Die deutsche Rezeption US-amerikanischer Populärkultur in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ist bereits mehrfach untersucht worden. Im Zentrum standen die Auswirkungen auf die Jugendkultur, die sogenannten "Halbstarken" der 1950er Jahre und die nicht selten aggressiven Widerstände gegen die vermeintliche Amerikanisierung. Die meisten Studien betreffen den Westen, doch liegen mittlerweile auch Arbeiten zur DDR vor. Was macht den kulturhistorischen Neuwert der Untersuchung von Uta Poiger aus, in deren Mittelpunkt ebenfalls die Reaktionen auf die jugendliche Aneignung von Jazz, Rock'n'Roll und Hollywoodfilmen in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre stehen? Ihr Anliegen ist es, im systematischen Vergleich der beiden deutschen Staaten die "politische" (hierzulande würde man wohl sagen: gesellschaftsgeschichtliche) Dimension der Auseinandersetzungen um die attraktiven US-Einflüsse herauszuarbeiten. Die übergreifende Frage lautet: Wie prägten diese Konflikte den (Wieder-)Aufbau von Konzepten sozialer Normalität und Normativität (Poiger spricht von "Identität") in den konkurrierenden nachfaschistischen Gesellschaften? Dazu werden drei Aspekte systematisch vergleichend verknüpft: Beide Staaten betrachteten die amerikanischen Importe und das damit verbundene einheimische Fanverhalten als Herausforderung für die angestrebte Familien- und Geschlechterordnung; beide thematisierten im Propagandakrieg zwischen Bundesrepublik und DDR die US-Populärkultur und ihre angeblichen Wirkungen; das wiederum beeinflusste die Strategien, die die jeweiligen Staatsapparate unter den Zwängen des Kalten Krieges gegenüber den "rebellischen" Jugendlichen anwendeten.
Zwar bringen die von Poiger herangezogenen Quellen (Zeitzeugeninterviews, öffentliche und verwaltungsinterne Beurteilungen, Pressematerial) keine sachliche Korrektur der bisherigen Forschung. Der komplexe Untersuchungsansatz ergibt jedoch ein so bisher nicht vorliegendes differenziertes Bild von Gemeinsamkeiten und Differenzen in den Deutungshorizonten und Reaktionsmustern beider Staaten, deren Umgang mit Jugendkultur sich im Untersuchungszeitraum markant auseinanderentwickelte.
Poiger geht davon aus, dass beide Staaten aus demselben mentalen Erbe Vor-Bilder vom richtigen und normalen Sozialverhalten Deutscher konzipierten, die drei grundlegenden Ansprüchen genügen mussten: Sie sollten die Abgrenzung vom Nationalsozialismus zeigen, der im Kalten Krieg polarisierten Staatsräson entsprechen und im Systemwettbewerb auf der gegnerischen Seite attraktiv und überzeugend wirken. Im Zentrum standen die Ideale des männlichen, selbstbeherrschten, zur Landesverteidigung bereiten (aber nicht mehr militaristischen) Mannes und der weiblichen, sexuell und im öffentlichen Auftreten zurückhaltenden Frau und Mutter. Die hierauf gegründete Familie hatte jeweils systemspezifische Besonderheiten - aber Ost und West sahen die elementare Geschlechterordnung herausgefordert durch eine Jugendkultur, in der Konsum die Familienwerte verdrängte, Geschlechtergrenzen verschwammen, männliche Aggressivität und weibliche Sexualisierung die öffentliche Ordnung in Frage stellten.
Der Umgang mit US-Populärkultur, soweit man ihr derartige Folgen zuschrieb, wurde zum Politikum. Auf die Zuspitzung, die sich etwa in den ost- wie westdeutschen "Halbstarkenkrawallen" der Jahre 1956-58 manifestierte, reagierten beide Staaten zunehmend unterschiedlich. Im Osten blieben Jazz, Popmusik und Filme aus dem Westen ein Politikum; je nach der Parteilinie wurde die darin liegende Gefahr für das System größer oder kleiner eingeschätzt, gab es mehr oder weniger Spielraum, Duldung oder brutales Durchgreifen gegen Fans. In der Bundesrepublik hingegen setzte sich trotz erheblicher Ressentiments zwischen 1956 und 1960 eine Linie der Entpolitisierung und Integration amerikanischer Populärkulturimporte durch. Jugendliche Stile wurden zur Privatsache erklärt, rebellisches und expressives Verhalten als Durchgangsphase auf dem Weg zum Erwachsenwerden psychologisch entschärft und die weniger "wilden" Varianten von Jazz und Teenagertanz als hilfreiche Felder für das Sich-Austoben Heranwachsender politisch gefördert.
Jugendforscher und Sozialwissenschaftler lieferten die Stichworte, unter Anlehnung an Konzepte, die wie Riesmans "Einsame Masse" die Kultur der Konsumgesellschaft nicht apokalyptisch ablehnten, sondern kritisch-pragmatisch analysierten. Und auch bei den Politikern gewann unter den Zwängen des Kalten Krieges die "liberalere" Linie die Oberhand. Die "Entpolitisierung" expressiver jugendlicher Stile ließ sich nämlich hervorragend funktionalisieren für die Systemauseinandersetzung. Im Westen, so die Botschaft, waren Konsum, heiße Musik und jugendlicher Überschwang Privatsache, nicht Gegenstand staatlicher Reglementierung. Sie waren Teil einer überlegenen, da freiheitlichen Wohlstands-Lebensweise, und auftretende Probleme konnte man pädagogisch und jugendpflegerisch bearbeiten. Die DDR hingegen definierte auch Musikgeschmack und Mode als Feld des Klassenkampfes und griff unvermeidlich immer wieder zu repressiven Maßnahmen, die den westlichen Vorwurf totalitärer Kontrolle der Privatsphäre nährten. Zwar gab es in der Bundesrepublik auch später noch Auseinandersetzungen um Jugendkultur, doch die offizielle Linie blieb eindeutig (und erfolgreich); seit den späten 1950ern galten Jazz, Rock und Pop nicht mehr als Bedrohung, der der Staat entgegentreten musste, sondern als Symbole der nicht problemlosen, aber doch freien und vitalen Kultur des Westens.
Mit der überzeugenden Darlegung des Wandels von der konservativen zur pragmatisch-liberalen Hegemonie gegenüber kommerzieller Populärkultur füllt Poiger eine Forschungslücke. Über den Stellenwert "rebellischer" Jugendkultur bei der Veränderung der Geschlechterordnung, über ihre "politische" Kraft und ihre wesentlichen kulturhistorischen Effekte wird weiterhin zu diskutieren sein