicht der Tagebücher3 Wundshammers wird sein Werdegang geschildert und gezeigt, wie seine „fotografische Karriere bzw. seine voneinander unabhängigen Karrieren in völlig unterschiedlichen Systemen verliefen und welche Meinung er selbst zu seiner Arbeit inner- und außerhalb des Krieges vertrat“ (S. 33). Nach Geburt, Kindheit und Jugend in Köln absolvierte Wundshammer von 1930 bis 1934 eine Ausbildung zum Tiefdruck- und Reproduktionsfotografen bei der „Kölnischen Zeitung“. Nach Abschluss der Lehre arbeitete er dann als freiberuflicher Fotograf zu lokalen Themen in Köln und ab 1937 als Sportfotograf in Berlin. Seine spätere Einschätzung, dadurch „eine unpolitische ‚Nische gefunden [zu haben], die […] vor Zwang und Gleichschritt‘ schützte“ (S. 40), entkräftet Kindler durch den Verweis auf diverse Reportagen und deren Durchsetzung mit systemkonformen Inhalten. Überhaupt sei sein Verhältnis zu den politischen Erscheinungen seiner Zeit von einer gewissen „Politikverdrossenheit“ (S. 37) geprägt gewesen, die bei ihm zu einem zumindest beruflichen Opportunismus geführt habe. Denn „auch ohne […] eine nachweisbare Sympathie“ (S. 32) für den Nationalsozialismus habe Wundshammer im Sinne des NS-Staates fotografiert. Auch nach seiner Einberufung und Kommandierung in die neu aufgestellte Luftwaffen-PK 1 sei er dieser Linie treu geblieben. Und dies offenbar mit sehr großem Erfolg – so erhielt Wundshammer von seinen Vorgesetzten durchweg gute Beurteilungen bezüglich der handwerklichen und propagandistischen Qualität seiner Arbeiten, die teilweise zur Nachahmung durch andere PK-Berichter empfohlen wurden. Darüber hinaus wurde er zur Ausbildung von PK-Bildberichtern herangezogen und bekam im Oktober 1939 bzw. Juni 1940 das Eiserne Kreuz II. bzw. I. Klasse verliehen. Seine Mitte 1942 erfolgte Ernennung zum Sonderberichter für die Vorzeige-Illustrierte „Signal“ demonstrierte seine anerkannte Zugehörigkeit zur kleinen Elite der deutschen Kriegsfotografen. Anfang 1944 wurde er zusätzlich in die Redaktion von „Signal“ berufen, Ende 1944 stieg er sogar noch zum stellvertretenden Chefredakteur auf.
Nach außen hin präsentierte sich Wundshammer als ein erfolgreicher und schneidiger Luftwaffenberichter, mit Spaß am militärischen Habitus und einer gehörigen Portion Abenteuerlust. Seine Fotografien und Berichte spiegelten diese Einstellung und dienten der propagandistischen Verherrlichung und Verzerrung der Kriegsrealität im Sinne des NS. Durch die Analyse der persönlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit ist es Kindler gelungen, diese professionelle Seite von Wundshammers Kriegseinsatz um eine private Dimension zu erweitern und zu zeigen, dass dieser innerlich keineswegs kritiklos der NS-Kriegführung folgte. Tatsächlich war Wundshammer von 1942 an kritisch gegen den Krieg eingestellt und verurteilte auch die deutsche Vernichtungspolitik im Osten. Irritierenderweise hatte diese persönliche Einstellung allerdings keinen sichtbaren Einfluss auf seine PK-Tätigkeit.
Unmittelbar nach Kriegsende konnte Wundshammer seine Arbeit als Pressefotograf fortsetzen und wurde – auch aufgrund vieler Kontakte aus der Kriegszeit und seinem fotografischen Können – zu einem erfolgreichen Fotografen im bundesrepublikanischen Nachkriegsdeutschland. So war er von 1948 bis 1957 für die Wochenzeitschrift „Revue“ und anschließend fast 13 Jahre für „Quick“ tätig. Die 1970 erfolgte Entlassung von „Quick“ unterbrach seine Karriere jäh und es folgte ein schneller beruflicher und persönlicher Niedergang. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Wundshammer, der sich aus Verbitterung immer mehr der nationalsozialistischen Ideologie annäherte, mit dem Verfassen apologetischer retrospektiver Kriegsberichte, die er Illustrierten zur Veröffentlichung anbot.
Jelena Koloskowa behandelt in ihrem Aufsatz aus einer allgemeineren Perspektive heraus die Rolle der Propaganda als Teil der Kriegführung am Beispiel des deutsch-sowjetischen Krieges. Im Propagandaverständnis und der Propagandapraxis stellt sie dabei strukturelle Parallelen in beiden Systemen fest, die auf der strengen ideologischen Ausrichtung beider Regime beruhen. „Damit war ihre Ähnlichkeit allerdings bereits erschöpft. Der grundlegende Unterschied in den inhaltlichen Dominanten der Propaganda zu beiden Seiten der Frontlinie war durch das Wesen und die Ziele des Krieges vorgegeben. Die Legitimierung der Aggression stieß mit dem Entlarven des kriminellen Charakters zusammen, die These von der Überlegenheit des deutschen Kriegsapparats mit dem Setzen auf den Patriotismus der Verteidiger des eigenen Bodens“ (S. 51). Unter den Mitteln der Propaganda nehme die Fotografie dabei einen sehr prominenten Platz ein, da sie durch ihre besonderen Eigenschaften in besonderem Maße zur „Untermalung des Wahrheitsgehalts einer Information gegenüber den feindlichen Truppen und der Bevölkerung eingesetzt“ (S. 52) werden könne. Ausführlich verweist Koloskowa auch auf die Fotosammlung und eine aktuelle Veröffentlichung des russischen Staatsarchivs für Film- und Fotodokumente (Krasnogorsk). Dort sind in sehr großer Anzahl Kriegsfotografien russischer und deutscher Fotografen aus dem Zweiten Weltkrieg überliefert, die bisher weitgehend unbeachtet geblieben seien.
Das Deutsch-Russische Museum hat einen gelungenen und beachtenswerten Band herausgegeben, der sowohl für Einsteiger als auch für Kenner der PK-Fotografie interessant ist. Besonders zu loben sind neben den lesenswerten Beiträgen die sehr gute Qualität der Abbildungen und der günstige Preis. Wünschenswert wäre allerdings eine noch stärkere analytische Einbeziehung der konkreten Fotografien gewesen. Gerade im Hinblick auf das Ziel einer kritischen Rezeption hätte neben der inhaltlichen Einordnung auch der eine oder andere Hinweis auf Ästhetik und Wirkungsmechanismen in Wundshammers Werken erhellend wirken können. Es ist aber davon auszugehen, dass nach diesem fundierten Einblick in Werk und Persönlichkeit Benno Wundshammers entsprechende Publikationen in Bälde folgen.
Anmerkungen:
1 Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich Gerhard Paul, Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004.
2 Bernd Boll, Das Bild als Waffe. Quellenkritische Anmerkungen zum Foto- und Filmmaterial der deutschen Propagandatruppe 1938–1945, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 54 (2006), S. 974–998, hier S. 976.
3 Der umfangreiche fotografische und schriftliche Nachlass von Benno Wundshammer befindet sich heute im Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz (bpk), Berlin, <http://www.bpk-images.de/> (05.11.2015).