Bei dem angezeigten Buch handelt es sich um die Habilitationsschrift von Marco Vitale. Ziel ist die Untersuchung der bildlichen und textlichen Darstellungsformen der von Rom beherrschten Gebiete zwischen dem 3./2. Jahrhundert v.Chr. und dem 4. Jahrhundert n.Chr. Dabei geht es insbesondere um das Einbetten der ‚Bilder‘ in ihren historischen Kontext.
Das Einleitungskapitel (S. 13–48) widmet sich zuerst der Quellenlage. Neben den Hinweisen auf die verschiedenen relevanten Quellengattungen, stellt Vitale heraus, dass seine Arbeit keine vollständige Berücksichtigung des Materials anstrebe, sondern exemplarisch vorgehe. Verschiedenen allzu generellen Feststellungen der Forschung hinsichtlich der von den diversen Medien anvisierten Zielgruppen (Personifikationen beherrschter Gebiete haben insbesondere Analphabeten ansprechen sollen, wertvollere Münzprägungen ausschließlich privilegierte Bevölkerungsgruppen etc.) erteilt Vitale in diesem Abschnitt zurecht eine Absage. Anschließend wird detailliert der Forschungsstand dargestellt,1 wobei Vitale verschiedentlich auf Desiderate in den bisherigen Detailanalysen hinweist, so auf die bisher unbeantwortete Frage, ob der politische Status eines Gebietes über die Darstellung seiner Personifikation entschied (S. 27). Im Rahmen des Forschungsstandes findet sich zudem ein Exkurs zu dem bekannten Umstand, dass die Gebiete in aller Regel als weibliche Personen abgebildet wurden. Hier wurden im Rahmen der Geschlechterforschung verschiedene Spekulationen geäußert, die auf wenigen Seiten (S. 32–34) widerlegt werden: Das Phänomen ist grammatikalisch bedingt. Zuletzt äußert sich Vitale zu „Plan, Aufbau und Methode“ seiner Studie. Er möchte die verschiedenen Zeugnisse vor allem historisch-chronologisch analysieren, das heißt er möchte nicht nur jede Darstellung für sich anhand von Bild und Beischrift analysieren, sondern den gesamten Repräsentationskontext berücksichtigen. Hierfür definiert er verschiedene nützliche Kontextebenen (bildszenisch, historisch-politisch, historisch-intermedial, topisch-diachron), mit denen die Form, das Medium und die Logik der Darstellung eng verknüpft sind.
Das zweite Kapitel „Quellen römischer Reichsdarstellungen: Darstellungslogik“ (S. 49–181) behandelt die Darstellungen beherrschter Gebiete in den verschiedenen Quellengattungen, und zwar wie angekündigt in exemplarischer Form, wobei die Beispiele chronologisch sortiert sind und die jeweilige Darstellungslogik herausgearbeitet wird. Dabei geht es nicht nur um geographische Räume, sondern um Völker innerhalb wie außerhalb des römischen Reiches sowie um die Provinzen desselben. Auch die Siegerbeinamen der Kaiser spielen hierbei eine Rolle.
Zahlreiche nützliche Beobachtungen werden hier gemacht wie diejenige, dass bei Triumphzügen offensichtlich unter den mitgeführten bildlichen Darstellungen nicht zwischen Besiegten innerhalb und außerhalb des römischen Reiches unterschieden wurde (S. 55, S. 96), oder diejenige, dass symbolische Darstellungen und Personifikationen nicht nur für Provinzen, sondern auch für Siegesorte und besiegte Herrscher in Gebrauch waren (S. 59). Die Ausführungen (S. 85f.) zu der beschrifteten Schale aus Puteoli (CIL X 8056,3) hätten noch berücksichtigen sollen, dass die Aufschrift nicht nur zu [Ge]rman[ia], sondern ebenso gut und vielleicht passender zu [Ge]rman[i] ergänzt werden kann und dass die Existenz einer unter Augustus eingerichteten Provinz Germania bislang nicht bewiesen ist. Nicht verständlich ist die Argumentation, dass Cassius Dio den Begriff ethnos zwar für „Völkerschaften“ benutze, „mit ethnos in den meisten anderen Fällen [aber] provincia“ meine (S. 134). Denn wenige Seiten weiter (S. 154) wird dann festgestellt, dass Cassius Dio diesen Terminus nur ein einziges Mal für die römischen Provinzen verwende. Dennoch ist das Kapitel 2.9 zur juristisch-administrativen Darstellung territorialer Erweiterungen (S. 148–181) mit großem Gewinn zu lesen, auch wenn man in den Details zum Teil andere Ansichten vertreten mag.
