P. Frymer: Building an American Empire

Cover
Titel
Building an American Empire. The Era of Territorial and Political Expansion


Autor(en)
Frymer, Paul
Reihe
Princeton Studies in American Politics: Historical, International, and Comparative Perspectives
Erschienen
Anzahl Seiten
312 S.
Preis
$ 35.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dominik Ohrem, Abteilung für Nordamerikanische Geschichte des Historischen Instituts, Universität zu Köln

In den vergangenen Jahren haben Arbeiten zur Geschichte des amerikanischen Expansionismus verstärkt Perspektiven verfolgt, die den Prozess der Westexpansion als zentrales, aber nicht alleiniges Element eines umfassenderen „habit of empire-building“1 verstehen. Während Amy Kaplan 1993 noch zurecht eine „absence of empire in the study of American culture“2 konstatieren konnte, zeichnen jüngere Arbeiten ein umfassenderes Bild, das nicht nur eine relative Kohärenz und Kontinuität expansionistisch-imperialer Bestrebungen verdeutlicht, sondern diese auch sinnvoll in einen transnationalen Kontext des empire-building stellt.3 Andere jüngere Arbeiten widmen sich der theoretischen Ausarbeitung und historischen Analyse des Phänomens des Siedlerkolonialismus als einem dynamischen Beziehungsgefüge, das maßgeblich durch das Aufeinandertreffen oftmals schnell wachsender und expansionswilliger weißer Siedlerpopulationen und indigener Gesellschaften geprägt war. Wie Patrick Wolfe gezeigt hat, war Siedlerkolonialismus dabei strukturell durch eine eliminatorische Logik gekennzeichnet, die mittels einer Reihe heterogener Strategien auf die Verdrängung und Ersetzung einer indigenen Bevölkerung und Kultur durch eine weiße Siedlergesellschaft abzielte.4

Wie lässt sich vor dem Hintergrund dieser grob angerissenen Entwicklungen in der Forschung das hier rezensierte Buch von Paul Frymer verorten – und was hat es zu bieten? Während sich Arbeiten zum US-amerikanischen empire oftmals auf die 1890er- und frühen 1900er-Jahre und auf Ereignisse wie die Annexion von Hawaii sowie das Ausgreifen nach Kuba und den Philippinen konzentriert haben, legt Building an American Empire die Anfänge des imperialen Projekts schon in die Dekaden des ausgehenden 18. bzw. frühen 19. Jahrhunderts. Anstatt den sich in der antebellum era intensivierenden kontinentalen Expansionsprozess und die späteren imperialen Bestrebungen um die Jahrhundertwende als voneinander unabhängige Phänomene zu verstehen, beleuchtet Frymer diese Entwicklungen in ihrem Zusammenhang als „one of the nation’s earliest and most foundational political projects“ (6), das weder durch eine homogene Form noch durch einen linearen Verlauf gekennzeichnet war. Nichtsdestotrotz betont Frymer, dass das Kernelement des amerikanischen empire-building stets in Landnahme und Besiedlung bestand, wobei der für gängige Imperialismusdefinitionen ausschlaggebende Aspekt der Ausbeutung indigener Ressourcen und Arbeitskraft von bestenfalls sekundärer Bedeutung war. Der rote Faden und wesentliche Forschungsbeitrag von Building an American Empire findet sich erstens in Frymers Fokus auf einem die territoriale Expansion maßgeblich prägenden Prozess des Populationsmanagements durch eine gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts relativ schwachen Bundesregierung, die ihren Einfluss dennoch mittels landpolitischer Maßnahmen geltend machte und versuchte, die Richtung, Geschwindigkeit und das Ausmaß der Besiedlung sowie die demographische Entwicklung der betreffenden Territorien zu regulieren. Damit zusammenhängend betont Frymer zweitens das konstitutive Ineinandergreifen von Staatsbildungsprozessen (state formation) und der strategischen Ausbildung demographischer Strukturen nach „rassischen“ Kriterien (racial formation), die stets auf die Schaffung weißer Mehrheitspopulationen in den als Bundesstaaten zu inkorporierenden Territorien abzielte. Diese Bestrebungen und die zur Jahrhundertmitte immer deutlicher artikulierte Befürchtung regressiver nationaler Entwicklungen durch die Vermischung mit vermeintlich „rassisch“ minderwertigen Populationen erzeugte eine ambivalente Dynamik von Rassismus und Expansionismus, die gleichermaßen zur Befeuerung wie zur Einhegung territorialer Expansion beitrug. Sie sorgte dafür, dass expansionistische Aspirationen weitgehend auf Regionen begrenzt blieben, in denen die Herstellung weißer Mehrheiten nicht durch eine zu große – und daher nicht ohne Weiteres verdrängbare – nicht-weiße Bevölkerung verhindert wurde.

