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Title
Deutsche Plantagen in Britisch-Kamerun. Internationale Normen und lokale Realitäten 1925 bis 1940


Author(s)
Authaler, Caroline
Published
Köln 2018: Böhlau Verlag
Extent
266 S.
Price
€ 40,00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Ralph Erbar, Geschichtslehrerverband Rheinland-Pfalz

Das Deutsche Reich verlor mit dem Versailler Vertrag all seine Kolonien. In der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist allerdings die Tatsache, dass die Präsenz der Deutschen in den ehemaligen Kolonien – darunter dem westafrikanischen Kamerun – damit aber keineswegs endete. Bereits 1925 waren in dem nun britischen Mandatsgebiet Kamerun wieder rund 100 Deutsche ansässig, die sogar einen Großteil ihrer Plantagen hatten zurückkaufen können. Freilich galten dort nach 1919 völlig veränderte Rahmenbedingungen: Das vor dem Weltkrieg etablierte System der Zwangsarbeit galt als diskreditiert und hatte neuen Arbeitsverhältnissen und Verdienstmöglichkeiten zu weichen, so dass sich die Plantagengebiete für nicht wenige Afrikaner zu interessanten Arbeitsplätzen wandelten. Verbietet es sich schon für die Zeit vor 1914 von homogenen weißen und schwarzen Gruppen zu sprechen, so vergrößerte sich die Zahl der Akteursgruppen vor Ort in den 1920er-Jahren noch einmal deutlich. Ihrem Zusammenspiel im britischen Teil der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun widmet sich die Studie von Caroline Authaler, die aus einer 2016 an der Universität Heidelberg eingereichten Dissertation hervorgegangen und an der Schnittstelle von Kolonial-, Arbeiter- und Plantagengeschichte sowie der Geschichte des Völkerbunds angelegt ist.

Ins Zentrum ihrer Studie rückt Authaler die Fragen, ob und inwiefern die Implementierung der Mandatsprinzipien tatsächliche Verbesserungen für die Lage der Arbeiter nach sich zog. Dazu wertete sie Quellen aus Archiven in Großbritannien, Deutschland, der Schweiz und vor allem in Kamerun aus, wo die Akten der französischen bzw. britischen Mandatsverwaltungen ab 1916 verwahrt werden, die auch die Stimmen der afrikanischen Arbeiter/innen dokumentieren, wenn letztere auch blass bleiben. In einem längeren Prolog skizziert die Autorin die internationalen Rahmenbedingungen ab 1918 und erläutert die Grundzüge des nach dem Ersten Weltkrieg geschaffenen Mandatssystems. Der in den Pariser Vorort-Verträgen ausgehandelte Kompromiss sah für die neuen Mandatsgebiete eine Mischung aus Annexion und Selbstbestimmung mit dem Ziel der künftigen Unabhängigkeit vor – ohne sich zeitlich festlegen zu wollen. Da der Wohlstand der alten Metropolen aber weiterhin eine zentrale Rolle spielte und spielen sollte, wurden die Prinzipien der europäischen Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts fortgeschrieben, so dass die grundlegenden kolonialen Konflikte aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg teilweise fortbestanden.

Dies galt auch für das 1923 zum Mandatsgebiet erhobene Britisch-Kamerun, das als Provinz der Kolonie Nigeria zugeschlagen wurde. Kolonialwirtschaftlich von geringer Bedeutung, galt dem Gebiet nur wenig Aufmerksamkeit der britischen Mandatsverwaltung, die sich ihre Aufgaben mit den deutschen Plantagenunternehmern, die ursprünglich seit den 1890er-Jahren vor Ort waren und ab 1925 wieder Zugang zu den ehemaligen Kolonien erhielten, teilte. Zwar waren deren Gewinne bis 1914 gering geblieben, dennoch hielt man auf deutscher Seite auch in den 1920er-Jahren an der Idee der Großplantagen fest. Eines der vorrangigen Probleme, das gelöst werden musste, war die Gewinnung von Arbeitskräften. Dabei profitierten die privaten deutschen Plantagenunternehmen von ihren Netzwerken aus der Kolonialzeit. Da die vor dem Weltkrieg übliche Zwangsarbeit durch Lohnarbeit ersetzt werden musste, entstand ein lukrativer Arbeitsmarkt, der ehemalige deutsche Kolonialsoldaten und Migranten über die Grenzen hinweg anzog.

