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Titel
Eva Perón. Leben und Sterben einer Legende. Eine Biographie


Autor(en)
Prutsch, Ursula
Erschienen
München 2015: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
251 S.
Preis
€ 16,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Barbara Potthast, Historisches Institut, Universität zu Köln

Eva Perón spaltet auch über 60 Jahre nach ihrem Tod die Gemüter, besonders in Argentinien. Aber auch in Deutschland ist die Ehefrau des argentinischen Präsidenten Juan Domingo Perón (1946–1955, 1973–1974) spätestens seit dem Musical „Evita“ und der Filmversion mit Madonna in der Hauptrolle zumindest als Pop-Ikone bekannt. Das Leben Eva Peróns war außergewöhnlich und bietet einen hervorragenden Stoff für eine Biografie. Eva Perón ist aber auch eine zentrale Figur der argentinischen Zeitgeschichte, und jede Beschäftigung mit Argentinien kommt um eine Auseinandersetzung mit dem Peronismus, der bis heute eine wichtige politische Kraft ist, nicht herum. Diese sind auch der Ausgangspunkt der Biografie von Ursula Prutsch, die der Faszination nachspüren möchte, die Eva Perón noch immer ausübt, aber auch, warum sie noch immer polarisiert. Die Einleitung beginnt daher mit dem Besuch der Verfasserin im „Museum Evita“ in Buenos Aires, einem Schrein der Evita-Verehrung, danach folgt die Erzählung dem Leben der Protagonistin, um anschließend ihr Nachleben in der kollektiven Erinnerung der Argentinier sowie die Entstehung verschiedener nationaler und globaler Mythen nachzuzeichnen.

Die Mythen und Inszenierungen des Lebens von Eva Duarte, wie sie sich bis zu ihrer Heirat mit Perón nannte, beginnen bereits mit ihrer nicht-ehelichen Geburt in einer kleinen Provinzstadt sowie ihrem Aufbruch nach Buenos Aires, wo sie sich als Schauspielerin mühselig eine Existenz aufbauen musste. Ihr Aufstieg zu einem „Sternchen“ des Radios, vor allem durch ihre Rollen in den damals beliebten „Seifenopern“, wird von Gegnern und Anhängern unterschiedlich darstellt, und Evita selbst „schönte“ später einiges. Ab 1944 verband sich ihr Lebenslauf mit demjenigen von Juan Domingo Perón, der zu einer Gruppe von Offizieren gehörte, die 1943 geputscht hatten. Als Staatssekretär für Arbeit erwarb er sich binnen kurzer Zeit durch eine Reihe von arbeiterfreundlichen Gesetzen die Unterstützung sowohl der großen Gewerkschaften als auch der nicht organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen. Als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Druck stieg, zu demokratischen Verhältnissen zurück zu kehren, wurden 1945 Wahlen angesetzt. Juan Domingo Perón, der von den USA wegen seiner Bewunderung für Mussolini des Faschismus verdächtigt wurde, stieg zur zentralen Figur in den politischen Auseinandersetzungen auf. Die massive Unterstützung der Arbeiterschaft, die in dieser Form ein neues Phänomen für Argentinien darstellte, erzwang schließlich seine Präsidentschaftskandidatur und führte ihn zum Sieg. Damit begann auch der politische Aufstieg „Evitas“, die er kurz zuvor geheiratet hatte. Sie betonte stets ihre Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen, die eine besondere emotionale Bindung zu ihren Wählern ermöglichte. Obgleich sie über kein Amt verfügte, übernahm sie immer mehr politische Aufgaben. Sichtbares Zeichen dieser Entwicklung war eine Reise nach Europa, die sie 1947 nach Franco-Spanien, Italien (inklusive einer Audienz beim Papst) Frankreich und in die Schweiz führte. Auch viele Europäer erlagen der Faszination der jungen und attraktiven Präsidentengattin. Zurück in Argentinien passte sie nicht nur ihre Kleidung und Frisur ihrer neuen Rolle an, sondern schuf sich auch einen eigenen, weit über die üblichen Aufgaben einer Präsidentengattin hinausgehenden politischen Aktionsraum. Zwar behielt sie die verbale Unterordnung unter ihren Mann bis zu ihrem Tod bei, schuf sich jedoch mit ihrer wohltätigten Stiftung und als Vorsitzende des weiblichen Zweiges der Peronistischen Partei eine eigene Machtbasis.

