Cover
Titel
Selling Apartheid. South Africa's Global Propaganda War


Autor(en)
Nixon, Ron
Erschienen
London 2016: Pluto Press
Anzahl Seiten
XI, 238 S.
Preis
€ 20,00; £ 13.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Kahrs, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

„Wer über die Unterstützung von Politik und Wirtschaft der westlichen Welt für das rassistische Regime in Südafrika nicht reden will, der sollte sich auch mit Lobesworten für Nelson Mandela zurückhalten“, kommentierte der Journalist Guido Speckmann die unzähligen Hymnen aus allen Teilen der Welt auf den im Dezember 2013 verstorbenen südafrikanischen Nationalhelden.1 Tatsächlich ist vielerorts in Vergessenheit geraten, dass sich das rassistische Regime am Kap der Guten Hoffnung bis weit in die 1980er-Jahre hinein der Rückendeckung zahlreicher westlicher Regierungen, Politiker und Unternehmen erfreute und von solchen internationalen Beziehungen abhängig war.

Dass diese Unterstützung zum Teil das Resultat einer umfassenden Informations- und Propagandakampagne des Regimes darstellte, mit deren Hilfe die Debatten und Entscheidungen in Europa und den USA beeinflusst werden sollte, zeigt Ron Nixon in seinem Buch „Selling Apartheid“. Der Autor, Korrespondent der „New York Times“ und Gastlehrbeauftragter an der University of Witwatersrand (Johannesburg), zeichnet in 15 Kapiteln die unterschiedlichen Phasen der südafrikanischen Propagandabemühungen nach. Außenminister Eric Louw begann bereits in den 1950er-Jahren mit dem Aufbau von Informationsprogrammen, um die internationale Kritik am Apartheid-Staat abzuwehren. Als diese nach dem Sharpeville-Massaker von 1960, „a public relations nightmare for the apartheid government“ (S. 33), noch stärker spürbar wurde, formulierte Louw im Rahmen einer großangelegten „Speaker-Tour“ durch die USA die bekannte Opferinszenierung, die die Selbstwahrnehmung vieler südafrikanischer Regierungsvertreter bis zum Ende des Apartheid-Staates prägen sollte: „Never, except in a state of war, had there been such concentrated opposition against a state.“ (S. 33f.)

Nixon skizziert die kontinuierliche Propaganda des Regimes anhand einzelner Fallbeispiele. Die Lobbyisten Südafrikas waren in den politischen Zentren der wichtigsten Partnerstaaten aktiv, versorgten Unterstützer mit Hintergrundinformationen, beispielsweise zum vermeintlichen sowjetischen Vormarsch auf dem afrikanischen Kontinent, und brachten hunderte Gäste zu sogenannten „Informationsreisen“ ins südliche Afrika. Dort sollten sich die Meinungsbildner im Rahmen einseitiger Programme „ein eigenes Bild“ von der Situation der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und von der angeblich stabilisierenden Wirkung der Republik Südafrika auf die Region machen. So reisten auch der spätere Konstrukteur des „constructive engagement“ der Reagan-Administration, Chester Crocker, und der spätere britische Premierminister David Cameron als junger Politiker ans Kap (S. 114).

Die große Mehrheit der Fallbeispiele stammt aus den USA, wo die Lobby-Tätigkeit für eine ausländische Regierung gegenüber dem Justizministerium meldepflichtig war. Auch wenn sich einige der prosüdafrikanischen Akteure dieser Pflicht entzogen, hat die Sichtung von Akten des US-Justizministeriums dem Autor eine Rekonstruktion der facettenreichen Arbeit zahlreicher Lobbyisten ermöglicht, die im Auftrag der südafrikanischen Regierung oder anderer südafrikanischer Akteure in Senat und Repräsentantenhaus, in TV-Stationen und in Wirtschaftskreisen die immer gleichen Parolen verbreiteten: Südafrika sei die Bastion des Westens im Kampf gegen den Kommunismus, der schwarzen Bevölkerung der Republik gehe es viel besser als auf dem restlichen Kontinent, und Wirtschaftssanktionen würden vor allem die nichtweiße Bevölkerung treffen. Die auf dieser Quellenbasis dargestellten Lobby-Tätigkeiten sind die stärksten Abschnitte des Buches, auch weil Nixon unterschiedliche Interviews mit beteiligten Akteuren einfließen lässt. Allerdings versäumt er es, die Aussagen kritisch zu hinterfragen und die einzelnen Akteure miteinander in Bezug und in den Kontext einer allgemeinen südafrikanischen Informationsstrategie zu setzen.