Die 1920er-Jahre waren durch eine Politik des laissez faire zwischen britischer Mandatsverwaltung und deutschen Plantagenbesitzern gekennzeichnet, wodurch die sozialmedizinischen Vorgaben des Völkerbundes, etwa in Bezug auf den Häuserbau, schlichtweg unterlaufen wurden. Als die Briten im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik Ende der 1930er-Jahre auf die Einhaltung verbindlicher Standards pochten, um den allgemeinen Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern, führte dies zu einem Konflikt mit den Plantagenbesitzern vor Ort, die eher an der Fortsetzung der restriktiven Kolonialpolitik aus der Vorkriegszeit interessiert waren und zunehmend auf den Kurs des nationalsozialistischen Wirtschaftsprogramms einschwenkten.

Mit dem Sommer 1940 endet offiziell die Zeit der deutschen Pflanzer in Britisch-Kamerun und der Untersuchungszeitraum der Arbeit von Authaler. Die deutschen Staatsbürger, die im September 1939 erneut enteignet worden waren, flohen entweder auf die vorgelagerte Insel Fernando Po, wurden nach Großbritannien verbracht oder durften zunächst unter strenger Aufsicht der britischen Verwaltung auf den Plantagen vor Ort weiterarbeiten. Damit sollte gewährleistet werden, dass die Pflanzungen nicht wieder wie nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verwahrlosten und an Wert verloren. Nach der Kapitulation Frankreichs übernahm die britische Mandatsverwaltung dann aber endgültig die Verwaltung der ehemaligen deutschen Plantagen.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges brachte für Britisch-Kamerun die Ablösung des Mandatssystems des Völkerbundes durch die Treuhandverwaltung der UNO. Die deutschen Pflanzungsgebiete wurden verstaatlicht und der Cameroon Development Corporation unterstellt. Das hinderte deutsche Unternehmer aber keineswegs daran, Ende der 1940er- bzw. Anfang der 1950er-Jahre erneut als potentielle Investoren in Kamerun aufzutreten und unter dem Deckmantel bundesrepublikanischer Entwicklungshilfe um Betriebsgenehmigungen nachzusuchen, was in Einzelfällen auch gelang.

Durch ihre kenntnisreiche und gut lesbare Studie gelingt es Authaler am Fallbeispiel Britisch-Kameruns aufzuzeigen, dass koloniale Abhängigkeitsstrukturen nach 1918 keineswegs verschwanden und Mandatsverwaltungen in den 1920er- und 1930er-Jahren nicht automatisch verantwortungsbewusster mit der Bevölkerung verfuhren als die Kolonialverwaltungen der Vorkriegszeit. Ein solches Ergebnis ist nur möglich, indem die Autorin mit ihrer Arbeit bewusst die Epochengrenzen von Kaiserreich, Weimarer Republik und NS-Diktatur überschreitet. So ist sie in der Lage, koloniale Kontinuitäten offenzulegen und aufzuzeigen, wie das bewährte Zusammenspiel zwischen deutschen Unternehmern und afrikanischen Eliten über 1918 hinaus fortbestehen konnte – zu beiderseitigem Vorteil. Mit dem offiziellen Ende der deutschen Kolonialherrschaft ist diese in zahlreichen (Schul-)Geschichtsbüchern kein Thema mehr. Authaler zeigt hingegen überzeugend auf, dass aus der Kolonialzeit stammende Strukturen und Denkmuster – wenn auch unter veränderten Rahmenbedingungen – lange über das Kriegsende hinaus wirkten. Das Verhältnis der Akteure vor Ort war dabei äußerst komplex. So verbietet es sich – wie schon für die Zeit vor 1914 – von homogenen „weißen“ oder „schwarzen“ Bevölkerungsblöcken zu sprechen, die sich gegenübergestanden hätten. Vielmehr bildeten sich, je nach Interessenlage, Koalitionen auf Zeit, auch wenn die Rassenpolitik klare Grenzen setzte, die aber in den 1920er-Jahren zunehmend aufgeweicht wurden. Dies schuf Handlungsfreiräume auf allen Seiten. Nachweisen lässt sich dies vor allem für die britischen und deutschen Akteure vor Ort. Da die britische Mandatsverwaltung bei der Umsetzung von Reformen im Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik finanziell überfordert war, sprangen die deutschen Pflanzer in die Lücke, da sie auf ihre Erfahrungen und persönlichen Beziehungen aus der Kolonialzeit zurückgreifen konnten. Abschließend weist Authaler aber zu Recht darauf hin, dass die hier gewonnenen Erkenntnisse nur bedingt auf die anderen britischen Mandatsgebiete in Afrika übertragen werden können. Deren Untersuchung und die Migrationsströme in den Zeiten nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg markiert sie als lohnenswerte Aufgabe künftiger Forschung.

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