"Antifaschismus" war ein zentrales Motiv des Selbstverständnisses der DDR, einer ihrer Gründungsmythen und bis zum Ende Teil ihrer Staatsdoktrin. "Antifaschismus" wirkte nach innen und außen: Nach innen, in dem damit die Herrschaft der KPD/SED als der in der Selbstwahrnehmung entscheidenden Trägerin des Widerstandes gegen die nationalsozialistische Diktatur legitimiert wurde; nach außen, in dem die DDR als der moralisch "bessere" der beiden deutschen Staaten dargestellt wurde, dessen führende Vertreter die Nationalsozialisten zunächst aktiv bekämpft und ihre Hinterlassenschaften anschließend überwunden hatten, während die Bundesrepublik zugleich als Hort eines wenn auch verdeckt weiterbestehenden Faschismus diffamiert werden konnte.
"Antifaschismus", als Konstrukt bereits entstanden in der Weimarer Republik, bezeichnete vor allem für Angehörige der KPD und späteren SED alle Formen des Widerstandes gegen Imperialismus und Nationalsozialismus. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur war "Antifaschismus" zunächst ein wichtiges Element der Volksfrontstrategie der KPD; unter diesem Leitbegriff konnte versucht werden, die in der sowjetischen Besatzungszone rasch wiederentstehenden demokratischen Gruppierungen zusammenzuführen. Nach der Konstituierung der DDR im Oktober 1949 wurde "Antifaschismus", verstanden als - vor allem kommunistischer - Widerstand gegen den Nationalsozialismus vor und nach 1933, zum Wesensmerkmal des Selbstbildes der DDR und zum Kernelement der von der SED vertretenen Ideologie; die DDR wurde per definitionem zum "antifaschistischen Staat".
Neben seiner innen- und außenpolitischen Funktion hatte das Konstrukt "Antifaschismus" für die sozialistischen Machthaber in der DDR eine auch eminent pädagogische Bedeutung. An diesem Punkt setzt die Studie von Karin Wieckhorst an. Gegenstand ihrer Untersuchung ist der "antifaschistische Widerstand" in seiner Darstellung in der Kinder- und Jugendliteratur der SBZ/DDR. Dabei vertritt sie die These, dass der simplifizierende Dualismus von "Faschismus" und "Antifaschismus" nach den Kriterien "böse" und "gut" bzw. "falsch" und "richtig" der komplexen historischen Realität des nationalsozialistischen Regimes und der unter ihm Handelnden nicht gerecht geworden und dass vor allem die Auseinandersetzung mit der industriell betriebenen Massenvernichtung der europäischen Juden und anderer Gruppen weitgehend unterblieben sei.
Wieckhorst verbindet eine literaturwissenschaftliche mit einer politikwissenschaftlichen Perspektive. Dies bietet sich an, zumal in der DDR auch der Literatur eine politisch-ideologische Funktion zugewiesen war und der Staat, nicht zuletzt über die Mechanismen von Zensur und Selbstzensur, auf die Literaturproduktion nach Inhalt, Form und Verbreitung Einfluß nahm. Der Literaturbetrieb in der DDR kann daher, auch und gerade mit Blick auf die Kinder- und Jugendliteratur, nicht losgelöst vom umgebenden politischen System, seinen Herrschaftsmechanismen und Anpassungszwängen gesehen werden.
Nach einer knappen theoretischen Verortung der Arbeit setzt sich Wieckhorst zunächst in allgemeiner Weise mit dem Genre der Kinder- und Jugendliteratur in der DDR auseinander. Sie skizziert die dem marxistischen Menschenbild folgende Konzeption von Kindheit und Jugend, die zu einer partiellen Auflösung der Differenzen zwischen Kinder- und Jugendliteratur einerseits und Erwachsenenliteratur andererseits geführt habe. Kinder- und Jugendliteratur als Teil der "Nationalliteratur" der DDR sei nicht zuletzt aufgrund ihres erzieherischen Auftrages hohe literaturtheoretische Bedeutung beigemessen worden. Die marxistisch-leninistische Literaturwissenschaft habe Literatur "gesellschaftliche Realität korrigierende und entwicklungsfördernde Funktionen" (S. 30) zugeschrieben; Literatur sei die Aufgabe übertragen worden, Instrument des Klassenkampfes und mithin parteilich zu sein. Kinder- und Jugendliteratur habe in der Tradition der proletarisch-revolutionären Literatur der vor-nationalsozialistischen Zeit gestanden. In der SBZ und der frühen DDR seien zudem vielfältige Stilmittel der sowjetischen Literatur übernommen worden. Über allem habe der vor allem an "antifaschistische" Literatur gerichtete Auftrag gestanden, mit Blick auf den Staat und dessen Legitimation zur Sinnstiftung beizutragen. Neben der allgemeinen Darstellung des Lebens von Kindern sei "antifaschistischer Widerstand" eines der großen Themen der Kinder- und Jugendbuchproduktion in der DDR gewesen.