Letztlich bleiben die Fallbeispiele in einer schwer überschaubaren Aufzählung von Lobbyisten und Institutionen nebeneinander stehen, und es wird kaum darauf eingegangen, dass es einen Unterschied macht, ob sie von der aus südafrikanischen Wirtschaftskreisen finanzierten „South Africa Foundation“, der staatlichen „South African Chamber of Mines“ oder der südafrikanischen Regierung direkt beauftragt wurden. Eschel Rhoodie, in den 1970er-Jahren ein wichtiger Propagandist im Informationsministerium, schrieb einmal, die „[Foundation] tries to do on a private basis what the Department of Information is doing on an official basis“ (zit. auf S. 77). Je klarer die Unwilligkeit des Regimes zu Reformen wurde, desto stärker verfolgte die Business-Lobby jedoch eine eigene Agenda, die zwar immer noch auf Kooperation mit der Regierung setzte, aber parallel dazu die Zeit nach der unvermeidbaren Transformation vorbereitete. Dass diese unterschiedlichen und sich wandelnden Zielrichtungen der von Nixon beschriebenen Akteure nicht deutlich werden, liegt auch daran, dass an vielen Stellen der Inhalt der Propaganda-Arbeit unklar bleibt – zum Beispiel im Rahmen der genannten „Informationsreisen“: Wen die Teilnehmer vor Ort trafen, wie die Reisen abliefen und auf welche Weise die Gäste die erhaltenen Informationen in der anschließenden politischen Arbeit einsetzten, wird nicht näher geschildert.

Das bekannteste Kapitel der südafrikanischen Propaganda sind die Geheimprojekte des von Minister „Connie“ Mulder geführten ‚Department of Information‘, die 1977–1979 in die weltweit beachtete „Muldergate-Affäre“ (auch „Information Scandal“) mündeten. Nixon widmet diesem Konflikt lediglich zehn Seiten seiner Darstellung und übernimmt größtenteils die bekannte Interpretation der damals an der Aufdeckung beteiligten Journalisten.2 Nicht nur an dieser Stelle versäumt es der Autor, die vorhandenen südafrikanischen Quellenbestände in die Darstellung einzubeziehen. Seine Erklärung über „the absence of records“ (S. 211) muss als falsch zurückgewiesen werden, denn trotz der Tatsache, dass die südafrikanischen Behörden in den Jahren vor dem Machtwechsel in großem Umfang Dokumente vernichteten, finden sich nach wie vor an unterschiedlichen Stellen auch Hinweise auf die Propaganda-Arbeit des Regimes.3

Der im Titel formulierte Anspruch Nixons, die „globale Propaganda“ des Apartheid-Staates darzustellen, bleibt unerfüllt. Mit wenigen Ausnahmen beschränkt sich sein Blick auf die USA und Großbritannien. Dies kann nicht allein auf sprachliche Hindernisse zurückgeführt werden, da er auch verfügbare englischsprachige Informationen zur internationalen Dimension der Propaganda nicht in seine Arbeit einbezogen hat.4