Der dritte große Abschnitt „Genese und Entwicklung von Provinzpersonifikationen“ (S. 183–324) betrachtet dann noch einmal en Detail die Verbildlichung der Provinzen des römischen Reiches in Form von Personen. Betrachtet wird zum einen die Entwicklung dieser Darstellungsform, doch findet auch der Vergleich mit Tieren und Objekten statt, die Provinzen repräsentieren sollten. Unter den Personendarstellungen werden sowohl die Abbildungen von Kriegsgefangenen, weiblichen Personifikationen wie auch diejenigen von besiegten Herrschern analysiert. Die Darstellung juristisch-administrative Sonderfälle, wie diejenige Italias oder diejenige der Heimatprovinzen der Kaiser, finden ebenfalls Beachtung. Auch die spätrömischen Sonderformen, die von Personifikationen einzelner Völker und Gebiete abrücken und stattdessen auf Siege über Barbaren im Allgemeinen verweisen, werden kurz behandelt. Zuletzt berücksichtigt werden die verhältnismäßig seltenen Selbstdarstellungen der Provinzialen und auswärtigen Völker/Gebiete.
Auch in diesem Abschnitt finden sich wieder viele gewinnbringende Erörterungen. So ist Vitales Deutung des von Elephanten zertrampelten Objektes auf den Prägungen Caesars (RRC 443) als keltische Carnyx nach Ansicht des Rezensenten durchaus möglich (S. 215–218). Vitales chronologische Verortung der Prägung in die Zeit des Gallischen Krieges statt in den folgenden Bürgerkrieg ist dementsprechend ebenso in Erwägung zu ziehen.2 In der Diskussion um die Italia-Prägungen der Bundesgenossen im bellum civile (S. 231–245) hätte man vielleicht noch berücksichtigen müssen, dass unter Umständen mit Italia nicht durchgängig die ganze Halbinsel, sondern lediglich das zur Hauptstadt Italia ausgerufene Corfinium gemeint ist.3
Angehängt an die Untersuchung sind eine Zusammenfassung (S. 324–334), ein Abbildungsnachweis (S. 335–341), ein Literaturverzeichnis (S. 343–370) und ein kurzer Sachindex, der Personen, Gottheiten, Personifikationen und Symbole umfasst (S. 371–374). Zu bedauern ist, dass kein Quellenindex angefügt wurde. Ein Anlegen eines derartigen Verzeichnisses hätte nicht nur die Benutzbarkeit der Studie erhöht, sondern sicherlich ebenfalls dazu beigetragen, die zahlreichen unterschiedlichen Zitationsformen der antiken Zeugnisse zu vereinheitlichen. Sehr nützlich und lobend hervorzuheben sind wiederum die kurzen Abschnitte innerhalb der langen Kapitel, die unter dem Titel „Zwischenbefund“ immer wieder wichtige Erkenntnisse noch einmal in zusammenfassender Form festhalten (wenngleich nicht für alle Unterabschnitte).
Vitale hat sein eingangs formuliertes Ziel, die bildlichen und textlichen Darstellungen der von den Römern eingerichteten Provinzen und der von ihnen eroberten bzw. besiegten Gebiete, Völker und Potentaten zu untersuchen, zweifellos erreicht. Auch die Einbettung in den historischen Kontext ist durchweg gelungen. Zwar liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf der Analyse der numismatischen Quellen und der literarischen Zeugnisse, doch kommen auch die weiteren archäologischen und epigraphischen Nachweise zu Wort. Beeindruckend ist die Aufarbeitung der zahlreichen Forschungskontroversen, die Vitale mit seiner Studie in verschiedenen Fällen sicherlich fruchtbar beeinflussen wird. Alle zukünftigen Studien über die Personifikation von Provinzen und Gebiete in der römischen Kaiserzeit werden von Vitales Buch auszugehen haben.
Anmerkungen:
1 Etwas verwunderlich ist der Hinweis auf eine Studie von Mommsen, die dem Jahr 1905 zugewiesen wird (S. 23), als der große Gelehrte bereits verstorben war. Die Publikation findet sich zudem nicht im Literaturverzeichnis des Buches.
2 Zu einem anderen Ergebnis kommt die von Vitale nicht benutzte hervorragende Studie Bernhard Woytek, Arma et Nummi. Forschungen zur römischen Finanzgeschichte und Münzprägung der Jahre 49 bis 42 v. Chr., Wien 2003, hier: S. 119–133.
3 Die vorgeblich früheste nachweisbare Personifikation Italias wird auf S. 244f. in die Zeit des Bundesgenossenkrieges selbst datiert, auf S. 237 dagegen in die Jahre 71/70 v.Chr.