Wieckhorst diskutiert das Selbstbild der DDR als eines "antifaschistischen Staates" und analysiert das vom Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur verbreitete, einseitige, auf kommunistisch inspirierte, von Angehörigen der "Arbeiterklasse" getragene Aktionen reduzierte Bild. "Antifaschistischer Widerstand" sei, so Wieckhorst, nach seinem in der DDR verbreiteten Verständnis als Begriff eigentlich eine Tautologie gewesen. Er wird "als wesentlicher Bestandteil des offiziellen Leitdiskurses der DDR" (S. 46) gekennzeichnet; die Auseinandersetzung mit dem "Faschismus" in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR sei vor allem über den Topos "antifaschistischer Widerstand" erfolgt. Könne man diesem Bereich der Literaturproduktion auch nicht generell ästhetischen Charakter absprechen, so habe doch die von den Texten geforderte erzieherische Wirkung oftmals über deren literarisch-künstlerische Qualität dominiert. Widerstand aus politischen und Widerstand aus humanitären Motiven hätten nebeneinender gestanden, da zum einen dem Marx'schen Denken auch der Aspekt des Mitleids durchaus immanent sei und zum anderen die in Kinder- und Jugendbüchern dargestellten Protagonisten aufgrund ihres, dem Leserkreis angepaßten Alters eher aus humanitären denn aus politisch-ideologischen Motiven die erwünschte "gute Tat" vollbracht hätten.
Die skizzierten Befunde werden im Hauptteil der Studie an vielfältigen Beispielen plastisch belegt. Die in der Literatur vorfindbaren Kategorien von Widerstandshandlungen werden differenziert dargestellt. Humanitärer Widerstand sei zumeist als spontan, naiv und unreflektiert dargestellt worden, während sich der politische Widerstand vorwiegend als (kommunistischer) Kampf in der Illegalität oder in Konzentrationslagern vollzogen habe. Daneben habe es eine Vielzahl von Werken gegeben, die sich mit dem Widerstand in den während des Krieges deutsch besetzten Gebieten befasst hätten. Es überrascht nicht, daß der in der Regel der proletarischen Klasse entstammende "typische Widerstandsheld" jene Charakterzüge trug, die auch die "allseits entwickelte sozialistische Persönlichkeit" prägen sollten. Etwa Mitte der siebziger Jahre, so Wieckhorst, habe sich die Darstellung der Protagonisten weiterentwickelt.
Ziel sei es nun nicht mehr gewesen, zum Nacheifern der geschilderten Taten zu animieren, sondern angesichts des beschriebenen Leidens der Opfer bei den Lesern die moralische Verpflichtung zu verstärken, im Sinne der "antifaschistischen Tradition" dem sozialistischen Staat vorbildlich zu dienen. Eine differenzierte Typologie von Charakteren sollte die Möglichkeit zur Identifikation mit Menschen unterschiedlicher Wesenasart ermöglichen. Die bis in die achtziger Jahre hinein erfolgte umfangreiche Produktion von Titeln mit Widerstandsthemen sieht Wieckhorst in dem Versuch begründet, die Erinnerung an die nationalsozialistische Diktatur wachzuhalten und auch hierdurch die Existenz der DDR als eines eigenständigen deutschen Staates zu legitimieren.
Abschließend verweist die Verfasserin nochmals darauf, daß die Indienstnahme des "antifaschistischen Widerstandes" zum Zwecke einer ideologisch-pädagogischen Beeinflussung der nachwachsenden Generationen, zu einer Simplifizierung der komplexen historischen Realitäten und der Motive von Tätern, Widerständigen und Mitläufern, zur weitgehenden Ausblendung des Genozids an Juden und anderen und schließlich zur Exkulpierung der in der DDR lebenden Zeitgenossen der nationalsozialistischen Diktatur geführt habe, die sich, nun "Sieger der Geschichte", nicht mehr ihrer eigenen Rolle und Haltung in der NS-Zeit zu stellen brauchten.
Das Thema Kinder- und Jugendliteratur scheint in der Auseinandersetzung mit den Hinterlassenschaften des "ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden" zwar nicht als zentraler Gegenstand auf; gleichwohl läßt sich anhand der von der Verfasserin eindrücklich dokumentierten Einflußnahme auf die Darstellung des "antifaschistischen Widerstandes" in Kinder- und Jugendbüchern paradigmatisch zeigen, in welchem Maße die DDR-Führung bestrebt war, auch die Kunst ihren politisch-ideologischen Zielen dienstbar zu machen. Wieckhorst gelingt es, die Instrumentalisierung des "antifaschistischen Widerstandes" in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR im Kontext von Ideologie und Kultur einerseits und von Selbstlegitimation und Geschichtsauffassung der DDR andererseits aufzuzeigen. Insofern ist die Studie eine lohnende Lektüre nicht nur für an historischer Literaturforschung Interessierte, sondern auch für diejenigen, die etwas über das Verhältnis von Politik und Kunst unter den Bedingungen einer Diktatur erfahren wollen.