Die verengte Perspektive und Materialgrundlage wirkt sich auf die Analyse aus. In der Darstellung der 1980er-Jahre, die ungefähr die (zweite) Hälfte des Buches ausmacht, verweist Nixon mehrfach auf die Bedeutung der Regierungen von Margaret Thatcher und Ronald Reagan für die internationale Unterstützung Südafrikas. Dass er die Bundesrepublik Deutschland, als dritten Baustein der einflussreichen „konservativen Troika“, unerwähnt lässt, wird den internationalen Beziehungen des Apartheid-Regimes zu dieser Zeit nicht gerecht. Die Bundesrepublik war im Rahmen der europäischen Außenpolitik gegenüber dem südlichen Afrika, vor allem aber als Handelspartner und Kreditgeber, von großer Bedeutung. Auffällig ist diese Leerstelle auch im wichtigen Kapitel 13, das sich mit Blick auf einen der sogenannten „Frontstaaten“ der regionalen Einflussnahme Südafrikas widmet. Der durch millionenschwere Militär- und Finanzhilfe gestützte UNITA-Führer Jonas Savimbi war nicht nur Stellvertreter der südafrikanischen und US-amerikanischen Regierungen im Angola-Konflikt, sondern mit seinen Auftritten in den USA und Europa auch wichtiger Akteur der internationalen Propagandabemühungen Südafrikas, um das Gefahren-Szenario dortiger kommunistischer Einflüsse in die Kreise westlicher Politiker zu tragen. Im Kontext von Savimbis umfangreicher USA- und Europareise 1988 beschreibt Nixon lediglich den Empfang in den USA und die Ablehnung zu enger Beziehungen auf Seiten der Regierung Thatcher in Großbritannien. Savimbis Besuch in der Bundesrepublik findet hingegen keine Erwähnung, obwohl der angolanische Politiker im Kanzleramt, im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und beim bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß empfangen wurde.5

Einigermaßen ausführlich verweist Nixon auf die erstarkende Anti-Apartheid-Bewegung in den USA, an der während der 1980er-Jahre zahlreiche prominente Bürgerrechtler beteiligt waren, als verstärkenden Faktor für eine scharfe Gegenpropaganda Südafrikas. Diese setzte in der späten Phase des Apartheid-Staates vor allem auf eine Diskreditierung des African National Congress (Kapitel 7 und 8). Wichtig ist Nixons Hinweis, dass solche Versuche bis zum Ende des Regimes und damit in der gesamten Zeit der parallelen Verhandlungen zwischen Regierung und ANC andauerten: „While President F.W. de Klerk freed Nelson Mandela and lifted the ban on the ANC and other anti-apartheid movements in February 1990, his government also continued to fund secret propaganda projects aimed at undermining the ANC and Mandela.“ (S. 201) Dass die schon früher entwickelte offensive Strategie gegen die namibische Befreiungsbewegung SWAPO als Schablone für das propagandistische Vorgehen gegen den ANC diente, ist die einzige weiterführende, wenn auch nicht völlig überraschende These des Buches (S. 116).

Insgesamt bleibt der Eindruck, dass Ron Nixon sein zweifellos wichtiges Anliegen, mehr als 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid den Blick auf die vielfältigen Propaganda- und Lobbybemühungen des Regimes und auf seine internationalen Unterstützer zu richten, nicht systematisch genug verfolgt hat. Sehr oberflächlich bleibt die Analyse der unterschiedlichen Akteure, und häufig vermisst man die Einordnung in den politischen Kontext. Fast vollständig fehlt eine Betrachtung der Interessen auf Seiten der internationalen Partner Südafrikas, denen ja nicht – wie der Titel suggeriert – das Prinzip der Apartheid „verkauft“ wurde, sondern die mit der Abwehr von Sanktionen und der Unterstützung der Regierung in Pretoria auch verschiedene eigene Ziele verfolgten.

Anmerkungen:
1 Guido Speckmann, Daimler, Deutsche Bank und Co.: Das Geschäft mit der Apartheid, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 59 (2014), Heft 2, S. 101–105.
2 Mervyn Rees / Chris Day, Muldergate. The Story of the Information Scandal, Johannesburg 1980.
3 Verwiesen sei hier u.a. auf den Bestand des 1979 aufgelösten Informationsministeriums: Record Group MNL / INL, National Archives of South Africa (NASA).
4 U.a. Julian Burgess u.a., The Great White Hoax. South Africa’s International Propaganda Machine, London 1977; Roger Pfister, Pretoria’s Endeavours to Improve its Apartheid Image in Switzerland, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 53 (2003), S. 94–105.
5 Institut für Afrika-Kunde (Hrsg.), Afrika Jahrbuch 1988. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Afrika südlich der Sahara, Wiesbaden 1989, S. 281.