Im Anschluss an die Einleitung (Kapitel 1) beschäftigt sich das Gros des Buches mit dem für das US-amerikanische 19. Jahrhundert prägenden Prozess kontinentaler Expansion. Kapitel 2 und 3 bleiben dabei geographisch östlich des Mississippi und setzten sich mit der Besiedlung jener Gebiete auseinander, die den Vereinigten Staaten im (zweiten) Vertrag von Paris von 1783 zugesprochen wurden. Kapitel 4 und 5 bewegen sich dann in die durch den Louisiana Purchase von 1803 hinzugewonnenen Gebiete des Trans-Mississippi West und umfassen das amerikanische Ausgreifen in den Südwesten, den mexikanisch-amerikanischen Krieg und die anschließend im Vertrag von Guadalupe Hidalgo geregelten Gebietsgewinne sowie die Debatten um die potentielle Annektierung von Kuba und Santo Domingo. Erwähnenswert ist hier Frymers detaillierte Auseinandersetzung mit der Land- und Siedlungspolitik Mexikos, die darauf abzielte, den expansionistischen Bestrebungen der USA entgegenzuwirken. Auf Basis eines umfangreichen Quellenkorpus zeichnet Frymer in diesen Kapiteln ein Bild von oftmals konfliktreichen bundespolitischen Inkorporationsdebatten, die von Beginn an maßgeblich durch einen Imperativ weißer Suprematie geprägt waren. Letzterer konnte allerdings, wie im Falle der nach dem Sieg über Mexico kurzzeitig aufflammenden Bewegung für die Inkorporation ganz Mexikos, expansionistische Bestrebungen auch erschweren oder vereiteln. In seinem sechsten Kapitel beschäftigt sich Frymer mit einem im Kontext des amerikanischen empire-building unterbeleuchteten Phänomen: den letztlich fruchtlosen Versuchen, Afroamerikaner/innen im großen Stil in Kolonien (insbesondere Liberia) außerhalb der USA umzusiedeln. Wie Frymer überzeugend argumentiert, müssen diese vor allem von der American Colonization Society getragenen Bemühungen, die trotz ihres (relativen) Scheiterns zeitweise breite Unterstützung fanden, ebenfalls vor dem Hintergrund eines nationalen population engineering betrachtet werden, mittels dessen versucht wurde, nicht-weiße Gruppen aus den expandierenden Landesgrenzen einer sich als „weiß“ definierenden Siedlernation zu entfernen. In dem kurzen siebten Kapitel beschäftigt sich Frymer abschließend mit den imperialistischen Unternehmungen der USA nach dem von Frederick Jackson Turner und anderen Zeitgenossen in den 1890er-Jahren diagnostizierten „Ende“ der Frontier und zieht Verbindungslinien zu jüngeren zeitgeschichtlichen bzw. politischen Entwicklungen in den USA. Die hegemoniale Vorstellung von den USA als einer weißen Siedlernation, so seine Feststellung, zeigt sich heute in der weiterhin enorm wirkmächtigen Furcht vor dem Niedergang weißer Suprematie in einer Nation, in der sich nicht-weiße Gruppen zunehmend Gehör verschaffen und ihre Rechte einfordern.

Building an American Empire schafft es, der gut erforschten Geschichte des amerikanischen Expansionismus einsichtsvolle neue Erkenntnisse abzugewinnen und dabei ältere Arbeiten sinnvoll zu ergänzen. So ist die zentrale Rolle der Bundesregierung für den Prozess territorialer Expansion bereits im Rahmen der New Western History der 1980er- und 1990er-Jahre herausgestellt worden.5 Frymers nuancierte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen einer Bundesregierung, die trotz geringer militärischer Ressourcen, oft ineffizienter Bürokratie und begrenzter legislativer Gewalt die „rassische“ Demographie territorialer Expansion (und damit auch der Nation insgesamt) zu gestalten versuchte, bietet eine wichtige Vertiefung dieser früheren Arbeiten. Trotz des Schwerpunkts auf der Rolle der Bundesregierung ist Frymers historische Analyse stets durch ein Bewusstsein über die Komplexität und Vielschichtigkeit der Handlungssphären geprägt, die den Expansionsprozess beeinflusst haben. Sie bietet auch einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des amerikanischen Siedlerkolonialismus, indem sie wichtige Einblicke in das dynamische Beziehungsgefüge zwischen Siedlerpopulationen und Staatsgewalt erlaubt. Insgesamt zählt Frymers Buch zu den stärksten jüngeren Monographien zum amerikanischen Expansionismus.

Anmerkungen:
1 Walter Nugent, Habits of Empire. A History of American Expansion, New York 2008.
2 Amy Kaplan, „Left Alone with America“. The Absence of Empire in the Study of American Culture, in: Amy Kaplan / Donald E. Pease (Hrsg.), Cultures of United States Imperialism, Durham 1993, 3–21.
3 Zu erwähnen sind hier neben Kaplans 2002 in Buchform unter dem Titel The Anarchy of Empire in the Making of U.S. Culture veröffentlichten Aufsätzen und Nugents Habits of Empire auch David Wrobels Global West, American Frontier. Travel, Empire, and Exceptionalism from Manifest Destiny to the Great Depression, Albuquerque 2013.
4 Patrick Wolfe, Settler Colonialism and the Elimination of the Native, in: Journal of Genocide Research 8,4 (2006), 387–409. Mit Walter Hixsons American Settler Colonialism. A History, New York 2013, liegt auch bereits eine umfassendere Arbeit zur Geschichte des amerikanischen Siedlerkolonialismus vor.
5 Siehe etwa Richard White, „It’s Your Misfortune and None of My Own“. A New History of the American West, Norman 1991.

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