Nachdem Hubertus Knabe bereits in seinem Band über die „unterwanderte Republik“ den wenig geglückten Nachweis zu erbringen versuchte, daß der Staatssicherheitsdienst nicht nur defensiv Informationen beschafft hat, sondern auch offensiv und tatsächlich steuernd auf die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik eingewirkt habe, untersucht er nun in dem Band zum „diskreten Charme der DDR“ die Einflußversuche von Mielkes Schattenarmee auf bundesdeutsche Medien. Seine zentrale These lautet: Das „klarsichtige“ politische Urteil der Medien zur DDR der fünfziger Jahre sei spätestens in den siebziger Jahren aufgeweicht - die „scharfe Verurteilung des Ostberliner Regimes“ im Schwinden begriffen gewesen. Welche Rolle, fragt er, kam hierbei dem Staatssicherheitsdienst zu? Sein Ergebnis: Dieser habe zwar die westdeutschen Medien, wie es etwas undeutlich heißt, in „vielfältiger Weise durchdrungen und beeinflußt“, aber die Veränderung des DDR-Bildes sei „nicht in erster Linie von Agenten bewirkt“ worden. Die Inoffiziellen haben eher der Informationsbeschaffung als der Einflußnahme gedient, wie er bemerkenswerterweise schließlich feststellt.
Denn in dem Band zur „unterwanderten Republik“ war noch ein anderer Eindruck vermittelt worden. Mehr noch relativiert er die diesbezügliche Rolle des Staatssicherheitsdienstes, als er am Ende seiner Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt: Die Frage, warum die SED-Diktatur im Westen zunehmend auf Akzeptanz stieß, sei wie zuvor offen. Damit entzaubert er selbst am Ende seines Bandes den einleitend insinuierten Verdacht, dies sei vor allem das Werk von Agenten gewesen. Im Klappentext findet sich jedoch das Gegenteil: „Auch im Westen konnte sie [die Staatssicherheit] stets auf bereitwillige Zuträger und Erfüllungsgehilfen rechnen. So nimmt es nicht wunder, dass die zweite deutsche Diktatur in den Medien des Westens – mit wenigen Ausnahmen – zusehends nachsichtiger beurteilt wurde.“
Tatsächlich war der Aufwand, auf die Berichterstattung und das Meinungsklima der Bundesrepublik einzuwirken, enorm. Auf breiter Quellenbasis spürt Knabe den verschiedenen Formen der nachrichtendienstlichen Einflußnahme nach, die von politischer Kontaktarbeit über vertrauliche Kanäle bis zu klassisch inoffizieller Arbeit reichten. Drei Dutzend inoffizielle Mitarbeiter konnte Knabe unter den Journalisten ermitteln, die beinahe wie Telefoneinträge aufgereiht werden. Die Liste reicht vom „Spiegel“-Redakteur Diethelm Schröder über den NDR-Journalisten Bernd Michels bis hin zum „Bild“-Redakteur Holger Oehrens. Insbesondere sozialdemokratische Journalisten scheinen nach Knabe für die Kontaktarbeit anfällig gewesen zu sein, nach der Devise, die „realistischen“ Kräfte stärken, negative schwächen. Gleichwohl lassen sich aber auch hochrangige Journalisten im konservativen oder gar rechtsextremen Lager mit einer MfS-Anbindung finden: Beispielsweise dürfte Lutz Kuche vom „Rheinischen Merkur“ zu den bedeutendsten Informanten der Staatssicherheit in Sachen NPD zu zählen sein. Mithin werden seit Jahren bekannte Fälle nochmals gebündelt präsentiert.
Zum interessantesten Kapitel des Bandes gehören die Lancierungswege der versteckten SED-Propaganda in der Bundesrepublik, in dem einzelne Kampagnen gegen Persönlichkeiten der Bundesrepublik beschrieben werden. Detailliert erläutert Knabe, wie bundesdeutschen Medien bestimmte Informationen (auch zutreffende) erfolgreich untergejubelt worden sind. Ebenso interessant liest sich der Versuch der Staatssicherheit, die Stimmungen und Kampagnen gegen den Springer-Verlag zu befördern, wenn von der eher überbordenden Homage an das Verlagshaus, in dem der Band erschienen ist, abgesehen wird. Hubertus Knabe hat aus schräger Perspektive ein eloquentes, unterhaltsames, aber auch populäres Buch zu einem spannenden Thema vorgelegt.