Ursula Prutsch beschreibt die äußerst geschickte Inszenierung des Präsidentenehepaares auch mit Hilfe von Fotografien und Abbildungen aus zeitgenössischen Medien. Damit belegt sie eine zentrale Leitlinie ihrer Darstellung, die sie im Fazit folgendermaßen zusammenfasst: „Evita stand für eine moderne Politik, eine Politik der Gefühle, die Meinungsvielfalt und kritisches Denken mit Hilfe gekaufter Medien gewaltsam unterdrückte, weil sie glaubte, nur durch die ständige Beschwörung des ‚Wir‘ eine Harmonie herstellen zu können.“ (S. 229) Auch Zitate aus der – vermutlich von einem Ghostwriter verfassten – Autobiografie sowie Evitas Reden belegen, wie geschickt sie es verstand, ihre Politik zu personalisieren und aus ihrer Biografie Kapital zu schlagen. 1947 erhielten Frauen in Argentinien endlich das Wahlrecht, und obwohl Evita der Frauenbewegung ablehnend gegenüberstand, schrieb sie sich diesen Erfolg auf die Fahnen. Selbst kinderlos, inszenierte sie sich als „Mutter der Nation“. Dies ermöglichte ihr und ihren erwerbstätigen Anhängerinnen eine aktive öffentliche Rolle unter Beibehaltung der traditionellen Rollenbilder. Daher wurde Evita, trotz aller Beliebtheit beim Volk, ihrem Mann politisch nicht gefährlich. Zumindest für ein paar Jahre schafften es die Peróns, mit Hilfe von Seilschaften, klaren Freund-Feind-Bildern und gekonnter Inszenierung ein Wir-Gefühl zu erzeugen, dass vor allem die bis dahin ausgegrenzten Arbeiter und Kleinbauern sowie die Mittelschicht einbezog. Prutsch bezeichnet das Erfolgsrezept des Peronismus denn auch als eine „Mischung aus militärischer Männlichkeit, kämpferischer Weiblichkeit und Populismus“ (S. 143).

Gegen Ende der ersten Amtszeit Peróns zeigten sich erste sozio-ökonomische und politische Probleme. Hinzu kam eine Krebsdiagnose bei Evita. Es folgte ein politisch geschickt orchestrierter Wahlkampf, in dem die Forderung, Evita als Vizepräsidentin zu nominieren, ihr anschließender „Verzicht“ und ihre Krankheit eine wichtige Rolle spielten. Perón wurde nicht zuletzt dank der Verehrung, die seine Frau bei großen Teilen der Bevölkerung genoss, 1952 mit großer Mehrheit wieder gewählt. Als Evita noch im selben Jahr ihrem Leiden erlag, verfiel Argentinien in eine kollektive Trauer, die jedoch den Niedergang des Peronismus nicht aufhalten konnte. Ein Militärputsch beendete dessen politische Herrschaft und versuchte, der populären Verehrung der Peróns ein Ende zu setzen, was zu einer absurden Posse um die Frage führte, was mit dem einbalsamierten Leichnam Evitas zu geschehen sei.

Nach langen Jahren im Exil kehrte Perón 1973 kurzfristig an die Macht zurück, seine dritte Ehefrau Isabel wurde seine Vizepräsidentin und nach seinem Tod 1974 Präsidentin. Doch sie war keine zweite Evita und nach zwei Jahren im Amt wurde sie durch einen neuen Militärputsch, der eines der dunkelsten Kapitel der argentinischen Geschichte einleitete, aus dem Amt getrieben. In eben diesem Jahr 1976 nahm ein britischer Komponist das Leben Eva Peróns als Vorlage für ein Musical, das ein Welterfolg wurde. Prutsch erläutert kenntnisreich, welche Formen und Themen der Mythos Evita in den folgenden Jahren in der (Populär-)Kultur annahm und kommt am Schluss noch einmal auf den Populismus und seine aktuellen Varianten zurück.

Die Populismusthese, wie auch andere Begriffe, werden allerdings nur in einer knappen Fußnote erläutert, denn es handelt sich hier um eine locker geschriebene und spannend zu lesende Biografie. Kenner der Materie erfahren wenig Neues, auch nicht durch die Hinzuziehung von Archivmaterialien aus der Schweiz, Frankreich und den USA, werden aber die gelungene und angenehm zu lesende, komprimierte Darstellung zu schätzen wissen. Die Darstellung gibt im Großen und Ganzen den aktuellen Forschungsstand wieder, auch wenn man in der Literaturliste die aktuellste Biografie von Loris Zanatta1 vermisst und sich fragt, warum die klassische Darstellung von Marysa Navarro nicht nach der neuesten, korrigierten Fassung zitiert wurde.2 Der besondere Schwerpunkt der Arbeit, der Fokus auf die Inszenierung der Macht und die meist gute Verbindung von Fotographien und Text3 machen das Buch auch für diejenigen, die weniger an der Person Evitas als vielmehr an modernen Formen von Herrschaft oder den Ambivalenzen weiblicher Rollenmodelle in den 1950er-Jahren interessiert sind, zu einer gewinnbringenden Lektüre.

Anmerkungen:
1 Loris Zanatta, Eva Perón, Buenos Aires 2011.
2 Marysa Navarro, Evita, überarb. Aufl., Buenos Aires 2011.
3 Eine Ausnahme stellt das Foto aus S. 25 dar, das offensichtlich ein anderes als das im Text beschriebene ist.

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